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Berliner Zeitung 07.12.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 285 · 7 ./8. Dezember 2019 21<br />

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Schönes Wochenende<br />

STADT, LAND, MENSCH<br />

Mehr<br />

als nur<br />

Töppe<br />

KOCHSTUNDE<br />

Rezept der Woche<br />

Wildschwein<br />

Björn Schremmer<br />

ist Keramiker und zeigt in<br />

Hedwig Bollhagens<br />

Manufaktur im<br />

Brandenburgischen,<br />

wie aus Tonzeitlos schöne<br />

Design-Objekte entstehen<br />

VonSusanne Dübber<br />

Über ihre Werke sagte die<br />

Keramikerin Hedwig<br />

Bollhagen (1907–2001)<br />

einst pragmatisch: „Das<br />

sind doch bloß Töppe.“ Eine Untertreibung<br />

war das natürlich. Ihre Entwürfe<br />

sind Design-Objekte von zeitloser<br />

Schönheit. Wie Tassen, Teller,<br />

Vasen aus dem Allerweltsmaterial<br />

Ton entstehen, kann man in den<br />

Werkstätten im brandenburgischen<br />

Oberkrämer/Marwitz – nicht weit<br />

vonBerlin –gut beobachten.<br />

In leuchtendem Blau-Weiß strahlen<br />

imVerkaufsraum Tassen mit dem<br />

Dekor 137, an Kannen rinnen kleine<br />

rote Punkte zum Regentropfen-<br />

Muster herunter,auf den Tellerndes<br />

Kinder-Service präsentieren fröhliche<br />

Dackel ihrelangen Bäuche.Und<br />

schau an, daneben signalisiert ein<br />

kleiner Mann mit mächtigem Rauschebart:<br />

Weihnachten ist nah.<br />

Entstanden ist all das Schöne aus<br />

schlammiger beige-grauer Pampe.<br />

Eine Tonne davon reift 14 Tage im<br />

runden Becken mit etwa 1,5 Metern<br />

Durchmesser.Der überdimensionale<br />

Rührquirl fährt leise platschend<br />

durch die Masse, streicht die Mauke<br />

beim Quellen immer wieder glatt, damit<br />

später kein kleinstes Körnchen<br />

den guten Eindruck verdirbt.<br />

Björn Schremmer, 41, führt<br />

durch die Manufaktur, die an Adventssonntagen<br />

geöffnet ist. Er ist<br />

hier im Dorfaufgewachsen. Undhat<br />

Hedwig Bollhagen noch kennengelernt.<br />

„Wir hatten viel Respekt vor<br />

ihr. Zwar schenkte sie uns immer<br />

Bonbons, aber mit ihrer tiefen rauchigen<br />

Stimme, dem auffälligen<br />

Dutt und der Schürze war sie eine<br />

beeindruckende Persönlichkeit.“<br />

Wasdie Keramikerin wollte, musste<br />

gemacht werden. „Sie machte klare<br />

Ansagen.“<br />

Björn Schremmer wollte eigentlich<br />

nicht in ihrer Werkstatt arbeiten.<br />

„Doch als ich als Koch arbeitslos<br />

wurde, hatte ich hier einen zeitlich<br />

Auf der Drehspindel fertigt BjörnSchremmer einen Bollhagen-Teller aus Ton. GERD ENGELSMANN (2)<br />

