altlandkreis - das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel, Ausgabe März/April 2020
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Die alten Fensterscheiben der<br />
Stube sind aus mundgeblasenem<br />
Glas. Außen können Winterfenster<br />
vorgesetzt wer<strong>den</strong>.<br />
ganzen Haus durchaus ansah,<br />
<strong>das</strong>s schon viele Generationen<br />
hier gewohnt hatten. Der historische<br />
Blockbau war im Laufe der<br />
Jahrhunderte durch Tuffstein nach<br />
Nor<strong>den</strong> erweitert wor<strong>den</strong>. In einer<br />
Rauchküche im Hausgang war auf<br />
offenem Feuer gekocht wor<strong>den</strong>,<br />
wie rauchgeschwärzte Balken belegten.<br />
In ein kleines, außen liegendes<br />
Kellergewölbe führte von<br />
innen eine steile Ziegeltreppe.<br />
Beeindruckt von der Begegnung<br />
fuhr <strong>das</strong> Paar nach München zurück.<br />
Am nächsten Wochenende<br />
zog es die bei<strong>den</strong> wieder nach<br />
Haid. Und schon kam die dritte<br />
Überraschung. „Das Haus könnten<br />
sie haben“, sagte der Brender<br />
Ferdl. Er war dabei, an <strong>den</strong> Ortsrand<br />
auszusiedeln. Hatte dort ein<br />
paar Jahre vorher <strong>das</strong> Ökonomiegebäude<br />
erstellt und plante nun,<br />
ein Wohnhaus anzubauen. „Sie<br />
müssen aber ein Jahr warten, bis<br />
<strong>das</strong> neue Haus fertig ist.“ Warten<br />
war kein Problem. Wilhelm Mitschke,<br />
der in ganz Bayern Lehrer<br />
<strong>für</strong> <strong>den</strong> Musikunterricht fortbildete,<br />
war ohnehin viel unterwegs.<br />
Mündlich und per Handschlag<br />
wurde der Hauskauf vereinbart.<br />
Daran hielt sich der Brender Ferdl<br />
auch, als ein anderer Interessent<br />
kurz danach mehr bieten wollte.<br />
Ein einmal gegebenes Wort galt<br />
<strong>für</strong> ihn. Erst Monate später, im Juni<br />
1961, wurde der Hauskauf auch notariell<br />
verbrieft.<br />
Als Bekannte von dem Unterfangen<br />
erfuhren, schüttelten sie <strong>den</strong><br />
Kopf. „Wer zu viel Geld hat und ist<br />
dumm, kauft ein altes Haus und<br />
baut es um!“ kriegte <strong>das</strong> Paar zu<br />
hören. Und auch im Dorf wunderte<br />
man sich über die bei<strong>den</strong> „total<br />
Verrückten“. Später gestan<strong>den</strong><br />
alle ein, was die Mitschkes schon<br />
von Anfang an empfun<strong>den</strong> hatten:<br />
„Das ist ein Haus, in dem man sich<br />
wohlfühlen kann.“<br />
Alte Bausubstanz als<br />
Herausforderung<br />
Mit dem imposanten Blockbau aus Rundhölzern aus dem Jahr 1558 ist<br />
<strong>das</strong> Anwesen „beim Brender“ <strong>das</strong> älteste Haus in Haid.<br />
Bis es aber soweit war, wurde zunächst<br />
einmal die Begeisterung<br />
des Paares <strong>für</strong> <strong>das</strong> charaktervolle<br />
Haus über Jahre auf die Probe gestellt.<br />
Es galt, zum Teil erhebliche<br />
Schä<strong>den</strong> zu reparieren oder über<br />
nötige Veränderungen zu entschei<strong>den</strong>.<br />
Immer mit dem Gedanken,<br />
die Atmosphäre des Hauses und<br />
die historische Bausubstanz soweit<br />
zu erhalten, wie nur möglich.<br />
Fundamente im heute üblichen<br />
Sinne hatte <strong>das</strong> Haus nicht. Zum<br />
Hausbau waren lediglich schmale<br />
Gräben ausgehoben und mit Feldsteinen<br />
gefüllt wor<strong>den</strong>, auf <strong>den</strong>en<br />
die Wände aus Holz oder Tuffstein<br />
aufsetzten. Mal mussten Wände<br />
unterfangen, mal marode und direkt<br />
auf Erde liegende Holzbö<strong>den</strong><br />
ausgetauscht, mal Zwischenwände<br />
entfernt oder repariert wer<strong>den</strong>. In<br />
<strong>den</strong> ehemaligen Stallbereich hinein<br />
wurde die Wohnung erweitert<br />
und eine kleine Küche mit Wamsler-Herd<br />
gebaut. Wie frühere Bewohner<br />
im Haus gelebt hatten, war<br />
hautnah zu spüren. „Im Winter war<br />
es mal so kalt, <strong>das</strong>s die Schneereste<br />
auf einer kleinen Fichte, die uns<br />
ein netter Nachbar als Christbaum<br />
vor die Tür gestellt und die ich ins<br />
Haus geholt hatte, am nächsten<br />
Morgen noch immer vorhan<strong>den</strong><br />
waren“, erinnert sich Brigitte Mitschke.<br />
Schritt <strong>für</strong> Schritt meisterte<br />
<strong>das</strong> Paar damals – gut beraten vom<br />
alten ortsansässigen Zimmermann<br />
Engelbert Baab und zusammen mit<br />
anderen erfahrenen Handwerkern –<br />
alle Herausforderungen.<br />
Dem Dorf ist so ein Kleinod erhalten<br />
geblieben. Für die inzwischen<br />
89-jährige Brigitte Mitschke ein<br />
anheimelnder Lebensraum, <strong>den</strong> sie<br />
nach wie vor genießt. Sie lebt dort<br />
ähnlich beschei<strong>den</strong> wie Generationen<br />
vor ihr. Die Einschränkungen<br />
nimmt sie gern in Kauf. „Im Winter<br />
kann es schon recht kalt wer<strong>den</strong>“,<br />
sagt sie. „Man muss sich halt warm<br />
anziehen.“ Außerdem hat sie <strong>für</strong><br />
die Stube die Winterfenster, die<br />
dann von außen vor die dünnen<br />
Scheiben gesetzt wer<strong>den</strong>. Zwei<br />
Holzöfen, ihre kleine warme Küche.<br />
Vor allem aber ist Brigitte Mitschke<br />
nach wie vor aktiv. Sie versorgt<br />
ihren Haushalt, bewirtschaftet<br />
ihren Krautgarten, pflegt Kontakte,<br />
beschäftigt sich nach wie vor<br />
mit Gesundheitsfragen und ihrem<br />
Spezialgebiet, der Lymphdrainage.<br />
„Auch im Alter gefordert zu sein<br />
und trotz der üblichen Zipperlein<br />
aktiv zu bleiben, hält fit“, verrät<br />
Brigitte Mitschke schmunzelnd ihr<br />
Rezept. Die geliebte historische<br />
Wohnumgebung mit der Atmosphäre<br />
zum Wohlfühlen trägt sicher<br />
auch dazu bei.<br />
kp<br />
märz / april <strong>2020</strong> | 37