Berliner Kurier 24.06.2019
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*<br />
POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Harald<br />
Stutte<br />
Mit unserem System<br />
spielt man nicht<br />
Inder CDU–vornehmlich<br />
im Osten–können sich immer<br />
mehr Politiker eine Kooperationmit<br />
derrechtenAfD<br />
vorstellen. „Entzauberung“<br />
heißt diemagische Formel.<br />
Sachsen-Anhalts Fraktionsspitzeanalysiertemesserscharf,<br />
die „linksorientierte<br />
Medienberichterstattung“ sei<br />
verantwortlich dafür, dass<br />
Wählervon Union undAfD,<br />
die ja „ähnliche Ziele“hätten,<br />
nicht zusammenfänden. Und<br />
AfD-Chef Gauland prophezeit<br />
gar denUntergang der CDU–<br />
falls sie sich nicht„aus babylonischer<br />
Gefangenschaft merkelscher<br />
Politik“befreit.<br />
DerBlick über den deutschen<br />
Tellerrandhinaussollte eine<br />
Warnung sein:InÖsterreich<br />
und in Italien habenKoalitionen<br />
mit Rechtsparteienvor allemzur<br />
„Entzauberung“ der<br />
größerenPartnergeführt, die<br />
Rechten gingen daraus stets<br />
gestärkthervor. Abgesehen<br />
vonstrategischen Überlegungenverbietet<br />
es sichschlicht<br />
aus ethischen Gründen,mit<br />
Rassisten zu paktieren. Sie<br />
wollen eine andere Republik,<br />
sieverachtenunsereliberale<br />
Gesellschaft. IhrKraftquell ist<br />
die Unzufriedenheit, das Ressentiment.<br />
Werihnen zu<br />
Machtpositionen verhilft, setzt<br />
unserWertesystem aufsSpiel.<br />
Und da hört der Spaß auf!<br />
MANN DESTAGES<br />
Wolfgang Schäuble<br />
Partystimmung an der Ostsee:<br />
Die Kieler Woche ist eröffnet.<br />
Ein Höhepunkt: die<br />
Verleihung des Weltwirtschaftlichen<br />
Preises an<br />
Wolfgang<br />
Schäuble<br />
(CDU, 76).<br />
Auf einem<br />
Podium<br />
brach der<br />
Bundestagspräsident<br />
eine Lanze<br />
für die Fridays-for-Future-Bewegung:<br />
„Wenn die Jungen jetzt stärker<br />
Druck machen, hilft es<br />
der Politik, Entscheidungen<br />
zu treffen, die sie schon viel<br />
früher und energischer hätte<br />
treffen müssen.“<br />
Foto: Frank Molter/dpa<br />
Erstden Doktortitel,<br />
dann die SPDretten<br />
Familienministerin Giffey ist zur Hoffnungsträgerin ihrer Partei geworden. Doch sie hat noch ein Problem<br />
Berlin – Die Stellenbeschreibung<br />
ist anspruchsvoll: Herz<br />
und Bauch der Mitglieder ansprechen<br />
– dabei den Kopf<br />
nicht vergessen. Jung und unverbraucht<br />
sein. Zugleich erfahren<br />
genug, um nicht in<br />
Fettnäpfchen zu treten. Radikal<br />
verändern, aber nicht verschrecken.<br />
Was die SPD von<br />
ihrer neuen Führung verlangt,<br />
scheint für eine Person<br />
zu viel. Ob die Partei auch<br />
künftig auf eine Doppelspitze<br />
setzt, soll heute entschieden<br />
werden. Neuerdings wird immer<br />
öfter der Name Franziska<br />
Giffey genannt. Doch die<br />
Ministerin kämpft vorerst an<br />
einer ganz anderen Front.<br />
Wenn es um die künftige SPD-<br />
