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Berliner Zeitung 13.12.2018

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 291 · D onnerstag, 13. Dezember 2018 – S eite 9 *<br />

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Berlin<br />

Agentenjagd:<br />

19-Jährigebrachte<br />

zwei Romane heraus<br />

Seite 16<br />

Fordernde Kita: Charlottenburger Einrichtung droht Eltern Seite 12<br />

Ermittelnde Polizei: Nutzhanf in Spätis beschlagnahmt Seite 15<br />

Das Ende der Angst<br />

Die Koalition verständigt sich auf einModell, um Wohnungen<br />

in der Karl-Marx-Allee in Landesbesitz zu überführen.<br />

Mieter jubeln,Kritiker fürchtenKlagen<br />

VonSilvia Perdoni<br />

Die Türme der Karl-Marx-Allee im Abendrot: Die gebeutelten Mieter der verkauften Wohnblocks dortdürften keinen Blick für die Schönheit haben, bei ihnen liegen derzeit die Nerven blank.<br />

IMAGO STOCK&PEOPLE<br />

Juristisch steht der Beschluss<br />

noch auf dünnem Eis. DerKoalitionsausschuss<br />

hat am Mittwoch<br />

entschieden, ein neues<br />

Vorkaufsmodell weiterzuverfolgen,<br />

um Mieter vor Verdrängung zu<br />

schützen. DerVorschlag soll den Bewohnern<br />

von drei Häusern in der<br />

Karl-Marx-Allee ermöglichen, ihre<br />

Wohnungen in den Bestand einer<br />

städtischen Wohnungsgesellschaft<br />

zu überführen. Er sieht vor, dass die<br />

Menschen ihr Vorkaufsrecht nutzen,<br />

dieWohnung dann aber direkt an ein<br />

kommunales Unternehmen weiterveräußern.<br />

Ein umstrittenes Konstrukt,<br />

das Mieter jubeln und Gegner<br />

eine Klagewelle fürchten lässt.<br />

„Wir tragenVerantwortung für die<br />

Bewohner der Karl-Marx-Allee“, sagt<br />

Stadtentwicklungssenatorin Katrin<br />

Lompscher (Linke) der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>.<br />

