Stahlreport 2020.04
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wenn der Arbeitgeber aus anderen<br />
Gründen ohnehin zur Entgeltfortzahlung<br />
verpflichtet ist: Etwa aufgrund<br />
von § 616 BGB – Vergütung<br />
bei Verhinderung des Arbeitnehmers<br />
für vorübergehend kurze Zeit<br />
aus persönlichen Gründen. Vereinzelt<br />
haben Gerichte die Anwendung<br />
des § 616 BGB bei Infektionen angenommen,<br />
so u.a. der BGH bei an Salmonellen<br />
erkranktem Metzgergesellen<br />
und das LG Düsseldorf bei<br />
Paratyphusfällen.<br />
Jedenfalls soweit mehrere Arbeitnehmer<br />
von einem Tätigkeitsverbot<br />
erfasst sind, dürfte kein individuelles,<br />
sondern ein objektives Leistungshindernis<br />
vorliegen. In diesem Fall<br />
scheidet eine Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung<br />
nach § 616 BGB aus.<br />
Die Behörde ist dann zur Entschädigungsleistung<br />
nach § 56 IfSG verpflichtet.<br />
In jedem Fall ist es ratsam,<br />
§ 616 BGB vertraglich oder per<br />
Betriebsvereinbarung abzubedingen.<br />
Ein Tätigkeitsverbot kann auch<br />
bei Verdacht auf eine Ansteckung<br />
angeordnet werden. Dann besteht<br />
ebenfalls ein Entschädigungsanspruch<br />
nach § 56 IfSG. Ursache für<br />
die Arbeitsverhinderung ist dann<br />
das Tätigkeitsverbot, nicht die nur<br />
vermutete Krankheit.<br />
Ferner kann infolge einer Quarantäne<br />
(§ 30 IfSG) ein Tätigkeitsverbot<br />
ausgesprochen werden, das<br />
wiederum zu einem Entschädigungsanspruch<br />
gem. § 56 IfSG führt.<br />
Hat der Arbeitnehmer<br />
14 bei einer behördlichen<br />
Betriebsschließung einen Vergütungsanspruch<br />
gegen den<br />
Arbeitgeber?<br />
Die Behörde kann aufgrund einer<br />
akuten Gefahrenlage im Einzelfall<br />
einen Betrieb stilllegen, § 28 Abs.<br />
1, S. 1 u. 2 IfSG. Dies kann der Fall<br />
sein, wenn ein Infektionsrisiko im<br />
gesamten Betrieb oder für eine<br />
Gruppe von Arbeitnehmern besteht.<br />
Der Arbeitgeber kann dagegen einen<br />
Rechtsbehelf einlegen, § 16 Abs. 8<br />
IfSG, wobei die Schließung dadurch<br />
vorerst nicht verhindert werden<br />
kann. Zur Beurteilung, ob in solchen<br />
Fällen weiterhin ein Vergütungsan-<br />
Arbeitgeber-Maßnahmen im nationalen Pandemieplan<br />
Weitere Informationen zu den vom Arbeitgeber zu ergreifenden Maßnahmen<br />
in der Corona-Pandemie finden Sie zum Beispiel im nationalen Pandemieplan<br />
auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts (www.rki.de) oder<br />
direkt unter bit.ly/pandemieplancorona.<br />
spruch des Arbeitnehmers besteht,<br />
dürfte nach der (bereits vom Reichsgericht<br />
entwickelten) sogenannten<br />
Betriebsrisikolehre zu beurteilen<br />
sein. Hiernach trägt der Arbeitgeber<br />
das Risiko infolge behördlicher Maßnahmen<br />
– also der Betriebsschließung<br />
–, wenn dieses Risiko im<br />
Betrieb durch dessen besondere Art<br />
angelegt gewesen war.<br />
Es kommt damit auf die Eigenart<br />
des Betriebes an. Soweit die Schließungsanordnung<br />
aufgrund besonderer<br />
