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Berliner Kurier 30.10.2019

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SERIE<br />

Immer mehr<br />

Rentner<br />

zieht es in<br />

den Süden<br />

So viele Deutsche wie nie<br />

zuvor verbringen ihren<br />

Lebensabend im Ausland.<br />

Immer beliebter sind Länder<br />

im Süden Europas. Die vergleichsweise<br />

günstigen Staaten<br />

Südosteuropas entwickeln<br />

für deutsche Rentner zunehmend<br />

Charme. In Ländern wie<br />

Ungarn, Rumänien, Kroatien,<br />

Bulgarien und Griechenland<br />

leben nach Angaben der Deutschen<br />

Rentenversicherung inzwischen<br />

deutlich mehr als<br />

10 000 Rentner. Das sind etwa<br />

doppelt so viele wie vor zehn<br />

Jahren.<br />

Generell haben noch nie so<br />

viele deutsche Rentner ihren<br />

Lebensabend im Ausland verbracht.<br />

Die Rentenversicherung<br />

hat zuletzt rund 240 000<br />

Renten an Deutsche mit ausländischem<br />

Wohnsitz überwiesen.<br />

„Dies ist ein neuer Rekord“,<br />

sagt Dirk Manthey von<br />

der Rentenversicherung Bund<br />

in Berlin.<br />

In Bulgarien sind nach Angaben<br />

des Statistischen Bundesamtes<br />

die Lebenshaltungskosten<br />

europaweit am günstigsten.<br />

Hier müssen Verbraucher<br />

für die üblichen Produkte und<br />

Dienstleistungen nur rund<br />

halb so viel zahlen wie im<br />

Schnitt aller EU-Mitgliedstaaten.<br />

So kostet ein Kilogramm<br />

Äpfel umgerechnet 0,60 Euro.<br />

Beim Friseur reichen umgerechnet<br />

15 Euro für einen Damenhaarschnitt<br />

samt Föhnen.<br />

Importwaren wie Pasta, Käse,<br />

Bekleidung oder Schuhe sind<br />

allerdings oft viel teurer als in<br />

Deutschland. Laut Eurostat<br />

kosten Lebensmittel auch in<br />

Rumänien und Ungarn teils<br />

deutlich weniger als hierzulande<br />

oder gar in Hochpreisländern<br />

wie Dänemark und<br />

Österreich. In Griechenland<br />

wiederum sind Lebensmittel<br />

laut Statistik in etwa so teuer<br />

wie in Deutschlnd.<br />

lan<br />

Einsam,<br />

zweisam,<br />

gemeinsam<br />

Wieman Wohnen im Alter organisieren<br />

kann. Welche Alternativen es gibt<br />

Von<br />

MECHTHILD HENNEKE<br />

Einsam und alleine zu<br />

Hause? Die Familie<br />

wohnt weit weg, die<br />

Freunde sind nicht mehr da.<br />

Viele graut es im Alter vor dem<br />

Leben alleine, ohne Hilfe. Doch<br />

es gibt Alternativen.<br />

Hausder Generationen<br />

Wer wünscht sich das nicht?<br />

Unabhängig wohnen und die<br />

Kinder ganz in der Nähe haben.<br />

Mitten in der Stadt leben und<br />

doch genau so, wie man es sich<br />

selbst vorstellt. Walter Bühler<br />

hat sich diesen Traum erfüllt.<br />

In seinem Haus in der Kirchstraße<br />

22 in Moabit ist alles so,<br />

wie er es sich vorstellt. Genau<br />

genommen, wie seine Miteigentümer<br />

und er es wollten,<br />

insgesamt zwölf Personen, die<br />

aus einer Adresse ein Zuhause<br />

gemacht haben.<br />

Das begann 1984. Damals<br />

kaufte die Gruppe, zu der Bühler<br />

gehört, das Haus. „Wir<br />

kannten uns aus der benachbarten<br />

Friedensinitiative“, berichtet<br />

er. Nach dem Kauf kam die<br />

Sanierung und dann ein halbes<br />

Der perfekte<br />

Ruhestand<br />

Serie Teil 3<br />

Walter Bühler in der Kirchstraße 22.<br />

Leben. 35 Jahre später sitzt der<br />

pensionierte Lehrer in seiner<br />

Wohnung im 5. Stock am Stubentisch.<br />

An den Wänden hängen<br />

Familienfotos, in den Regalen<br />

stehen Schulbücher, Nachschlagewerkeund<br />

Romane.<br />

Die erste Generation der Käufer<br />

ist grau geworden. Die Kinder<br />

sind ausgezogen, doch nach<br />

einigen Jahren kehrten nicht<br />

wenige von ihnen zurück. Die<br />

Tochter der Bühlers lebt mit ihrem<br />

Kind im Haus. Und im Erdgeschoss<br />

gibt es weiter den Kinderladen,<br />

den die Bewohner<br />

vor 35 Jahren gegründet haben.<br />

Aber es gab auch Krankheit und<br />

Tod. Bühler wird still, wenn die<br />

Sprache darauf kommt.<br />

Die Menschen im Haus stehen<br />

ihm nah. Auf Socken geht<br />

er einen Stock tiefer zu seinem<br />

Freund Günter Hiddo<br />

Hidden, (71). Als die Ehefrauen<br />

der beiden Männer und<br />

ein Nachbar aus dem Hinterhaus<br />

vorbeikommen, wird gelacht<br />

und gefrotzelt. „Wenn ich<br />

die Wohnung verlasse, finde<br />

ich immer jemanden, zu dem<br />

ich gehen kann. Das ist das<br />

Wichtigste.“. Weihnachten<br />

wird zusammen gefeiert, Geburtstage<br />

sowieso. „Wenn<br />

Menschen Altersdepressionen<br />

bekommen, entstehen die<br />

meist durch Einsamkeit“, sagt<br />

er. Die Kirchstraße 22 lässt das<br />

nicht zu.<br />

Freiwillig ins Altenheim<br />

Die Sanierung ihrer Wohnung<br />

gab den Ausschlag: Damals,<br />

vor zwei Jahren, entschied<br />

sich Gisela Ballauf (71,<br />

Ein neues Zuhause im Seniorenstift.<br />

Name geändert)<br />

in ein<br />

Seniorenstift zu ziehen.<br />

„Ich habe immer versucht,<br />

selbstbestimmt zu leben.<br />

Jetzt konnte ich den Umzug aus<br />

der Kraft heraus machen, nicht<br />

aus der Schwäche“, sagt sie.<br />

Die ehemalige Bibliothekarin<br />

konnte im vertrauten Kiez bleiben,<br />

wo sie seit 50 Jahren zuhause<br />

ist. Sie wohnt in zwei<br />

Zimmern, auf 53 Quadratmetern,<br />

mit Balkon. Das Wohnmodell<br />

heißt Service-Wohnen und<br />

schließt Dienstleistungen ein:<br />

Mahlzeiten, Waschen von Kleidung,<br />

Wohnungsputz, Hausmeister-Dienste,<br />

kulturelle<br />

Veranstaltungen.<br />

Ballauf lebt selbstbestimmt,<br />

ohne Pflege, mit freundlichen<br />

Nachbarn. Wer ihre Wohnung<br />

betritt, vergisst, dass er sich in<br />

einem Seniorenheim befindet:<br />

Designer-Sessel, die vom Bauhaus<br />

inspiriert sind, weiße Bücherregale,<br />

Kunst an den Wänden.<br />

Die bodenhohen Fenster<br />

machen die Räume groß. „Der<br />

Umzug war für mich eine Mög-

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