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Berliner Zeitung 24.06.2019

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26 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 143 · M ontag, 24. Juni 2019<br />

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Spreewild<br />

Klartext<br />

Victim Blaming:<br />

Brauchen wir nicht<br />

VonAnastasia Barner, 20Jahre<br />

Nachdem in meinem Gymnasium<br />

Nacktfotos von einer Mitschülerin<br />

die Runde gemacht hatten,<br />

kam sie einige Wochen nicht in<br />

die Schule und musste zur Therapie.<br />

Diese Fotos sahen um die 500Schüler.<br />

Bella Thorne, eine Schauspielerinaus<br />

den USA, zeigte ihreNacktfotos<br />

öffentlich bei Twitter, für ihre<br />

6,8 MillionenFollower sichtbar.<br />

Die21-Jährige<br />

postete die „nudes“<br />

nicht, um<br />

ihren Körper<br />

oder ihreNippelpiercings<br />

zu präsentieren,<br />

sondern<br />

um einem<br />

Hacker zuvorzukommen,<br />

der sie<br />

Anastasia will nicht,<br />

dass wir Opfer zu<br />

Schuldigen machen.<br />

PRIVAT<br />

mit ebendiesen<br />

Fotos erpresst<br />

hatte.<br />

Für ihreWorte<br />

„F*** dich und die Macht, die du<br />

über mich zu haben glaubst“ wird<br />

sie von vielen Twitter- und Instagramnutzern<br />

gefeiert. Erpressung<br />

mit gestohlenen Nacktfotos –vielen<br />

jungen Frauen in Hollywood ist dieses<br />

Schicksal bereitswiderfahren.<br />

Umso verwunderlicher ist die Reaktion<br />

von Whoopi Goldberg, die<br />

vorihrer Schauspielkarriereihr Geld<br />

mit Telefonsex verdiente. In ihrer<br />

Talkshow sagte sie: „Wenn du berühmt<br />

bist – mir egal, wie alt du<br />

bist –, machst du einfach keine<br />

Nacktfotos von dir“ und „Wenn du<br />

nichtweißt,dassdas [Hackerangriffe,die<br />

Red.]2019 ein Problem ist,tut<br />

es mir leid“. Daraufhin postete Bella<br />

auf Instagram mehrere Clips, indenen<br />

sie weinend darüber spricht,<br />

dassdiese Aussage das Letzte istund<br />

sie sich aufgrund dessenschämt.<br />

Kein gutes Signal<br />

Schämen sollte sich allerdings<br />

Whoopi Goldberg! Sie hat recht, wir<br />

leben im Jahr 2019. Doch das heißt<br />

für mich, dass wir Frauen nicht dafür<br />

kritisieren sollten, stolz auf ihren<br />

Körper zu sein(und auch Nacktfotos<br />

von ihm zu machen). Das ist keine<br />

Rechtfertigung dafür,diese privaten<br />

Fotos zu klauen und jemanden damit<br />

zu erpressen. Und wenn eine<br />

angesehene, weltbekannte Schauspielerin<br />

das Opfer zur Schuldigen<br />

erklärt, ist das kein gutes Signal an<br />

die kommendeGeneration.<br />

MELDUNG<br />

Videowettbewerb: Wie man<br />

in Krisen helfen kann<br />

Wieviel Wahrheit in dem Motto<br />

„Ein Gespräch kann Leben retten“<br />

steckt, weiß die Online-Beratungsstelle<br />

