Die Malteser-Zeitung 1/2019
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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XXXX<br />
Mag. Katharina Brandner<br />
ist seit 2014 bischöfliche<br />
Medienreferentin im<br />
Kommunikationsreferat<br />
der Diözese St. Pölten.<br />
Neben und nach ihrem<br />
Studium der Politik- und<br />
Sozialwissenschaft und Ausbildungen in Pressearbeit<br />
und Public Affairs arbeitete sie zehn Jahre im<br />
PR-Bereich großer Interessenvertretungen wie der<br />
Wirtschaftskammer, der Papierindustrie und einer<br />
Nicht-Regierungsorganisation. Sie ist verheiratet<br />
und Mutter zweier Kinder.<br />
dem die größte Kraft ist, die wir Christen zur Verfügung<br />
haben. Eine Wunderwaffe, die ankommt, die<br />
wirkt, rund um einen und in einem selbst.<br />
Während des vielen Betens am Bett meiner Tochter,<br />
deren Zustand sich nicht änderte, deren Wunderheilung<br />
ausblieb, deren Verfassung mal stabiler, mal instabiler<br />
war, wurde mir jedoch eines klar: Wir wurden alle geheilt<br />
– wenn auch nicht sichtbar und physisch. Wir haben<br />
Ruhe und Frieden gefunden, um mit diesem Leben, dieser<br />
Situation umgehen zu können. Unsere Wunderheilung war<br />
eine Wundenheilung.<br />
Unser Sohn Nikolaus – der vier Jahre alt war, als seine kleine<br />
Schwester starb – hat einmal gesagt, als ich wieder einmal<br />
versucht habe, ihm zu erklären, dass sie sterben wird: „Ah!<br />
Jetzt weiß ich, was du meinst! Der liebe Gott hat uns Feli<br />
nur geborgt. Und irgendwann will er sie zurück. Und dann<br />
müssen wir sie ihm geben, weil sie ihm gehört und nicht<br />
uns.“ Wir sind die Eltern von zwei wundervollen Kindern:<br />
Eines fest an der Hand, das andere fest im Herzen.<br />
Nicht aufhören, über Felicitas zu sprechen<br />
Das wichtigste Ritual ist für uns, nicht aufzuhören, über<br />
Felicitas zu sprechen. Ich empfinde es schmerzhafter, nicht<br />
von ihr zu erzählen, als über sie zu sprechen. Nicht nach<br />
ihr gefragt zu werden, empfinde ich als belas tend, denn ihr<br />
Tod ist, egal wohin ich komme, ohnehin der „Elefant im<br />
Raum“. <strong>Die</strong> Trauer um Kinder mit Behinderungen stößt<br />
ohnehin auf viel Unverständnis. Wenn nach Felicitas’ Tod<br />
Menschen zu mir gesagt haben, dass sie nun erlöst sei und<br />
sie es nun besser habe im Himmel, hat mich das wirklich<br />
sehr getroffen. Als müsste ich froh sein, dass sie gestorben<br />
ist, weil sie eine Behinderung hatte. Dabei war das das einzige<br />
Leben, das sie hatte und das wir mit ihr hatten.<br />
Ihr Fehlen jeden Tag aushalten<br />
Wir sollten uns von der Vorstellung befreien, dass nur das<br />
Leben gut ist, das der Norm entspricht. Dass nur ein Leben<br />
lebenswert ist, das frei von Schmerzen und Leid ist.<br />
Ihre Behinderung war ein Faktum, aber kein Maßstab.<br />
„Felicitas fehlt überall“, sage ich oft. <strong>Die</strong> Trauer um sie<br />
bedeutet für uns, ihr Fehlen jeden Tag aufs Neue auszuhalten,<br />
jeden Tag aufs Neue in unser Leben zu integrieren.<br />
Trauer bedeutet eben nicht, eine Zeit lang in einer Ecke<br />
zu sitzen und zu weinen, und irgendwann wird das besser<br />
und man hat es „hinter sich gebracht“. Das ist eine völlig<br />
falsche Vorstellung von Trauer. Auch der Glaube an die<br />
Auferstehung, an ihre Auferstehung, heißt nicht, dass ihr<br />
Fehlen auf dieser Welt nicht an manchen Tagen unerträglich<br />
ist. Traurig zu sein, heißt nicht, kein guter Katholik zu<br />
sein. Getröstet zu sein, heißt ja nicht, nicht mehr traurig<br />
zu sein. Sondern den Schmerz auszuhalten. Trauer ist Liebe,<br />
die nirgends hin kann.<br />
Es liegt eine ungeheure Kraft darin, dem Tod ins Auge zu<br />
blicken. Bis zum Schluss. Wir haben ihm nicht die Kontrolle<br />
über uns überlassen. Er ist Teil unseres Lebens geworden,<br />
aber nicht mehr. Felicitas ist unser Schatz bei<br />
Gott. Wo sie ist, ist unser Himmel.<br />
Ich wurde nicht gefragt bei meiner Geburt<br />
und die mich gebar wurde auch nicht gefragt<br />
bei ihrer Geburt niemand wurde gefragt<br />
außer dem Einen und der sagte Ja.<br />
(Kurt Marti)<br />
DIE MALTESER 1/<strong>2019</strong> 31