befristeten Job. Aus dem wurde<br />

schnell ein fester. Denn vom ersten<br />

Taganwusste ich, hier bin ich richtig,<br />

die Töpfe sind mein Leben. Dafür<br />

habe ich dann noch eine zweite Ausbildung<br />

zum Keramiker gemacht.“<br />

Er erläutertimDetail, wie aus Ton<br />

Kunst wird: Erst saugen sich die Tongranulatplättchen<br />

wie Schwämme<br />

voll mit Wasser.Und das,was reingegangen<br />

ist, muss auch wieder raus,<br />

die Filterstrangpresse presst aus dem<br />

Schlamm lederharte Kuchen. Die<br />

wandern dann in die Vakuumkammer<br />

zum Entlüften, dort werden die<br />

Luftblasen entzogen. Danach entstehen<br />

auf Drehspindel oder in Gipsformdie<br />

Unikate.Sie brennen sieben<br />

Stunden bei 1080 Grad, werden anschließend<br />

bemalt und glasiert. Björn<br />

Schremmer prüft dann die Qualität,<br />

er hat das im Gefühl. Er erzählt: „Bei<br />

mir in der Familie haben alle bei HB<br />

gearbeitet, wir aßen nur vondem Geschirr.“<br />

Das war Bollhagens Ziel, die<br />

Vision formulierte sie in ihren Erinne-<br />

Teller (154 Euro), Vorratsdose (229 Euro), Weihnachtsmänner (ab 18 Euro)<br />

rungen: „Es interessierte mich sehr,<br />

Gebrauchsgeschirr zu machen, das<br />

billig in den Handel kommen konnte<br />

und dadurch dem Käufer die Möglichkeit<br />

bot, vonden wirklich sehr geschmacklosen,<br />

verlogenen Geschirren,<br />

die die Porzellan- und Steingutindustrie<br />

auf den Markt brachte, abzurücken.“<br />

Was ihr mithilfe von Bauhaus-<br />

Künstlern auch gelang. So entwarf<br />

Theodor Bogler die klassischen<br />

rechteckigen hohen Vorratsdosen.<br />

Für HB typisch ist Zweckmäßigkeit<br />

gepaartmit weichen runden Formen<br />

ohne Kanten, immer mit fließenden<br />

Übergängen: Vasen, Schalen, Geschirr,<br />

aber auch ein Berlin-Bärchen<br />

(55 Euro)ist dabei. BjörnSchremmer<br />

weiß: „Das hat sie 1987 zur <strong>Berliner</strong><br />

750-Jahrfeier entworfen.“ Wie vielseitig<br />

Hedwig Bollhagens teils auch<br />

preisgekrönten Werke sind, beweist<br />

ihr niedlicher Weihnachtsmann seit<br />

Jahrzehnten. Ob kariert oder gestreift,<br />

mit Punkten, ein- oder mehrfarbig,<br />

er ist immer todschick gestylt<br />

und zeitlos schön.<br />

Hedwig Bollhagen Werkstätten Hedwig-Bollhagen-Str.4,16727<br />

Oberkrämer/Marwitz. An den<br />

Adventssonntagen(8.,15. und 22. 12.)jeweils<br />

von10–18 Uhr geöffnet, ebensoder Verkauf.<br />

Führung: 5Euro, freier Eintritt fürKinder.<br />

Der ewige Aussteigertraum: sich nur vonMutter Natur zu<br />

nähren. Raus aus dem Joch der ökologisch ruinösen Lebensmittelindustrie<br />

und nur auf den Teller bringen, wasWald,<br />

Wiese,See und Bach zu bieten haben. Diebeiden Köche Heiko<br />

Antoniewicz und Ludwig Maurer machen diesen Traum ein<br />

bisschen wahr:Ihr Buch„WilderWald“ (dfv Matthaes,79,90<br />

Euro)feiertden heimischen Forst als Schlaraffenland, legt dabei<br />

größtenWert auf respektvollen Umgang mit den Ressourcen,<br />

egal, ob pflanzlicher oder tierischer Natur,und präsentiertGerichte,die<br />

die globalisierte Convenience-Küche nicht zu bieten<br />

hat. Etwa diesesWildschwein mit Mehlbeerenpüree. (chs.)<br />

Zutaten<br />

Wildschweinbäckchen: 4Wildschweinbäckchen,<br />

500 ml Salzlake (5 Prozent), 2Stück Langer Pfeffer,2Lorbeerblätter,100<br />

ml reduzierteWildschweinjus,2gTomatenserum„Push“.<br />

Mehlbeerenpüree: 300 gBlumenkohl plus 6Blumenkohlblätter,40gButter,20mlGemüsefond,<br />

