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Berliner Zeitung 05.11.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 257 · D ienstag, 5. November 2019 7 *<br />

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Wirtschaft<br />

Wachstum mit künstlicherIntelligenz<br />

Zwei von drei Geschäftsfeldern laufen bei Siemens Healthineers ausgezeichnet.Inder Diagnostiksparte aber hat sich das Management kräftig verrechnet<br />

Von Thomas Magenheim<br />

Der Chef des Siemens-Medizintechnikkonzerns<br />

Healthineers redet nicht<br />

lange um den heißen Brei<br />

herum. „Wir waren zu optimistisch“,<br />

gestehtBerndMontagbeider Bilanzvorlage<br />

des eigenständig an der Börse<br />

notierenden Siemens-Zweitkonzernsein.<br />

Er meint damit das mit großen<br />

Vorschusslorbeeren gestartete<br />

Laborsystem Atellica. Das sollte die<br />

ansehnlichen Gewinnmargen des<br />

hochprofitablen Siemens-Geschäfts<br />

weiter steigern. Stattdessen ist es<br />

zum Hemmschuh geworden. „Atellica<br />

macht Verlust“, räumt Montag ein.<br />

An sich sei das zum Start eines<br />

neuen Produkts dieser Dimension<br />

nicht überraschend, sagt er.Das Ausmaß<br />

der Margenbelastung ist es aber<br />

schon. Von12,9 auf 9,9 Prozent ist die<br />

operativeGewinnmargeimDiagnostikgeschäft<br />

von Healthineers im Geschäftsjahr<br />

2018/2019 (zum 30. September)<br />

gefallen. Das klingt immer<br />

noch nach viel, ist aber weniger als<br />

die Hälfte der Profitabilität im Geschäft<br />

mit bildgebenden Geräten wie<br />

Computertomografen und fortschrittlichen<br />

Therapien, die jeweils<br />

Margen von rund 22Prozent schaffen.<br />

Nachdem Montag schon vor einigen<br />

Monaten die Auslieferziele für<br />

Atellica von 2200 bis 2500 Systemen<br />

kassiertund auf noch 1800 Einheiten<br />

für 2018/2019 gesenkt hatte, verabschiedet<br />

er sich nun auch von den<br />

Bernd Montagist Chef desMedizintechnikkonzerns Siemens Healthineers.<br />

mittelfristigen Erwartungen, die mit<br />

dem Hoffnungsträger verbunden<br />

waren. Nicht vor2024 werdeSiemens<br />

Healthineers im Diagnostikgeschäft<br />

auf eine Marge von etwa 15 Prozent<br />

kommen. Dasist nicht nur zwei Jahre<br />

später, sondern auch weniger als erwartet.<br />

Geplant waren 16 bis 19 Prozent<br />

Marge. Ob ein solches Niveau<br />

überhaupt einmal erreichbar ist, will<br />

Montag derzeit nicht vorhersagen.<br />

„Erst müssen wir die Hausaufgaben<br />

machen“, sagt er. Das heißt: Atellica<br />

zum Laufen bringen. Versprochen<br />

ist, mit dem System die Arbeitszeiten<br />

in Großlaboren um 70 Prozent zu reduzieren<br />

und beispielsweise Blut<br />

binnen acht Minuten analysieren zu<br />

können. Dasist viermal schneller als<br />

bisher möglich. Theorie und Praxis<br />

sind aber verschiedene Dinge. „Wir<br />

waren auf die hochkomplexe Installation<br />

nicht ausreichend vorbereitet“,<br />

sagt Montag. Er hat Atellica nun<br />

zur Chefsache gemacht. Der zuvor<br />

dafür verantwortliche Manager Michael<br />

Reitermann musste jüngst gehen.<br />

Trotz dieser Belastung konnte Siemens<br />

Healthineers nach starkem<br />

FOTO: DANIEL KARMANN/DPA<br />

Schlussquartal die Konzernumsätze<br />

2018/2019 insgesamt um knapp<br />

6Prozent auf 14,5 Milliarden Euro<br />

steigern. Der Gewinn nach Steuern<br />

sprang auch durch einen Sondereffekt<br />

sogar um ein Viertel auf knapp<br />

1,6 Milliarden Euro. Während der<br />

Konzern mit seinen weltweit 52000<br />

Beschäftigten in den beiden Geschäften<br />

mit bildgebenden Großgeräten<br />

und fortschrittlicher Therapie<br />

aber damit als Weltmarktführer in<br />

dem Bereich Marktanteile gewinnen<br />

konnte,geht es bei der Diagnostik in<br />

die andere Richtung. Hier haben die<br />

Erlanger nur 2 Prozent Umsatzwachstum<br />

geschafft, während der<br />

Marktderzeit um gut 5Prozent jährlich<br />

zulegt.<br />

Diese gespaltene Entwicklung<br />

bleibt vorerst erhalten. Für den Gesamtkonzernsagt<br />

Montag im laufenden<br />

Geschäftsjahr 2019/2020 5 bis<br />

6Prozent Umsatzwachstum und 6-<br />

bis 12-prozentiges Gewinnwachstum<br />

voraus. Für das von Atellica belastete<br />

Diagnostikgeschäft wird jedoch<br />

eine weitereleichte Erosion der<br />

Margeerwartet. „Wir werden die Talsohle<br />

aber 2020 durchschreiten“,<br />

kündigte Montag mit Blick auf das<br />

Laborsystem an. Für die Folgejahre<br />

veranschlagt er anhaltend mindestens<br />

5Prozent mehr Konzernumsatz<br />