[U25], die sichumjunge<br />

Menschen in Krisen und Suizidgefahr<br />

kümmert. Nunhat sie einen<br />

Videowettbewerb mit ebendiesem<br />

Motto gestartet. Teilnehmen können<br />

alle zwischen15und 25 Jahren,<br />

die bis zum 10. August einselbst<br />

erstelltes Video einschicken, das<br />

zeigt, wie man anderen Menschen<br />

helfen kann. Denn egal, ob über<br />

kleine Gesten, Gespräche oder einfach<br />

nur ein Lächeln: Jeder kann<br />

bei (suizidalen) Krisen helfen! Die<br />

zehn besten Videos werden auf dem<br />

neuen YouTube-Kanal der Organisation<br />

erscheinen undmit einem<br />

Überraschungspaket belohnt. SW<br />

Von Janine Kusatz, 19 Jahre<br />

Es ist ein naserümpfender<br />

Spruch einer älteren Dame<br />

in der Bahn, eine rassistische<br />

Aussage bei der Familienfeier<br />

oder eine Stammtischparole<br />

in der Bar. Jeder wurde schon<br />

einmal in irgendeiner Form Zeuge<br />

einer diskriminierenden Aussage.<br />

Bleibt die Frage: Wiehandelt man in<br />

einer solchen Situation? Kontern<br />

oder doch lieber ignorieren? Onur<br />

Özgen ist 27 und eigentlich Jura-<br />

Student. Seit 2017 arbeitet er bei<br />

„Gegen Vergessen –Für Demokratie<br />

e. V.“und führtArgumentationstrainings<br />

für Jugendliche in Schulen<br />

und anderen Institutionen durch,<br />

um ihnen zu zeigen, wie sie mit<br />

rechten Parolen umgehen können.<br />

Worum geht es in eurem Training?<br />

Letztendlichgeht es nicht direkt<br />

darum, „Waffen“ gegen rechte Parolen<br />

zu bekommen. Man bekommt<br />

keine Argumente an die Hand, mit<br />

denen mandagegenschießen kann.<br />

Es ist viel tiefgründiger: Man lernt,<br />

wie man eine demokratische Gesprächskultur<br />

aufbaut, indem man<br />

mit dem Gegenüber spricht, auf die<br />

Gefühle und Bedürfnisse des anderen<br />

eingeht und Probleme auf einer<br />

kommunikativen Ebene löst. Jeder<br />

Mensch hat Vorurteile –wir Trainer<br />

sind davon auch nicht frei. Wir vermitteln<br />

diese Erkenntnis und schaffen<br />

Sensibilität dafür.<br />

Also ist Aufklärung ein wichtiger<br />

Teil?<br />

Ja, wir versuchen zu erörtern,<br />

wie Vorurteile überhaupt entstehen.<br />

Überlegen, was sehe ich in einer<br />

Person, was schreibe ich ihr zu,<br />

und klären dann, warum wir das<br />

tun. Wenn ein Mann zum Beispiel<br />

sagt, alle Frauen sind schwach und<br />

Männer sind stark, will er sich abgrenzen,<br />

braucht Sicherheit, will<br />

sich aufwerten und die andere<br />

Gruppe abwerten, um seine Macht<br />

zu erhalten.<br />

Wie spricht oder argumentiert man<br />

mit Menschen, die rechte Parolen<br />

äußern?<br />

„Jeder Mensch hat Vorurteile“<br />

Onur Özgen ist Coach und erklärt, wie man im Gespräch auf rechte Parolen reagieren kann<br />

