Die Malteser-Zeitung 1/2019
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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RUNDSCHAU<br />
DER DRUCK DER<br />
MÄNNLICHKEIT<br />
Das Männergesundheitszentrum MEN in Wien arbeitet beim Thema Flüchtlingshilfe eng mit den MALTESERN zusammen.<br />
Dazu haben wir bereits für unsere Ausgabe 2/2018 mit MEN-Leiter Romeo Bissuti gesprochen. Anlass für das aktuelle<br />
Interview: <strong>Die</strong> Betreuungsmöglichkeiten für Männer in Not sind längst noch nicht dort, wo sie sein sollten.<br />
Von Katharina Stögner<br />
In Zeiten steigender Gewalttaten gegenüber Frauen<br />
reden wir hier über Hilfe für Männer. Übersehen<br />
wir etwas in der Diskussion?<br />
Ganz im Gegenteil. Gerade Männer mit Fluchthintergrund<br />
schleppen viele unbearbeitete Themen mit sich herum,<br />
die sich eben aus dem Kontext Flucht oder Kriegstraumatisierung<br />
ergeben. <strong>Die</strong>se Männer sind durch<br />
äußerst ungewisse Zukunftsperspektiven stark belastet.<br />
Psychische Erkrankungen sind von außen meist nicht<br />
sichtbar, behindern die Menschen aber oft in gleicher<br />
Weise wie schwere Verletzungen oder schmerzhafte chronische<br />
körperliche Erkrankungen. Oft muss darüber hinaus<br />
erst ein Bewusstsein für das Vorhandensein einer<br />
psychischen Erkrankung bei den Betroffenen erzeugt<br />
werden. Hier sind Scham und Unwissenheit die größten<br />
Hürden.<br />
Generell scheinen Männer eher seltener psychologische<br />
Hilfe in Anspruch zu nehmen als Frauen. Woran<br />
könnte das liegen?<br />
Ich denke, dass dies am Männlichkeitsbild liegt. In bestimmten<br />
Gesellschaften und sozialen Schichten herrscht<br />
immer noch die Idealvorstellung einer sehr dominanten<br />
Männlichkeit. Viele Männer leiden unter dem Druck, so<br />
einem Männlichkeitsbild entsprechen zu müssen. <strong>Die</strong><br />
meisten unserer männlichen Klienten sind von Gewalt<br />
betroffen und verarbeiten dieses Gewalterlebnis wiederum<br />
in Gewaltausübung, um nie wieder in die Opferrolle<br />
zu gelangen. <strong>Die</strong>se Männer landen dann aber eher bei der<br />
Polizei als beim Therapeuten.<br />
Wie viele Klienten betreut MEN durchschnittlich<br />
pro Jahr?<br />
Wir können etwa 300 bis 400 Therapiestunden pro Jahr<br />
dank der Unterstützung durch die <strong>Malteser</strong> ermöglichen.<br />
Das bedeutet eine enorme Hilfe für die Männer, gerade<br />
weil die muttersprachliche psychologische Hilfe rar ist.<br />
Damit ist aber oft auch nur das Notwendigste getan. Der<br />
Bedarf und die Anfragen liegen um ein Vielfaches höher.<br />
Wie viele Männer würden Hilfe brauchen, können<br />
aber aufgrund der fehlenden Ressourcen nicht behandelt<br />
werden?<br />
Wir machen die Erfahrung, dass die Nachfrage mit dem<br />
Angebot steigt und es auch bei einem Ausbau der Angebote<br />
zu einer gleich bleibend langen Warteliste kommt.<br />
Wir gehen davon aus, dass der Bedarf an psychologischer<br />
Hilfe auf Grund der prekären Lebenssituation der Zielgruppe<br />
auch noch in den kommenden Jahren sehr hoch<br />
sein wird.<br />
Wie groß ist die Chance, dass Klienten von MEN<br />
eine Arbeitsstelle finden?<br />
Damit die Integration am Arbeitsplatz gelingt, ist zuerst<br />
der erfolgreiche Besuch eines Deutschkurses oder<br />
einer Bildungsmaßnahme erforderlich. Für Menschen<br />
mit Panikattacken, Angststörungen, Depressionen oder<br />
posttraumatischen Belastungsstörungen ist das kaum<br />
möglich. Sie müssen zuerst ihre Geschichte bearbeiten,<br />
bevor sie in der Lage sind, zu lernen und einen Kurs positiv<br />
abzuschließen. Wenn das aber gelingt, eröffnen sich<br />
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DIE MALTESER 1/<strong>2019</strong>