Spitze geht, sind sie nicht dabei:<br />
Die drei kommissarischen<br />
Vorsitzenden Manuela<br />
Schwesig, Malu Dreyer und<br />
Thorsten Schäfer-Gümbel ha-<br />
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey(SPD) jüngst beim Richtfest im<br />
Hospizzentrum Rudow.<br />
ben bereits abgewunken.<br />
Schwesig und Dreyer wollen<br />
ihre Jobs als Ministerpräsidenten<br />
in Mecklenburg-Vorpommern<br />
und Rheinland-<br />
Pfalz behalten, Schäfer-Gümbel<br />
möchte zur bundeseigenen<br />
Entwicklungsorganisation<br />
GIZ wechseln. Die dünne<br />
Personaldecke in Deutschlands<br />
ältester Partei führt daher zu<br />
munteren Spekulationen. Für<br />
Zuckerbrot und Peitsche: Trumps<br />
Chaos-Strategie im Mittleren Osten<br />
Washington – Im Konflikt<br />
mit dem Iran verfolgt US-<br />
Präsident Donald Trump<br />
eine Strategie von „Zuckerbrot<br />
und Peitsche“: US-Medien<br />
berichteten, die USA<br />
hätten in der vergangenen<br />
Woche Cyberangriffe auf<br />
iranische Raketenkontrollsysteme<br />
und ein Spionagenetzwerk<br />
durchgeführt.<br />
Einer der Angriffe galt demnach<br />
Computersystemen<br />
der Revolutionsgarden, die<br />
zur Kontrolle von Lenkwaffen<br />
genutzt werden.<br />
Trump machte zudem deutlich,<br />
dass er den jüngst geplanten<br />
Angriff nicht komplett<br />
abgesagt habe. „Ich habe<br />
den Angriff auf den Iran<br />
nicht ,zurückgerufen‘, wie<br />
falsch berichtet wird. Ichhabe<br />
ihn nur zum damaligen<br />
Zeitpunkt gestoppt“, twitterte<br />
er. Zugleich stellte er<br />
dem Iran aber wirtschaftliche<br />
Entwicklung in Aussicht,<br />
sollte Teheran sich verpflichten,<br />
dauerhaft auf den<br />
Bau einer Atombombe zu<br />
verzichten. Trump: „Wenn<br />
sie dem zustimmen, werden<br />
sie ein wohlhabendes Land<br />
haben, sie werden so glücklich<br />
sein, und ich werde ihr<br />
bester Freund sein.“<br />
Jacquelyn Martin/AP/dpa<br />
Foto: Imago-images.de<br />
ein denkbares Spitzen-Duo<br />
wird daher immer wieder Familienministerin<br />
Franziska Giffey<br />
genannt. Zwar könnte die<br />
Plagiatsprüfung ihrer Doktorarbeit<br />
einen Strich durch diese<br />
Rechnung machen, Berlins<br />
SPD-Fraktionschef Raed Saleh<br />
meint aber, die 41-Jährige hätte<br />
das Zeug zur Parteivorsitzenden.<br />
„Franziska Giffey ist ein<br />
Talent“, sagt er. „Ihre Stärke ist,<br />
dass sie nicht ihren Kurs permanent<br />
wechselt, je nachdem,<br />
wie es gerade im Mainstream<br />
passt, sondern sie hat eine Linie.“<br />
Tatsächlich scheint sich Giffey<br />
vorsichtig warmzulaufen.<br />
„Es ist extrem wichtig, dass im<br />
Vorsitz jemand ist, der Bauch<br />
und Herz erreicht“, sagte sie<br />
kürzlich in einem Interview.<br />
Genau dafür ist sie bekannt. Zugleich<br />
spricht sich die Familienministerin<br />
indirekt für ein Führungsduo<br />
aus: „Wenn Sie eine<br />
Demonstranten halten Buchstaben vordem Weißen<br />
Haus hoch, deren Wortlaut bedeutet: „Keinen Krieg".