Umstände zum Betriebsrisiko<br />
des Arbeitgebers gehört, ist er zur<br />
Fortzahlung der Vergütung verpflichtet.<br />
Nicht zum Betriebsrisiko gehören<br />
allgemeine Gefahrenlagen wie<br />
Kriege, Unruhen und Terroranschläge.<br />
Vereinzelt werden auch Epidemien<br />
hierzu gezählt. Von der<br />
Rechtsprechung ist dies noch nicht<br />
höchstrichterlich geklärt.Unseres<br />
Erachtens spricht viel dafür, dass es<br />
sich bei einer Schließung aufgrund<br />
einer Epidemie bzw. Pandemie um<br />
eine allgemeine Gefahrenlage handelt,<br />
die alle Betriebe gleichermaßen<br />
betrifft.<br />
Ausnahmen dürften gegebenenfalls<br />
für Betriebe mit einem notwendigerweise<br />
breiten Personenkontakt<br />
auch mit Personen<br />
bestehen, die Infekte haben oder<br />
der Verdacht eines Infektes besteht,<br />
wie bei Krankenhäusern, Arztpraxen<br />
etc. Hier könnte die Eigenart<br />
der Betriebe als Betriebsrisiko des<br />
Arbeitgebers anzusehen sein, so<br />
dass der Arbeitgeber den Vergütungsanspruch<br />
der Arbeitnehmer<br />
weitertragen muss.<br />
In jedem Fall ist zu empfehlen, Entschädigungsansprüche<br />
nach § 56<br />
IfSG zu beantragen, um den Versuch<br />
der Schadensbegrenzung zu unternehmen.<br />
Je nach Entwicklung und<br />
Ausweitung des Virus sind hier vielleicht<br />
auch Maßnahmen der Politik<br />
zu erwarten.<br />
Hat der Arbeitnehmer<br />
15 gegen den Arbeitgeber<br />
einen Vergütungsanspruch,<br />
wenn aufgrund von Corona ein<br />
Auftrags- oder Rohstoffmangel<br />
vorliegt?<br />
Ja. Der Arbeitgeber trägt das sogenannte<br />
Wirtschaftsrisiko. Das sind<br />
Fälle, in denen der Betrieb technisch<br />
weitergeführt werden könnte, wegen<br />
Auftrags- oder Absatzmangel aber<br />
ein Arbeitsausfall eintritt. Ein solcher<br />
Fall liegt zum Beispiel vor, wenn Lieferanten<br />
ihre Vorprodukte nicht<br />
anliefern können und daher die Produktion<br />
ausfällt. Der Arbeitnehmer<br />
behält damit seinen vertraglichen<br />
Vergütungsanspruch, wenn der<br />
Arbeitnehmer seine Leistung anbietet,<br />
§ 615 S.1 BGB.<br />
Können Arbeitgeber aufgrund<br />
von Corona Kurz-<br />
16<br />
arbeitergeld (KUG) beantragen?<br />
Grundsätzlich kommt der Bezug von<br />
KUG in Betracht, wenn in einem<br />
Betrieb ein erheblicher Arbeitsausfall<br />
zu verzeichnen ist. Ein Arbeitsausfall<br />
ist erheblich, wenn er auf<br />
wirtschaftlichen Gründen oder auf<br />
einem unabwendbaren Ereignis<br />
beruht, er vorübergehend und nicht<br />
vermeidbar ist und im jeweiligen<br />
Kalendermonat (Anspruchszeitraum)<br />
mindestens 10 % der in dem<br />
Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer von einem<br />
Entgeltausfall von jeweils mehr als<br />
10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts<br />
betroffen ist (§ 96 SGB III).<br />
Insgesamt wurden die Bezugsvoraussetzungen<br />
durch das „Arbeitvon-Morgen-Gesetz“<br />
vom 13.03.2020<br />
erheblich erleichtert. 2<br />
<strong>Stahlreport</strong> 4|20<br />
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