und ein doppelt so starkes Gewinnwachstum.<br />

TechnologischsetzendieErlanger<br />

auf Digitalisierung und künstliche<br />

Intelligenz(KI).MitderenHilfesollen<br />

die von eigenen Geräten gesammelten<br />

medizinischen Daten analysiert<br />

werden. „Mit 750 Millionen Bildern<br />

haben wir den größten Datenfundus<br />

der Branche“, betont Montag. KI-<br />

Analyse soll den nutzen, um Ärzten<br />

künftig Vorschläge für Diagnose und<br />

Therapie zu machen. Kurzfristig<br />

drängender ist es aber, die Zusagen<br />

zu Atellica endlich einzulösen.<br />

Westwing in der Bredouille<br />

Seit dem Börsenganggeht es für den Möbelhändler bergab<br />

Von Thomas Magenheim<br />

E swareinesderwenigendeutschen<br />

Vorzeige-Start-ups im hierzuLande<br />

nichtgeradeüppig repräsentierten<br />

Onlinehandel. ImOktober 2018 ging<br />

der Münchner Online-Möbelhändler<br />

Westwing für 26 Euro je Aktie an die<br />

Börse. Nun notiert das Papier nur<br />

nochzwischen vier und fünf Euro.Immerhin.Vor<br />

fünf Wochen waren es sogar<br />

weniger als zwei Euro. Mehrmals<br />

mussten Prognosen nach unten korrigiert<br />

werden. Das wirft Fragen auf.<br />

Aber wer mit dem börsennotierten<br />

Unternehmen über seinen rasanten<br />

Niedergangreden will, erhält nur eine<br />

karge Antwort. „Das kommentieren<br />

wir nicht.“<br />

So zugeknöpft waren Westwing<br />

und Firmengründerin Delia Fischer<br />

nichtimmer.Mittlerweileheißtdie35-<br />

Jährige Delia Lachance. Diesen Sommer<br />

hat die Königinder Inneneinrichtung,<br />

wie die als Kreativ-Vorstand<br />

agierende Onlinepionierin bisweilen<br />

tituliert wird, begleitet von großer öffentlicher<br />

Inszenierung den kanadischen<br />

ImmobilienentwicklerMaxime<br />

Lachanceauf Ibiza geheiratet.Das Interesse<br />

an Möbeln und Wohnaccessoires<br />

von Westwing war jedoch zuletzt<br />

sehr überschaubar. Zum Halbjahr<br />

2019 sind die Erlöse leicht auf<br />

unter 120 Millionen Euro geschrumpft.<br />

Im Gesamtjahr 2018 stand<br />

noch ein Umsatzplus um 16 Prozent<br />

auf254MillionenEurozuBuche.Operativ<br />

(vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen)sinddie<br />

Münchner,die<br />

unter dem Strich noch nie schwarze<br />

Zahlen geschrieben haben,zudem im<br />

erstenHalbjahr2019wiederindieVerlustzone<br />

gerutscht.<br />

Die Entwicklung ist alarmierend,<br />

dennder allgemeine Trend im Online-<br />

Möbelhandel geht nach oben. Von<br />

den gut 37 Milliarden Euro,die derzeit<br />

bundesweit jährlich mit Möbeln umgesetztwerden,entfielen2018beisteigender<br />

Tendenz über sechs Milliarden<br />

Euro auf den Onlinekanal. Bis 2023<br />

sagtdieUnternehmensberatungPWC<br />

in einer aktuellen Studie dem Onlineverkauf<br />

von Möbeln inDeutschland<br />

jährlich gut acht Prozent Wachstum<br />

voraus.<br />

Ausgerechnet beim Pionier Westwinggehtesnunaberabwärts.Alsdessen<br />

Manager im Frühherbst nochFragen<br />

beantwortet haben, erklärte Finanzchef<br />

Florian Drabeck das Debakelmit<br />

mangelhaftemMarketing und<br />

falschem Sortiment nebst länderspezifischen<br />

Problemen. Manwerde spätestens<br />

ab dem vierten Quartal 2019<br />

wiederprofitabelwachsen.Branchenkenner<br />

sindsichallerdingsnicht so sicher,<br />

ob eine Trendwende gelingt. Bei<br />

Westwing sei die Glaubwürdigkeit<br />

schwer beschädigt und die Geschäftsentwicklung<br />

nur noch schwer vorherzusagen,<br />

warnt AnalystGraham Renwick.<br />

Patrick Ziechmann,der für PWC<br />

an der Branchenstudie gearbeitet hat,<br />

erklärt die für Westwing gefährlichen<br />

Veränderungen im Markt: Mittlerweile<br />

hätten Branchengrößen wie Ikea<br />

das Internetgeschäftfür sichentdeckt.<br />

AmDonnerstagmussWestwingreden.Andiesem<br />

Tagist die Vorlage der<br />

Zwischenbilanz für das dritte Quartal<br />

fällig. Aktionäre könnten gute Nachrichten<br />

gebrauchen.<br />

Vonhier: klimaneutraleWärme<br />

fürs Quartier.<br />

Das Märkische Viertel ist das größte<br />

zusammenhängende Wohngebiet in<br />

Deutschland, das komplett mit Warmwasser<br />

und Wärme aus regionaler<br />

Biomasse versorgt wird. Zusammen mit<br />

der GESOBAU beliefert Vattenfall hier<br />

rund 13.500 Wohnungen.<br />

Für ein fossilfreies Leben innerhalb einer<br />

Generation.<br />

Mehr auf vattenfall.de/fossilfrei<br />

Delia Lachance hatmit 26 JahrenWestwing gegründet.<br />

FOTO: PETRA SCHÖNBERGER/DPA

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