Von Catharina Bernal, 15 Jahre<br />

Onur Özgen will, dass wir als Gesellschaft im Gespräch bleiben.<br />

Es ist nicht immer möglich zu<br />

argumentieren und man kann nicht<br />

mit jedem gleich sprechen. Es gibt<br />

natürlich auch Situationen, in denen<br />

man merkt, dass eine Person<br />

gerade zu viel ist, mit manchen<br />

Menschen kann man nicht diskutieren.<br />

Dann hilft es eben nur noch,<br />

die Situation zu verlassen, da es<br />

nicht „die eine“ Lösung gibt. Eine<br />

unserer ersten Regeln ist natürlich<br />

Safety First, also die eigene Sicherheit<br />

geht vor.<br />

Was wären denn konkrete Handlungsstrategien?<br />

Kürzlich verkündete Greta Thunberg<br />

auf der Klimademonstration<br />

in Wien, sie wolle nach dem<br />

Abschluss der neunten Klasse im<br />

Sommer ein Jahr lang die Schule<br />

aussetzen. Grund dafür sei, dass sie<br />

sich voll und ganz dem Kampf für<br />

den Klimaschutz widmen wolle und<br />

das nicht mit der Schule unter einen<br />

Hutbringen könne.<br />

Da ihre Schulpflicht nach der<br />

neunten Klasse erfüllt sei, bestehe<br />

kein Grund zur Annahme, sie würde<br />

„schwänzen“ oder „die Schule<br />

abbrechen“, wie einige Medien behaupteten.<br />

Der Plan sei lediglich,<br />

ein Jahr auszusetzen. Im kommenden<br />

Jahr werde sie dann auf ein<br />

Gymnasium wechseln, um dort<br />

ihre Schullaufbahn wieder aufzunehmen.<br />

Nun stellt sich vielen die Frage,<br />

was sie für das nächste Jahr geplant<br />

hat, wenn sie nicht zur Schule geht.<br />

Im September wird sie zum Klimagipfel<br />

der Vereinten Nationen nach<br />

New York gehen und im Dezember<br />

an der Weltklimakonferenz in Santiago<br />

de Chile teilnehmen. Außerdem<br />

wird sie weiterhin zu den Klimaschutz-Demonstrationen<br />

gehen<br />

und die Länder im Kampf gegen den<br />

Klimawandel unterstützen.<br />

RONNY BITTNER<br />

Dem Gegenüber aktiv zuhören,<br />

ihn versuchen zu verstehen. Wenn<br />

jemand etwas sagt, offene Nachfragen<br />

stellen und eine gemeinsame<br />

Diskussionsebene finden. Da gilt es<br />

dann, für sich selbst einzuschätzen,<br />

in welcher Ebene befinde ich mich<br />

gerade: Ist eseine hitzige Diskussion?<br />

Ist die Person aggressiv? Dann<br />

ist es natürlich wichtig, selbstbewusst<br />

aufzutreten. Wenn eine<br />

rassistische Aussage fällt, nicht sofort<br />

zu verurteilen und die Person<br />

an den Pranger zu stellen, sondern<br />

mitder Person eine Diskussion aufbauen,<br />

dem Gegenüber zeigen, dass<br />

Die Schule muss warten<br />

man an einem Gespräch interessiert<br />

ist. Nicht zustimmen, aber der<br />

Person das Gefühl geben, dass man<br />

zugehört und verstanden hat. Im<br />

Anschluss das Problem präzisieren<br />

und dabei bleiben, nicht zulassen,<br />

dass Parolen ständig gewechselt<br />

werden. Mangeht auf eine kommunikativeEbene<br />

und es folgt eine Ich-<br />

Botschaft: „Ich habe verstanden,<br />

dass …“ Generell gilt es auch zu klären,<br />

in welchem Raum wir uns befinden:<br />

Sind wir im Bus oder in der<br />

Schule, bei der Familie? Überlegen,<br />

traut man sich das überhaupt?<br />

Und was, wenn man es sich nicht<br />

traut?<br />

Im Grunde hat man im Zweifelsfall<br />

vier Optionen: Schweigen,<br />

die Polizei alarmieren, wenn es zu<br />

gefährlich ist, andere Leute ansprechen<br />

oder mit der betroffenen Person<br />

über etwas anderes sprechen,<br />

damit sie diese Sprüche nicht ertragen<br />

muss.<br />

Wie lange dauert es, diese Strategien<br />

zu erlernen?<br />

Jede Person ist anders in ihrem<br />

Standpunkt, mit ihrem Wissen und<br />

der Motivation. Das Training zielt<br />

darauf ab,die Personen zu sensibilisieren<br />

und zu befähigen, sich mit<br />

sich selbst und diesen Fragen zu beschäftigen.<br />

Das ist Learning by<br />

Doing, man hört es im Training,<br />

lernt die Strategien und dann ist es<br />

Ausprobieren. Die Strategie kann<br />

auch sein, dass man die Situation<br />

verlässt. Das ist jedem selbst überlassen.<br />

Wie kamst du dazu, diese Argumentationstechniken<br />

zu lernen?<br />

Ich finde es einfach generell<br />

wichtig, in einer multikulturellen<br />

Gesellschaft miteinander im Gespräch<br />

zu bleiben –und das auch<br />

mit Menschen, die eine andereMeinung<br />

vertreten. Mir war es schon<br />

immer wichtig, dasswir uns als pluralistische<br />

Gesellschaft versuchen,<br />

gegenseitig zu verstehen, und uns<br />

nicht spalten. Ich möchte eine aufgeschlossene<br />

Gesellschaft, und das<br />

ist auch das, wozu der Verein mit<br />

dem Training beiträgt.<br />

Greta Thunberg will für ein Jahr den Unterricht aussetzen, um sich auf den Klimaschutz zu konzentrieren<br />

Greta Thunberg kann beim Klimaschutz jetzt richtig mit anpacken. PICTURE ALLIANCE/ HERBERT PFARRHOFER<br />

