altlandkreis - das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel, Ausgabe März/April 2020

ereits eine weitere, vierte Lage,
um ausreichende Stabilität zu
bekommen. Für die Sitzfläche, erklärt
am gängigen Muster namens
„Wiener Geflecht“, sind noch eine
fünfte und sechste Lage, jeweils
diagonal erforderlich. Dann ist die
Sitzfläche superstabil und trotzdem
bequem für Herren und Frauen
allen Alters und Gewicht. Nicht
zu vergessen ist das Verleimen der
geknoteten Enden im Rahmen
der Sitzfläche, vor allem aber im
Rahmen der Stuhllehne – in die
werden lediglich Sacklöcher gebohrt,
in diese die Ratan-Schalen-
Fäden hineingeschoben und final
verleimt werden. „Aus optischen
Gründen wird in der Stuhllehne
nicht durchgebohrt.“ Sechs Stunden
braucht Susanne Achtzehner
letztlich für Sitzfläche oder Lehne
im Falle eines standardmäßigen
Musters. Bis zu 13 Stunden bei
aufwändigeren Mustern wie beispielsweise
David-Stern-Geflecht,
Halbsonnengeflecht oder Mattengeflecht
mit Rautenmuster.
Wo liegt
Birkland-Hofen?
Die richtige Technik, Fingerspitzengefühl, it ruhige Hände, gutes Sitzfleisch
i und Geduld sind wichtige Eigenschaften beim Flechten von Stühlen.
Ausgleich zum Arbeitsalltag
braucht Susanne Achtzehner nicht.
„Natürlich muss ich nach acht
Stunden aufhören, weil es im oberen
Rücken und Nacken anfängt
zu ziehen, aber ich bin trotzdem
total glücklich und zufrieden, weil
mich mein Beruf vollends erfüllt“,
sagt die 45-Jährige, die mit ihrer
Stuhlflechterei eines der ältesten
und seltensten Handwerke überhaupt
ausübt. „Man glaubt gar
nicht, wie groß dieser Markt ist“,
sagt Susanne Achtzehner. Ihre
Kunden kommen mittlerweile bis
aus Kempten, Augsburg, München
und Garmisch-Partenkirchen. Einerseits,
weil es weit und breit
keine zweite Stuhlflechterin gibt
– schon gar nicht auf derart professioneller
Ebene. Und andererseits,
weil der Trend zurück zu alt
und regional immer mehr Menschen
dazu veranlasst, alte Möbel
wieder aufpeppen zu lassen.
Heißt: Die Kunden von Susanne
Achtzehner wollen keinen neuen,
geflochtenen Stuhl, sondern
bringen ihren alten, historisch
wertvollen zur Reparatur vorbei.
Nach Birkland-Hofen? „Tatsächlich
zögern einige kurz, bis ich ihnen
genau erkläre, wo wir sind, wie
schön allein die Fahrt zu uns rein
landschaftlich ist und dass längere
Anfahrten am besten mit einem
Ausflug verbunden werden sollten.“
Zugegeben: Die Werkstätte
von Susanne Achtzehner liegt
tatsächlich im sprichwörtlichen
Nirvana. Dazu ins Bild passt auch,
dass weder ein Wegweiser am Abzweig
in Birkland noch eine Tafel
an der Hauswand von Susanne
Achtzehner in Birkland-Hofen auf
das Kunsthandwerker-Gewerbe
hinweisen. „Viele meiner Kunden
sagen dann immer: Frau Achtzehner,
sie müssen doch mehr auf
sich aufmerksam machen.“
Korbflechtkurse
bringen Abwechslung
In Wahrheit aber ist sie voll ausgelastet
in ihrer urig-eingerichteten
Werkstätte mit Kachelofen.
Und in Kombination eines guten
Hörbuchs versinkt Susanne Achtzehnter
regelrecht in ihrer Arbeit.
„Oft sind die Bücher so spannend,
dass ich die Zeit vergesse
und mir denke, ach komm, ein
Kapitel geht noch.“ Prompt ist
ein weiterer Stuhl fertig. Falls ihr
das Flechten von Stühlen (www.
die-flechterei.com) doch zum
Halse heraushängt, kommt ein
zweites Standbein gerade recht:
Ganztägige Korbflechtkurse mit
Teilnehmerinnen aus ganz Bayern
sowie zu Teilen aus Österreich, die
Susanne Achtzehner sowohl bei
ihr Zuhause als auch extern gibt.
Der Kontakt zu Menschen, aber
auch das Flechten eines Korbes an
sich bringen hier die notwendige
Abwechslung, „weil es technisch
anders und mit wesentlich mehr
Kraftaufwand gemacht wird“.
Davon allein könnte Susanne
Achtzehner jedoch nicht leben.
Überhaupt sei es in der heutigen
Zeit unmöglich, hauptberuflich als
Korbflechterin sich über Wasser
zu halten. Handgemachte Körbe
aus Asien und Indonesien sind
online zum Spottpreis erhältlich.
Dass Ausbeutung dahintersteckt,
interessiert den Endverbraucher in
den seltensten Fällen. „Mein Kerngeschäft
ist deshalb ganz klar das
Flechten von Stühlen.“ Eines der
ältesten Handwerksberufe in der
Geschichte der Menschheit. js
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