1Spritzer Zitronensaft,<br />

50 gMehlbeeren.<br />

Wildschweinfond: 1kgWildschweineknochen, 1,5 lWasser,<br />

40 ml Sojasauce,1Lorbeerblatt, 5Pfefferkörner,zerstoßen,<br />

2Knoblauchzehen, angedrückt und starkangeröstet,<br />

3Kümmelsamen.<br />

Zubereitung<br />

Wildschweinbäckchen: DieWildschweinbäckchen 2Stunden<br />

in der Salzlake einlegen. Abtupfen und sanft anbraten. Den<br />

Pfeffer zerstoßen, das Fleisch und die Gewürze vakuumieren<br />

und bei 65 Grad 6Stunden im Wasserbad garen. Danach herausnehmen<br />

und abkühlen lassen. Im Anschluss das kalte<br />

Fleisch mit der Wildschweinjus und dem Tomatenserum vakuumieren<br />

und zu Ende garen. Je nach Größe der Bäckchen<br />

dauertesnoch einmal 4Stunden. Anschließend den Garfond<br />

aufkochen und die Bäckchen darin glasieren.<br />

Mehlbeerenpüree: DenBlumenkohl klein schneiden, Blätter<br />

beiseitelegen. Blumenkohl mit der Butter und dem Gemüsefond<br />

vakuumieren und bei 85 Grad 55 Minuten im Wasserbad<br />

garen. Anschließend fein mixen. MitZitronensaft und Salz abschmecken.<br />

DieMehlbeeren untermixen und fein passieren.<br />

Wildschweinfond: Alle Zutaten vakuumieren und bei 85 Grad<br />

15 Minuten im Wasserbad garen. Herausnehmen und bei 65<br />

Grad ebenfalls imWasserbad nochmals 2bis 3Stunden ziehen<br />

lassen. Anschließend durch ein feines Sieb passieren.<br />

DFV MATTHAES<br />

Schätze aus dem Mosaik-Archiv. An<br />

der Arbeitsweise hat sich nicht so<br />

TIPPS<br />

viel verändert, berichtet RobertLöffler,<br />

aber heute wird nicht mehr per<br />

Hand koloriert. Die Seiten werden<br />

eingescannt und –das ist eines der<br />

wenigen Zugeständnisse an die neue<br />

Zeit – am Computer koloriert. Im<br />

Was: Tagder offenen Tür bei MOSAIK<br />

Wann: Sonnabend, 7. Dezember,10Uhr<br />

bis 16 Uhr<br />

großen Atelier im Obergeschoss Wo: MOSAIK Steinchen für SteinchenVerlag,Lindenallee<br />

können Besucher den Zeichnern<br />

5, 14050 Berlin<br />

über die Schulter schauen. Zudem Anfahrt: Bahnhof Westend (via<br />

führen Mitarbeiter Besuchergruppen<br />

S41/S42/S46), DRK-Kliniken Westend<br />

durch das Verlagsgebäude.<br />

Das aktuelle Abenteuer der Abrafaxe<br />

führt indie alte Hanse. Die historischen<br />

Hintergründe sind wie bei<br />

(via M45), Theodor-Heuss-Platz (via U2)<br />

Programm: Führungen, Signierstunden,<br />

Vorträge, Raritäten im Mosaik-Shop,<br />

Filmvorführung<br />

jedem Abenteuer genau recherchiert.<br />

Miteinem Zeitsprung werden<br />

die Abrafaxe in eine andere Zeit gebeamt.<br />

Dort spazieren sie nicht gemütlich<br />

durch die Gegend. Sie müssen<br />

eine Mission erfüllen. Diesmal<br />

geht es um den Schatz der Likedeeler.<br />

Ist bestimmt wieder bunt und<br />

spannend. Seit 1975 reist das sympathische Trio durch die Welt und die Zeitalter. Ein Zugeständnis ans Digitale: Die Figuren werden am Computer koloriert. MOSAIK VERLAG (2)

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