Natürlich wirdsie selbst nicht mit<br />

dem Flugzeug verreisen, sondern<br />

nach umweltfreundlicheren Alternativen<br />

Ausschau halten. Für die<br />

Reise in die USA ist das allerdings<br />

nicht ganz einfach, da beispielsweise<br />

Schiffe auch für einen relativ hohen<br />

CO₂-Ausstoß verantwortlich sind.<br />

Dennoch: Immer mehr Menschen<br />

verzichten auf das Reisen<br />

mit dem Flugzeug, es ist die Rede<br />

vom sogenannten Greta-Effekt. Der<br />

Trend wirdinternational immer beliebter,<br />

die Menschen machen sich<br />

bewusst, wie viele Emissionen sie<br />

verursachen, und versuchen, diese<br />

zu reduzieren. Auch einige große<br />

Unternehmen verbieten ihren Mitarbeitern<br />

mittlerweile das Reisen<br />

in der Luft. So werden beispielsweise<br />

Dienstreisen nicht mehr mit<br />

Flugzeugen getätigt, sondern mit<br />

anderen, klimaschonenden Transportmitteln.<br />

Laut Thunberg ist 2020 das entscheidende<br />

Jahr.„Im Jahr 2020 müssen<br />

wir die Emissionskurve steil<br />

nach unten gewendet haben, wenn<br />

wir eine Chance haben wollen, unter<br />

1,5 bis 2Grad Erderwärmung zu<br />

bleiben“, sagte die 16-Jährige beim<br />

Weltwirtschaftsforum in Davos. Daher<br />

sei es ihr auch so wichtig, sich<br />

auch im kommenden Jahr weiterhin<br />

auf den Klimaschutz zu fokussieren.<br />

„Man muss die<br />

Fahne handeln<br />

können“<br />

Lena und Marvin über ihr<br />

außergewöhnliches Hobby<br />

Von Lena und Marvin, 16 Jahre<br />

Eine Fahne schwingen kann doch<br />

jeder. –Diese Aussage bekommen<br />

wir oft zu hören, wenn wir von<br />

unserem Hobby erzählen. Seit fast<br />

drei Jahren sind wir schon Mitglieder<br />

beim <strong>Berliner</strong>Fahnenschwinger<br />

e. V. Darauf aufmerksam geworden<br />

sind wir bei unserem alljährlichen<br />

„Schollenfest“ und wollten es dann<br />

auch mal unbedingt ausprobieren.<br />

Unser Training findet einmal die<br />

Woche in einer Turnhalle statt und<br />

dauert circa zwei Stunden. Mitmachen<br />

kann bei uns jeder ab einem<br />

Alter von etwa 13 Jahren, da man<br />

kräftig genug sein muss,umdie Fahne<br />

handeln zu können.<br />

Gut für die Muckis: Fahnenschwinger brauchen<br />

keine Hantelbank. BERLINER FAHNENSCHWINGER<br />

Vorallem jetzt in der Sommerzeit<br />

haben wir viele Auftritte in verschiedenen<br />

Städten. So waren wir bereits<br />

beim Lübecker Volksfestumzug, bei<br />

dem Schützenausmarsch in Hannoverund<br />

dem Bremer Freimarktsumzug<br />

dabei. Das Schönste daran ist<br />

füruns,gemeinsam in einer Gruppe<br />

zu sein und zusammen verschiedene<br />

Choreografien auszuüben.<br />

Unsere Freunde fanden es zunächst<br />

ziemlich ungewöhnlich. Das<br />

liegt wohl daran, dass viele überhaupt<br />

nicht wissen, wie schwer es<br />

ist, solch eine Fahne überhaupt zu<br />

schwingen. Diekann nämlich einige<br />

Kilo auf die Waage bringen. Vorallem<br />

bei Wind ist esdann besonders<br />

schwer. Außerdem ist dieses Hobby<br />

vor allem in Großstädten doch eher<br />

seltenund etwas Besonderes.<br />

Protokoll: Annalena Schwobe,<br />

20 Jahre<br />

Leseprobe<br />

TomLimes –„Voll verkackt ist halb<br />

gewonnen“<br />

Julian, Liza, Tariq und Max sind<br />

Rekordhalter im Sitzenbleiben und<br />

haben schon viele Lehrer in den<br />

Wahnsinn getrieben. In einem gemeinsamen<br />

Projekt wollen sie nun<br />

zeigen, warum sie von Anfang an<br />

keine Chance in der Schule hatten.<br />

Wasdabei rauskommt, ist ein ernstes,wütendes,aber<br />

auch leicht hoffnungslos<br />

wirkendes Video. Doch<br />

dabei finden sie heraus, dass auch<br />

sie noch Träume haben, für die es<br />

sich vielleicht auch lohnt zu kämpfen.<br />

Annalena Schwobe, 20 Jahre<br />

Fazit Ein lustiger Roman über ein Thema,<br />

das zum Nachdenken anregt.<br />

Mit freundlicher Unterstützung von:<br />

Das Projekt „Spreewild“<br />

im Internet unter:<br />

Die Beiträge dieser Seite werden von<br />

Jugendlichen geschrieben.<br />

KONTAKT<br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />

Jugendredaktion<br />

Telefon: 030/695 66 50<br />

blz-jugendredaktion@berliner-zeitung.de<br />

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