SPORTaktiv Winterguide 2019

Als Kind war Martina noch ein „totales
Mädchen“, wie sie erzählt, als Jugendliche
dann schon „ein wenig autonarrisch“,
was sich im Erwerb einer Vespa,
dann im ersten eigenen Auto geäußert
hat. Ein Bekannter hat sie dann
einmal in einer Pistenraupe mitgenommen,
da war es um die künftige Prinzessin
geschehen. Im Skigebiet Carezza Dolomites
im Eggental bekam sie nach entsprechenden
Schulungen ihre Chance.
„Für die Kollegen war es am Anfang sicher
komisch, dass sich eine weibliche
Stimme am Funk meldet“, grinst sie. Sie
hatten aber auch eine nette Überraschung
parat und haben die Außenspiegel
ihres „Husky“ rosarot lackiert. „Da
war es wirklich meines“, lacht Martina,
die ihren 5,5-Tonner nur „Schneekatz‘“
nennt. Ein Kätzchen mit 231 PS übrigens
und je nach Aufsatz mit fünf bis
acht Metern Länge.
Gefährliche Situationen
Südtiroler sind aus besonderem Holz geschnitzt:
In der Früh arbeitete Martina
in einer Bäckerei, tagsüber an der Liftkassa
und ab 17 Uhr im Pistengerät.
„Den Abend habe ich genossen. Ich
ganz allein mit meiner Schneekatz. Das
ist ideal zum Herunterkommen nach einem
langen Tag, wenn man alleine seine
Spuren zieht. Wobei: Ganz allein war
ich nie, in der Nacht sieht man viele
Hasen, Rehe und Füchse.“ Und andere
nachtaktive Gestalten: Skitourengeher.
„Bei mir gab es nie gefährliche Situationen.
Aber bei einem Kollegen sind zwei
Skifahrer, über das Stahlseil gefahren,
mit dem er im Steilhang gesichert war.
Es ist Gott sei Dank nichts passiert, aber
man weiß ja nie, wann das Seil nur am
Boden liegt oder sich plötzlich spannt.
Das kann lebensgefährlich sein.“
Obwohl es naheliegend wäre, ist Martina
keine sehr aktive Skifahrerin, dazu
fehlt oft die Zeit. „Meine größte Freude
war es, den Skifahrern für den nächsten
Tag eine perfekte Piste hinzuzaubern“,
sagt sie. Wie eine perfekte Piste ausschaut?
„Schön kompakt, schön glatt,
ohne Schneehäufchen, Löcher und irgendwelche
Bröckchen. Und mit der
gleichmäßigen Rillenstruktur durch Fräse
und Glättbrett hinten. Das schaut im
fertigen Zustand und im Licht der
Scheinwerfer so wunderschön und perfekt
aus! Wenn ein Skifahrer nachts
noch von einer Hütte runterkommt und
meine perfekte Piste mit seinen Schwüngen
gleich wieder ,zerstört‘, habe ich
mich oft geärgert.“
Schwer zu recherchieren ist die Frage,
wie einzigartig Martina als Schneeprinzessin
ist. Sie gilt als einzige Pistenraupenfahrerin
Italiens, auf jeden Fall Südtirols,
vielleicht die einzige der Alpen?
„Das werde ich auch oft gefragt und ich
muss zugeben, ich weiß es nicht. Ich
kenne jedenfalls keine andere.“ Via
Facebook hat sie Anfragen von Frauen
bekommen, die ihr Fotos aus Pistengeräten
geschickt haben. „Die waren zum
Teil aus Russland und ich weiß nicht,
ob die auch damit arbeiten oder nur
die Bilder gemacht haben.“ Der Südtiroler
Hersteller Prinoth hat jedenfalls
auf Social Media ein paar Bilder von
Lenkerinnen gepostet und ermutigt
Frauen, Fotos einzusenden.
Wie dem auch sei, die Schneeprinzessin
legt in diesem Winter eine Pause
ein, weil sie einen tollen Job in einem
Südtiroler Hotelbetrieb ganz in der
Nähe bekommen hat. „Mal schauen,
wie es mir geht, wenn ich am Abend
auf den Berg schaue und oben die
Lichter der Pistengeräte herumkurven
sehe. Falls die Sehnsucht zu groß wird,
frage ich einfach meinen Ex-Chef, ob
ich oben eine Runde drehen kann.“
Und spätestens dann wird Martina
auch sehen, ob die Spiegel ihrer
Schneekatz noch rosarot sind.
262 SPORTaktiv