Die Malteser-Zeitung 1/2019
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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LEBENSWERT<br />
„DER LIEBE GOTT HAT UNS<br />
FELI NUR GEBORGT“<br />
Katharina Brandner, bischöfliche Medienreferentin der Diözese St. Pölten, verlor im Dezember 2016 ihre zehn Monate<br />
alte Tochter Felicitas. Für „Kirche bunt“ schreibt sie vom Leben mit ihrer Tochter und der Trauer um sie.<br />
Von Katharina Brandner<br />
Es gibt einen uralten Cartoon von Snoopy und Charlie<br />
Brown, die am Steg sitzen, und Charlie Brown sagt:<br />
„Eines Tages werden wir sterben“ und Snoopy antwortet<br />
ihm: „Ja, aber an allen anderen Tagen werden wir leben!“.<br />
Vor zwei Jahren ist unsere kleine Tochter Felicitas im Alter<br />
von zehn Monaten gestorben, in meinen Armen. Aus einem<br />
Kind, dem Ärzte zu Beginn keine Chance gegeben hatten,<br />
wurden zehn Monate Leben. Ein langes Leben, das doch<br />
so kurz war. Wir haben mit ihr gelebt, im Wissen um ihren<br />
baldigen Tod. Und die Tage waren trotzdem voller Leben.<br />
„Alle tun, was sie können“<br />
Es ist ein wunderbarer und ungewöhnlich warmer Februartag<br />
im Jahr 2016, als unsere Tochter nach einer unkomplizierten<br />
Schwangerschaft zur Welt kommt. Während<br />
draußen die gleißende Februarsonne leuchtet, kämpfen<br />
drinnen, nach dem Notkaiserschnitt, Ärzte um ihr Leben.<br />
An eines erinnere ich mich sehr konkret: Dass sich im OP,<br />
als es ganz still wird und geschäftiges Treiben rund um<br />
mich losgeht, die Hebamme mit Mundschutz und Haube<br />
über mich beugt und mit fester Stimme sagt: „Alle tun,<br />
was sie können“. Dann endet meine Erinnerung an die<br />
Geburt unserer Tochter.<br />
Als ich wieder aufwache, sehen wir den Ärzten beim Kopfschütteln<br />
zu, tagelang. Keiner kann so recht sagen, was<br />
los ist, was passiert ist, nur eines ist klar: Unsere Tochter<br />
wurde lange reanimiert. Und sie hatte bei ihrer Geburt<br />
körperlich sichtbare massive Behinderungen, die sich im<br />
Laufe der ersten Lebenswochen recht vielfältig manifestieren.<br />
In ihren ersten Lebenswochen nehmen wir die<br />
Tage und Momente, wie sie kommen, immer in der Sorge,<br />
dass jeder Alarm der letzte sein könnte. Mitten in die<br />
Aufregung einer Intensivstation hinein lassen wir sie an<br />
ihrem 5. Lebenstag taufen. Ein Moment, der etwas in uns<br />
macht: Wir spüren physisch und eindringlich, dass wir<br />
nicht allein für sie da sein müssen. Dass Er uns hilft, und<br />
da ist. In ihr ist.<br />
„Wieso gerade ihr?“, das habe ich oft gehört, in den Tagen<br />
nach ihrer Geburt, als wäre das Bestreben, ein halbwegs<br />
geordnetes und gläubiges Leben zu führen irgendwie Garant<br />
dafür, vor allem Unheil verschont zu bleiben. „Wieso<br />
nicht auch wir?“, war dann immer meine Antwort.<br />
Er will Liebe, nicht Leistung<br />
<strong>Die</strong> große Ruhe, die ich immer hatte, kam auch aus<br />
meiner Gewiss heit, dass Felicitas’ Dasein genau so ist,<br />
wie Er sich das ausgedacht hatte. Sie war und ist genauso<br />
gewollt, geschaffen, geliebt, nach Seinem Abbild, wie<br />
wir alle. Ich glaube schlicht, Gott denkt nicht in so weltlichen<br />
Kategorien wie wir. Funktionierendes Kleinhirn,<br />
Lidschluss, vegetatives Nervensystem,… – wir brauchen<br />
diesen Körper nur einen kurzen Moment unseres Seins in<br />
Gottes Hand. Und ich glaube, er will unser Dasein, nicht unsere<br />
Fähigkeiten. Er will Liebe, nicht Leistung. Er ist Liebe.<br />
Ihr Körper war nicht für diese Welt gemacht, sie war von<br />
Anfang an, sehr sichtbar, und für uns Eltern oft auch sehr<br />
schmerzhaft, ganz Sein Kind. So wie wir alle – nur vergessen<br />
wir selbst das im Zuge unserer Fähigkeiten, unserer<br />
Ambitionen, unserer Bedürfnisse. Wenn Menschen zu<br />
mir gesagt haben: „Das ist jetzt eine große Prüfung“, bin<br />
ich immer innerlich zusammengezuckt. Wie sollte mich<br />
Er, der mich gerade so trug, prüfen wollen? Als wäre es<br />
eine Belohnung, gesund und munter zu sein. Was für ein<br />
Gottesbild ist das? Ein prüfender Gott! Gesundheit als<br />
Belohnung? Krankheit als Konsequenz für Unglauben? Er<br />
will, dass wir in Fülle leben, mit allem, was dazugehört. Er<br />
will, dass das Gebet kein Funktionalismus ist, und trotz-<br />
30<br />
DIE MALTESER 1/<strong>2019</strong>