SPORTaktiv Winterguide 2019
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Fotos: Privat<br />
Bei Tempo 60 schleifen die Schneekristalle<br />
die Haut auf den Wangen<br />
schon an, der Boden fliegt unter<br />
dem Eschenholzgestell dahin, eine Hand<br />
am Seil, eine Hand um die Liebste geschlungen.<br />
Eine Kurve, ein Juchazer, die<br />
Fliehkräfte zerren, das Matterhorn<br />
schaut schweigend zu. Willkommen in<br />
der Welt von Rolf Majcen, dem Alpenrodler.<br />
43 Rodelbahnen hat der gebürtige<br />
Südafrikaner, der in Graz aufgewachsen<br />
ist und jetzt in Niederösterreich lebt,<br />
in den letzten zwei Jahren „erfahren“.<br />
Von ganz kurzen, bis zur 15 Kilometer<br />
langen Strecke vom Faulhorn nach Grindelwald<br />
im Berner Oberland, der längsten<br />
Rodelstrecke der Welt.<br />
Dabei hatte der 53-Jährige bislang<br />
ganz andere Leidenschaften. Im Treppenlaufen<br />
hat er sich einen Namen gemacht,<br />
hat auf der ganzen Welt an Bewerben<br />
teilgenommen. Dazu geht er<br />
Skitouren, bergsteigen, klettern, Rad<br />
fahren und berglaufen. „Alpinismus im<br />
totalen Sinn“, sagt der Sportler. Rodeln,<br />
das war für ihn bis vor zwei Jahren aber<br />
kein Thema, sondern lange her. Als<br />
Zwölfjähriger hat er die Nerven der Eltern<br />
auf die Probe gestellt und ist mit<br />
seinem damals zweijährigen Bruder in<br />
Rauris per Sessellift auf den Berg und<br />
mit der Rodel wieder runter. Sechs Jahre<br />
später das nächste Schockerlebnis. Auf<br />
dem Grazer Hausberg, dem Schöckl,<br />
kann er vor einem gefährlichen Steilstück<br />
auf der Nordabfahrt nicht mehr<br />
rechtzeitig bremsen. Im letzten Moment<br />
rollt er sich von der Rodel, ehe diese in<br />
einen Baum kracht. Dann war einmal<br />
lange Eiszeit zwischen Rolf und Rodel.<br />
Vor fünf Jahren hat er dann seine chinesische<br />
Freundin Jin Lan kennengelernt.<br />
Ihr zuliebe lernt er Mandarin und weil<br />
er die Berge liebt, will er ihr seine Leidenschaft<br />
vermitteln. „Es war Winter<br />
und sie hatte nur noch wenige Tage, bevor<br />
sie wieder zurück nach China musste,<br />
also hab ich mir gedacht, dass wir<br />
rodeln gehen könnten.“ Gesagt, getan.<br />
Mit dem Auto fahren sie durch die Alpenregionen.<br />
Hohe Tauern, Dolomiten,<br />
Grindelwald. Um möglichst viel in kurzer<br />
Zeit zu sehen, wählen sie Rodelstrecken<br />
mit Seilbahnaufstieg. Manchmal<br />
sind es sechs Strecken an einem Tag.<br />
In beiden entbrennt das Feuer für die<br />
Rodlerei. „Du spürst jede Vibration, der<br />
Fahrtwind, die Natur und das alles zusammen<br />
mit einem geliebten Menschen,<br />
für den du die Verantwortung hast. Ein<br />
Traum.“ Rolf Majcen ist aber keiner, der<br />
halbe Sachen macht. Daher hat er nicht<br />
einfach eine Rodel gekauft, sondern sich<br />
eingehend mit der Thematik befasst, alle<br />
sieben Rodelbauer in Österreich kontaktiert,<br />
ehe er bei Franz Leitner in St. Peter<br />
am Kammersberg in der Obersteiermark<br />
fündig geworden ist. „Ich wollte die beste<br />
Zweier-Rodel, die es gibt. Weil zu<br />
zweit hast du am Ende der Bahn das exakt<br />
Gleiche erlebt, die gleichen Gefühle,<br />
den gleichen Spaß.“<br />
<strong>SPORTaktiv</strong><br />
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