altlandkreis - das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel, Ausgabe März/April 2020
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einer mobilen Tankstelle und natürlich<br />
dem Hauptarbeitsgerät: Ein<br />
Harvester, der nur mit Sondergenehmigung<br />
und Begleitfahrzeug<br />
zum jeweiligen Arbeitsplatz transportiert<br />
wer<strong>den</strong> darf.<br />
Hochsicherheitskabine<br />
rettete sein Leben<br />
Seinen jüngsten Harvester hat Andreas<br />
Holl im Jahr 2017 gekauft.<br />
Von einem Schotten. Gebraucht.<br />
Für mehr als 300000 Euro. „Der<br />
war verhältnismäßig günstig“,<br />
sagt er über diese Allzweckwaffe<br />
schlichthin in Sachen Holzarbeiten.<br />
Folgende Eckdaten sprechen<br />
<strong>für</strong> sich: 286 PS Leistung, 23 Tonnen<br />
Eigengewicht, achtfache Bereifung<br />
mit aufziehbaren Ketten<br />
samt Spikes, sowie ein Kran mit<br />
elf Metern Reichweite und einem<br />
an der Spitze angebrachten, 1,5<br />
Tonnen schweren Fällkopf. Letzterer<br />
darf ohne Übertreibung als<br />
Wunder der Technik bezeichnet<br />
wer<strong>den</strong>, weil mit ihm in einem<br />
Aufwasch nahezu alle Arbeitsschritte<br />
verrichtet wer<strong>den</strong> können:<br />
Erst <strong>den</strong> zu fällen<strong>den</strong> Baum greifen,<br />
dann absägen, entasten, auf<br />
die gewünschte Länge stückeln<br />
und schließlich am Wegrand oder<br />
gleich direkt auf einen Transporter<br />
aufbeigen. Das Herzstück des<br />
Harvesters ist allerdings nicht der<br />
Fällkopf, sondern die Kabine mit<br />
Joystick, Fußpedalen und zig verschie<strong>den</strong>en<br />
Knöpfen zum Steuern.<br />
Sie ist rundherum verbaut mit gepanzertem<br />
Hochsicherheitsglas.<br />
Außerdem ist <strong>das</strong> Stahlgehäuse<br />
der Kabine so konzipiert, <strong>das</strong>s<br />
Kräfte von bis zu 40 (!) Tonnen<br />
aufgenommen wer<strong>den</strong> können.<br />
„Es kann immer mal passieren,<br />
<strong>das</strong>s ein Baum in die falsche Richtung<br />
kippt“, sagt Andreas Holl, der<br />
dieses unschöne Erlebnis schon<br />
mehrfach miterleben musste.<br />
„Man zuckt zusammen und reißt<br />
blitzartig die Hände vors Gesicht,<br />
obwohl man ganz genau weiß,<br />
<strong>das</strong>s es absolut nichts bringt und<br />
letztlich darauf hoffen muss, <strong>das</strong>s<br />
die Kabine tatsächlich Stand hält.“<br />
Gleiches gilt <strong>für</strong> <strong>den</strong> Fall, <strong>das</strong>s die<br />
messerscharfe Kette der Säge im<br />
Fällkopf reißt. „Auch die hat es<br />
schon an die Scheibe meiner Kabine<br />
geschleudert." Nicht auszumalen,<br />
was bei einer Geschwindigkeit<br />
von 1600 Umdrehungen pro<br />
Minute (!) passieren würde ohne<br />
diesen massiven Schutz.<br />
Umso wertvoller sind Arbeitstage,<br />
an <strong>den</strong>en alles glatt läuft,<br />
Andreas Holl die Vorzüge seines<br />
Arbeitsplatzes – die Harvester-<br />
Kabine – in vollen Zügen genießen<br />
kann. Zum Beispiel die des ergonomischen<br />
Sitzes, der dank zehn<br />
