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Stahlreport 2020.04

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Wo werden die Autohersteller dann<br />

in Zukunft ihre Werkzeuge beziehen,<br />

wenn es keine ausreichende Kapazität<br />

in Deutschland/Europa mehr gibt?<br />

In China existieren bereits staatlich<br />

subventionierte, vollautomatisierte<br />

Werkzeugfabriken, die in den letzten<br />

Jahren zunehmend mit heftigen Preiskämpfen<br />

die europäischen Werkzeugbauten<br />

in arge Bedrängnis gebracht<br />

haben. Dort entsteht gerade eine<br />

marktmächtige Werkzeugbaubranche,<br />

in deren Abhängigkeit unsere<br />

Kunden gelangen könnten.<br />

Es spricht nichts<br />

gegen Wettbewerb –<br />

wenn er fair ist<br />

Im Grunde spricht nichts gegen Wettbewerb<br />

– und wenn dieser fair ist,<br />

dann stellen wir uns diesem auch<br />

gerne mit unseren hervorragenden<br />

Produkten.<br />

Bezüglich China habe ich da aber<br />

so meine Bedenken ob der Fairness.<br />

Wir fordern ein Level-playing-field!<br />

Gefährlich für den Standort<br />

Deutschland und Europa ist auch,<br />

dass der politische Einfluss der chinesischen<br />

Regierung auf solche teilstaatlichen<br />

Unternehmen nicht zu<br />

unterschätzen sein dürfte. Und ich<br />

kann mir gut vorstellen, dass ausländische<br />

Konkurrenten der chinesischen<br />

Fahrzeughersteller als B-Kunden<br />

hinter der chinesischen<br />

Konkurrenz rangieren. Daher ist zu<br />

befürchten, dass die europäischen<br />

Fahrzeughersteller heftige Wettbewerbsnachteile<br />

auf dem Weltmarkt<br />

in allen Fahrzeugsegmenten – auch<br />

in der Oberklasse! – haben werden.<br />

Das hätte gegebenenfalls Folgen für<br />

andere automobilnahe Arbeitsplätze.<br />

Sind die chinesischen Werk zeug -<br />

(bau)fabriken den deutschen Werkzeugbauten<br />

überlegen und bieten den<br />

Kunden einen Mehrwert?<br />

Bislang sind die Werkzeuge aus ihrer<br />

Fertigung in technischer Hinsicht<br />

noch nicht ganz auf unserem Niveau.<br />

Aber die chinesische Konkurrenz hat<br />

– auch auf Grund ihrer staatlichen<br />

Alimentierung – einen wesentlich<br />

längeren Atem als unsere mittelständischen<br />

Unternehmen und mittlerweile<br />

aufgrund ihres hohen Automa-<br />

tisierungsgrads und der niedrigen<br />

Löhne Kostenvorteile.<br />

Werkzeugbau ist in<br />

China Teil der<br />

staatlichen Strategie<br />

Hierzu muss man wissen, dass Werkzeugbau<br />

in China Teil einer zentralen,<br />

staatlichen Strategie ist, um die eigene<br />

Industrieproduktion und deren Stellung<br />

auf dem Weltmarkt zu fördern.<br />

Und wenn die chinesischen Werkzeugbauten<br />

erst einmal ausreichend<br />

Marktmacht aufgebaut haben, könnten<br />

die Preise nach oben korrigiert<br />

werden. Das haben wir in anderen<br />

Bereichen der Industrie bereits häufig<br />

erlebt, insbesondere dann, wenn<br />

keine Wettbewerber mehr lieferfähig<br />

sind.<br />

Was können die deutschen/europäischen<br />

Werkzeugbauten und ihre Kunden<br />

in der aktuellen Situation tun,<br />

um das schlimmste noch abzuwenden?<br />

Wir müssen noch wettbewerbsfähiger<br />

werden, innovativer werden, stärker<br />

automatisieren – uns hier durchaus<br />

China zum Vorbild nehmen – und<br />

dann auf einem fairen Markt mit unseren<br />

Produkten weltweit die Kunden<br />

überzeugen.<br />

Wir müssen wettbewerbsfähiger<br />

werden, aber<br />

kurzfristig geht es um<br />

Liquidität<br />

Entwicklung des Werkzeugbaus 2019<br />

Die Produktion der Werkzeugbauten ist 2019 im Schnitt um rund 8 %<br />

gesunken. Allerdings dürfe man dem ermittelten Durchschnitt nicht<br />

trauen, denn viele Unternehmen, die überwiegend in die Automobilbranche<br />

liefern, kämpften aktuell ums Überleben, sagte Marco Schülken, Vorsitzender<br />

VDMA Werkzeugbau im Januar.<br />

Weltweit entwickelten sich die Umsätze im Projektgeschäft mit der Automobilindustrie,<br />

dem Maschinenbau und der Luftfahrtindustrie 2019 negativ.<br />

Selbst aus dem Bereich der Medizintechnik meldet die Branche<br />

leichte Absatzrückgänge und die Kunststoffindustrie ist ähnlich wie die<br />

Automobilindustrie in einem Umbruch.<br />

Kurzfristig benötigen wir Liquidität<br />

– bevorzugt durch private Investoren<br />

und Banken – und Instrumente wie<br />

die Kurzarbeit, um Zeiten knapper<br />

Aufträge zu überbrücken. Hier brauchen<br />

wir auch die Unterstützung der<br />

Politik. Nur gemeinsam sind wir stark!<br />

Unterstützung der Politik<br />

ist gefragt<br />

Jeder Unternehmer und Entscheider<br />

muss seine Wahlkreiskandidaten aller<br />

Parteien persönlich darauf aufmerksam<br />

machen, dass wir im Begriff sind,<br />

nicht nur eine Schlüsselindustrie für<br />

unsere Industrieproduktion zu verlieren,<br />

sondern dass dies auch zu<br />

einem Dominoeffekt führen kann, der<br />

viele weitere hochqualifizierte<br />

Arbeitsplätze in der automobilnahen<br />

Industrie gefährdet.<br />

Außerdem haben wir im VDMA<br />

die Initiative Fairness+ gestartet, die<br />

allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette<br />

vom Werkzeug bis<br />

zum Endprodukt als Plattform für<br />

eine partnerschaftliche Zusammenarbeit<br />

offensteht. Deshalb fordere ich<br />

alle Ausrüster, Teileproduzenten und<br />

Kunden auf, unserer Initiative beizutreten<br />

und auf Basis der dort formulierten<br />

Werte und Maßnahmen<br />

gemeinsam ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />

am Weltmarkt auszubauen. Denn<br />

es muss allen Entscheidern von Autoherstellern<br />

und ihren System- sowie<br />

Komponenten-Lieferanten klar sein,<br />

dass sie hier in Europa nur in einer<br />

echten Partnerschaft auf Augenhöhe<br />

überhaupt eine Chance haben,<br />

gemeinsam mit den Werkzeugbauten<br />

zu überleben.“<br />

Das Interview führte Alfred Zedtwitz,<br />

Referent Werkzeug- und Formenbau<br />

sowie Kommunikation, Betriebswirtschaft<br />

und Volkswirtschaft des Fachverbands<br />

Präzisionswerkzeuge im<br />

VDMA, Anfang März.<br />

<strong>Stahlreport</strong> 4|20<br />

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