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Berliner Kurier 30.10.2019

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*<br />

SPORT<br />

Aller guten<br />

eisernen Dinge<br />

sind drei<br />

Läuft alles nach<br />

Plan, jubeln die<br />

Unioner am<br />

Sonnabend so<br />

schön wie beim<br />

Sieg gegen<br />

Freiburg.<br />

Union-Experte Baingo glaubt an denDerbysieg undgehtdafür auf seinen persönlichenPilgerweg des Erfolgs<br />

J<br />

etzt mal tatsächlich<br />

Butter bei die<br />

Fische! Wer kneifen<br />

will, nee, das<br />

gilt nicht, das war<br />

mal, das ist spätestens<br />

am Sonnabend ab<br />

18.30 Uhr vorbei. Da heißt es,<br />

Farbe zu bekennen. Für jeden<br />

Fußballfan in der Stadt, wirklich<br />

für jeden.<br />

Es ist wie bei einer Schwangerschaft.<br />

Ein bisschen Rot-<br />

Weiß und ein klein wenig das<br />

Andere, das geht nicht, es<br />

muss schon mit Haut und<br />

Haar sein. Deshalb, aber das<br />

wissen mittlerweile alle, die<br />

sich dafür interessieren: Für<br />

mich kann es nur einen Sieger<br />

geben im Derby der Köpenicker<br />

gegen die Charlottenburger,<br />

das ist der Aufsteiger, das<br />

ist der 1. FC Union.<br />

Es gibt genügend Gründe<br />

dafür, glaube ich. Trotzdem<br />

könnte es sein, dass das Phrasenschwein<br />

meint, über den<br />

einen oder anderen nur zu<br />

grunzen, denn seriös vorhersehbar<br />

ist bei diesem Match<br />

voller Emotionen reineweg<br />

nichts.<br />

Also: Derbys haben wie Pokalspiele<br />

ihre eigenen Gesetze.<br />

Warum das so ist? Weil die<br />

Rollen –hier krasser Außenseiter,<br />

da haushoher Favorit –<br />

zumeist klar vergeben sind,<br />

der Außenseiter nichts zu<br />

verlieren hat und er dadurch<br />

locker aufspielen kann.<br />

Lockerer zumindest als der<br />

Gegner. Wie sonst hätte Dänemark<br />

1992 als Nachrücker<br />

der EM, die eigentlich schon<br />

begonnen hatte, den Titel holen<br />

können? Wie sonst hätte<br />

Deutschland<br />

1954<br />

Weltmeister<br />

werden können<br />

gegen die<br />

„Goldene Elf“<br />

der Ungarn, die zuvor in 32<br />

Spielen ungeschlagen geblieben<br />

war? Wie sonst, um vor<br />

der eigenen Haustür zu bleiben,<br />

hätte der 1. FC Union<br />

1968 FDGB-Pokalsieger werden<br />

können gegen ein Team,<br />

das Tage zuvor Meister geworden<br />

und in allen Belangen<br />

überlegen war?<br />

Zugegeben, das sind keine<br />

Derbys. Aber gewonnen<br />

haben, allein das ist wichtig,<br />

diejenigen, die eigentlich gar<br />

keine Chance hatten.<br />

Was wirklich zählt, ist der<br />

zwölfte Mann. Selten war er<br />

für die Eisernen so wichtig<br />

wie in diesem Match. Na gut,<br />

die Blau-Weißen haben ihre<br />

Ost-Kurve. Aber die ist gefühlt<br />

100 Meter weg vom Geschehen.<br />

Warum nur möchten<br />

die Herthaner lieber früher<br />

als später ihre Heimspiele<br />

in einem reinen Fußballstadion<br />

austragen? Klar, weil nach<br />

ihren Berechnungen und den<br />

Erfahrungen aller die Fans<br />

für fünf bis sechs Punkte<br />

mehr pro Saison gut sind. Nur<br />

zu, Unioner, lasst diesen<br />

Mehrwert sprudeln!<br />

Der dritte Grund<br />

steht gewollt genau<br />

an dieser Stelle: Aller<br />

guten eisernen<br />

Dinge sind nämlich<br />

drei. In den Zweitliga-Derbys<br />

hat es in<br />

der Alten Försterei in<br />

beiden bisherigen<br />

Spielen keinen Sieg<br />

der Rot-Weißen gegeben.<br />

Im dritten Versuch<br />

ist die Zeit reif<br />

für den ersten Dreier,<br />

wenigstens die Wahrscheinlichkeit<br />

dafür<br />

wird immer größer.<br />

Zugleich wäre ein Triumph<br />

über den Ortsrivalen<br />

der dritte eiserne<br />

Sieg in der Bundesliga.<br />

Und wenn alles<br />

andere auch noch wie<br />

am Schnürchen läuft<br />

an diesem 10. Spieltag,<br />

könnten die Männer<br />

von Trainer Urs Fischer<br />

in der Tabelle –genau! –<br />

drei Plätze nach oben klettern.<br />

Wer glaubt, all das sei ein<br />

bisschen mau, ich selbst<br />

könnte ein wenig nachhelfen.<br />

Schon am 28. Mai, beim Relegationsrückspiel<br />

gegen den<br />

VfB Stuttgart, hat es geklappt.<br />

An alte Zeiten habe ich mich<br />

erinnert, als ich selbst gespielt<br />

habe für den 1. FC Union,<br />

als „Bulle“ Sigusch, „Potti“<br />

Matthies, „Kulla“ Heine,<br />

„Meter“ Hendel und all die<br />

Die eisernen Fans verschaffen ihren<br />

Lieblingen immer noch Extra-Energie.<br />

anderen meine Mitspieler<br />

waren (na ja, eher war ich ihr<br />

Mitspieler), ich von meiner<br />

damaligen Arbeitsstelle, dem<br />

Fernsehen der DDR in Adlershof,<br />

zum Training musste<br />

und reichlich Zeit hatte: Zu<br />

Fuß bin ich gegangen, die<br />

Dörpfeldstraße nach Spindlersfeld,<br />

rechts über die Lange<br />

Brücke und gleich links am<br />

Ufer durch den Luisenhain,<br />

über die Dammbrücke die<br />

Lindenstraße entlang bis zum<br />

Stadion. Eine knappe Stunde<br />

hat es gedauert und es<br />

hat was gebracht. Wir<br />

sind damals, es war in<br />

der Saison 1975/76, in<br />

die DDR-Oberliga aufgestiegen<br />

und 43 Jahre<br />

später, der Weg<br />

kam mir allerdings<br />

viel beschwerlicher<br />

vor, in die Bundesliga.<br />

Nicht dass Fußballer<br />

am Ende abergläubisch<br />

wären und ich<br />

schon gar nicht. Aber<br />

um ganz sicher – in<br />

doppelter Wortbedeutung<br />

–zugehen: Am<br />

besten werde ich den<br />

Weg, es hat durchaus<br />

was von Pilgern, am<br />

Sonnabend erneut so<br />

nehmen.<br />

Andreas Baingo<br />

Fotos: dpa, Koch

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