„Es ist wichtig, dass wir denen,<br />

die ihreWohnung nicht selbst kaufen<br />

können, eine Alternative bieten. Ich<br />

bin froh über die Entscheidung, die<br />

der Koalitionsausschuss getroffen<br />

hat.“ Am kommenden Dienstag soll<br />

der Senat das Modell beschließen.<br />

Wieberichtet befürchten die Mieter<br />

aus der Karl-Marx-Allee, dass<br />

nach einer Übernahme ihrer Häuser<br />

durch die Deutsche Wohnen hohe<br />

Mietsteigerungen auf sie zukommen.<br />

Ist doch das börsennotierte<br />

Unternehmen bekannt für eine rigide<br />

Mieterhöhungsstrategie. Seit<br />

Monaten protestieren die Bewohner<br />

der rund 800 Wohnungen lautstark<br />

gegen den neuen Eigentümer.<br />

Bezirkberuft sich auf Milieuschutz<br />

Dasnun auf den Weggebrachte Modell<br />

ist Teil eines Maßnahmenpakets<br />

gegen Verdrängung in der ehemaligen<br />

sozialistischen Prachtstraße. So<br />

bietet die Investitionsbank Berlin<br />

Menschen, die selbst Eigentümer ihrer<br />

Wohnung werden wollen, einen<br />

zinsgünstigen Kredit an. „Wir gehen<br />

aber nicht davon aus, dass besonders<br />

viele Mieter darauf zurückkommen“,<br />

sagt Senatorin Lompscher.<br />

In der Karl-Marx-Allee leben viele<br />

ältere Menschen, die mit ihrer Rente<br />

kaum einen Kredit abbezahlen könnten.<br />

Auch werarbeitslos wirdoder aus<br />

anderen Gründen den Kredit nicht<br />

tilgen kann, verliertseine Bleibe.<br />

Rund 700 Parteien in drei Häusern<br />

ander Straße haben das Recht,<br />

ihre Wohnung vor der Deutschen<br />

Wohnen selbst zu kaufen. Der vierte<br />

Block liegt in einem Milieuschutzgebiet.<br />

Hier wird der BezirkFriedrichshain-Kreuzberg<br />

sein Vorkaufsrecht<br />

zugunsten der Wohnungsbaugesellschaft<br />

Mitte geltend machen. Der<br />

Aufsichtsrat des Unternehmens gab<br />

dafür am Mittwoch grünes Licht.<br />

Bei den Mietern sorgt die Einigung<br />

in der Koalition für Erleichterung.<br />

„Von den Bewohnern fallen<br />

Ängste ab“, sagt der Vorsitzende des<br />

Mieterbeirats,NorbertBogedein, der<br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>. Die Option, ihre<br />

Wohnung der Stadt zu vermachen,<br />

stoße bei vielen Menschen im Haus<br />

auf Zustimmung. Die Wohnungsbaugesellschaft<br />

Gewobag soll als<br />

Käufer auftreten. „Das neue Modell<br />

schafft etwas Einmaliges, das auch<br />

anderswo funktionieren könnte.“<br />

Viele offene Fragen<br />

Darauf verweist auch die Opposition<br />

im Abgeordnetenhaus –jedoch mit<br />

kritischem Blick. „Die Unterstützung<br />

für Mieter der Karl-Marx-Allee wird<br />

anderswo Erwartungen wecken“,<br />

sagt Christian Gräff, wohnungspolitischer<br />

Sprecher der CDU. Er fordert,<br />

dass für ganz Berlin gelten müsse,<br />

was auf der Prachtmeile Mieter<br />

schützt. Die Koalition betont hingegen,<br />

es handle sich um einen Einzelfall.<br />

DieKarl-Marx-Allee war zu DDR-<br />

Zeiten die Vorzeigestraße im Ostteil.<br />

In den 50er-Jahren entstanden rund<br />

3000 Wohnungen. Nach der Wiedervereinigung<br />

wurden die Häuser privatisiert.<br />

Lage und Geschichte machen<br />

sie zu etwas Besonderem.<br />

Bis zur Senatssitzung sind noch<br />

eine Reihe vonFragen zu klären. Unklar<br />

ist laut Lompscher etwa, wie<br />

teuer die Gebühren für den Ankauf<br />

die Stadt zu stehen kommen. Sie<br />

könnten doppelt zu Buche schlagen,<br />

denn auf dem Papier finden zwei<br />

Verkäufe statt. Zuerst erwirbt der<br />

Mieter die Wohnung mit einem Kredit<br />

der Stadt vom Eigentümer, dann<br />

kauft die landeseigene Wohnungsgesellschaft<br />

die Wohnung vonihrem<br />

Bewohner –macht zweimal Grunderwerbsteuer<br />

und Notarkosten aus<br />

der Landeskasse. Eine Eigenkapitalspritze<br />

für die beteiligten Wohnungsunternehmen<br />

will Lompscher<br />

aus einem dafür vorgesehenen 100<br />

Millionen schweren Fonds bezahlen.<br />

Am Freitag will der Bezirkden Bewohnern<br />

der Karl-Marx-Allee das<br />

Modell vorstellen. Mieterbeirat Norbert<br />

Bogedein denkt, dass mehr als<br />

die Hälfte der Menschen sich darauf<br />

einlassen. Das wäre auch wichtig.<br />

Sonst bliebe die Mehrheit der Anteile<br />

in der Eigentümergemeinschaft und<br />

damit die Entscheidungshoheit bei<br />

der Deutschen Wohnen.<br />

Samstag, 15.Dezember<br />

13 bis 18 Uhr<br />

Weihnachtsprogramm

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