verschie<strong>den</strong>en Einstellungen perfekt<br />
auf seinen Körper angepasst<br />
wer<strong>den</strong> kann „und im Grunde so<br />
gemütlich ist wie ein hochwertiger<br />
Fernsehsessel“. Im Vergleich zum<br />
einfachen, von Hand arbeiten<strong>den</strong><br />
Holzarbeiter braucht Andreas Holl<br />
auch keine Schutzausrüstung. Kapuzenpulli,<br />
bequeme Jeans und<br />
„meistens strumpfsockert“ arbeitet<br />
er am liebsten. Je nach Wetter,<br />
Gelände und Tagesform oft bis<br />
zu zwölf Stun<strong>den</strong> am Tag. Dabei<br />
schafft er 40 bis 50 mittelstarke<br />
Bäume pro Stunde! Insofern ist<br />
diese Art des Holzens in Sachen<br />
Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit<br />
nicht ansatzweise durch<br />
andere Rodungs-Metho<strong>den</strong> zu<br />
toppen. Der Kritik von Naturschützern,<br />
Harvester wür<strong>den</strong> aufgrund<br />
ihres Gewichts <strong>den</strong> Waldbo<strong>den</strong><br />
zerstören und die <strong>für</strong> <strong>den</strong> Klimaschutz<br />
so wichtigen Wälder regelrecht<br />
niederwalzen, widerspricht<br />
Andreas Holl. „Natürlich klingen<br />
23 Tonnen Gewicht des Harvesters<br />
nach absolutem Bo<strong>den</strong>verdichtungs-Wahnsinn.“<br />
Aber: Erstens<br />
sei <strong>das</strong> Gewicht unbedingt notwendig,<br />
um nicht umzukippen –<br />
die großen Gummireifen wer<strong>den</strong><br />
hier<strong>für</strong> sogar zusätzlich mit jeweils<br />
400 (!) Litern Wasser-Magnesium-Gemisch<br />
(Magnesium, damit<br />
<strong>das</strong> Wasser nicht vereist) befüllt.<br />
Doch gerade wegen dieser speziellen<br />
Achtfach-Bereifung „sinkt<br />
der Harvester an weichen Stellen<br />
sogar weniger tief ein, als wenn<br />
ich zu Fuß durch <strong>den</strong> matschigen<br />
Waldbo<strong>den</strong> stapfen würde“. Hinzu<br />
kommt die Trasse, die er mit Astmaterial<br />
baut. Und: Er hat derart<br />
viele, strenge Auflagen zu erfüllen,<br />
um überhaupt <strong>für</strong> Deutschland,<br />
Österreich, Tschechien oder Italien<br />
arbeiten zu dürfen, <strong>das</strong>s er sich<br />
<strong>das</strong> Zerstören von Waldbö<strong>den</strong> gar<br />
nicht erlauben kann. „Ohne sauberes,<br />
bo<strong>den</strong>schonendes Arbeiten<br />
bekommst du keine Aufträge.“ Ein<br />
Analyseprotokoll dokumentiert<br />
Arbeitsleistung und Belastung<br />
der Natur ganz genau. Wer von<br />
<strong>den</strong> maximal zu erreichen<strong>den</strong> 100<br />
Punkten zu stark abweicht und<br />
unter 80 Punkte fällt, „ist raus aus<br />
dem Geschäft“.<br />
Östlich des<br />
Caldonazzosees<br />
Aktuell arbeitet Andreas Holl auf<br />
einer Hochebene im Trentino, östlich<br />
des Caldonazzosees. Heftige<br />
Stürme haben dort ein Bild der<br />
Verwüstung hinterlassen, zig tausende<br />
Tannen und Fichten entwurzelt.<br />
Holl greift die umgekippten<br />
Bäume mit seinem Kran, trennt sie<br />
vom Wurzelstock, entastet sie,<br />
märz / april <strong>2020</strong> | 17