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Stahlreport 2020.04

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informieren. Die damit verbundene<br />

Verarbeitung personenbezogener<br />

Daten ist aus datenschutzrechtlicher<br />

Sicht unbedenklich, da der Schutz<br />

vor einer weiteren Ausbreitung das<br />

Geheimhaltungsinteresse des Arbeitnehmers<br />

überwiegen dürfte, Art. 6<br />

Abs.1 lit. b), d) und f) / Art. 9 Abs.<br />

1 DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz<br />

(„BDSG“).<br />

Ob und in welchem Umfang<br />

darüber hinaus Maßnahmen zu<br />

ergreifen sind, ist jeweils anhand<br />

der Art des Betriebes, der Anzahl<br />

der Beschäftigten sowie des Verdachtsgrades<br />

einer Infektion zu entscheiden.<br />

Der Verdacht einer Infektion<br />

verdichtet sich etwa bei<br />

Rückkehr von Arbeitnehmern aus<br />

einem Risikogebiet. Als Risikogebiete<br />

sind unter anderem solche<br />

anzuerkennen, für die das Auswärtige<br />

Amt eine Reisewarnung erteilt.<br />

Letztlich gilt: Je größer die Gefahrenlage<br />

ist, desto umfassender sind<br />

die Schutzpflichten des Arbeitgebers<br />

ausgeprägt. Konkrete Hinweise für<br />

vom Arbeitgeber zu ergreifende Maßnahmen<br />

finden sich zum Beispiel<br />

im nationalen Pandemieplan auf der<br />

Webseite des Robert-Koch-Instituts<br />

(www.rki.de) oder der Bundesanstalt<br />

für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />

(www.baua.de). Hat der Arbeitgeber<br />

Kenntnis von der Erkrankung<br />

eines Arbeitnehmers, muss er ihn<br />

umgehend nach Hause schicken.<br />

2<br />

Bestehen aufgrund der allgemeinen<br />

Gefahrenlage<br />

besondere Pflichten für den<br />

Arbeitnehmer?<br />

Auch der Arbeitnehmer hat die<br />

Nebenpflicht, Nachteile gegenüber<br />

seinem Arbeitgeber abzuwenden,<br />

§ 241 Abs. 2 BGB. Unseres Erachtens<br />

sollte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber<br />

zum Beispiel eine Infizierung<br />

offenlegen müssen, auch wenn dies<br />

aus datenschutzrechtlichen Gründen<br />

fraglich und daher rechtlich umstritten<br />

ist.<br />

In jedem Fall kann die fehlende<br />

Aufklärung des Arbeitnehmers über<br />

krankheitsrelevante Informationen<br />

zu erheblichen Haftungsrisiken führen.<br />

Er kann wegen fahrlässiger Verursachung<br />

einer Ansteckung ande-<br />

rer Beschäftigter haften. Dies kann<br />

zum Beispiel zu einer Schadensersatzpflicht<br />

wegen Entgeltfortzahlung<br />

für andere Arbeitnehmer im Krankheitsfall<br />

führen. Denkbar wäre auch,<br />

dass wegen einer Ansteckung bzw.<br />

Ansteckungsgefahr der gesamte<br />

Betrieb des Arbeitgebers stillgelegt<br />

werden muss, was zu immensen<br />

wirtschaftlichen Schäden führen<br />

kann.<br />

Nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen<br />

Schadensausgleiches<br />

zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

kommt es je nach Fahrlässigkeitsgrad<br />

an Verursachungs- und<br />

Verschuldensbeiträgen zu einer Quotelung<br />

oder Alleinhaftung. Wenn der<br />

Arbeitnehmer im Wissen einer<br />

Erkrankung an COVID-19 andere<br />

Beschäftigte im Betrieb ansteckt und<br />

dies billigend in Kauf nimmt, haftet<br />

er seinen Kollegen gegenüber vollumfänglich<br />

aus Delikt. Ein sozialrechtlicher<br />

Haftungsausschluss<br />

greift in diesem Fall nicht, § 105<br />

Abs. 1 S. 1 a.E. Sozialgesetzbuch<br />

(„SGB“) VII.<br />

Zur Verhütung von Haftung und<br />

Schäden ist eine einvernehmliche<br />

Kooperation von Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer dringend zu empfehlen.<br />

3Besteht bei einer Coronaerkrankung<br />

eine behördliche<br />

Meldepflicht?<br />

Eine solche besteht für den Arbeitgeber<br />

oder Arbeitnehmer aufgrund<br />

datenschutzrechtlicher Bestimmungen<br />

(bisher) grundsätzlich nicht. Das<br />

Infektionsschutzgesetz sieht eine<br />

Meldepflicht bei den Gesundheitsämtern<br />

nur für Ärzte vor.<br />

4Darf der Arbeitgeber den<br />

Arbeitnehmer vorsorglich<br />

von der Arbeit freistellen?<br />

Grundsätzlich besteht ein Beschäftigungsanspruch<br />

des Arbeitnehmers,<br />

soweit kein sachlicher Grund für<br />

eine Freistellung durch den Arbeitgeber<br />

vorliegt. Der Beschäftigungsanspruch<br />

des Arbeitnehmers kann<br />

mit den gesundheitlichen Schutzpflichten<br />

des Arbeitgebers korrelieren.<br />

Bei auf Tatsachen gestützten<br />

Verdachtsmomenten für eine Infektion,<br />

etwa bei Auftreten einzelner<br />

Krankheitssymptome oder vorherigem<br />

Aufenthalt des Arbeitnehmers<br />

in einem Risikogebiet, wird regelmäßig<br />

ein sachlicher Grund für eine<br />

Freistellung vorliegen.<br />

5Hat ein Arbeitnehmer<br />

Anspruch auf Vergütung,<br />

wenn der Arbeitgeber ihn<br />

wegen des Virus von der Arbeit<br />

freistellt?<br />

Ja. Bei einer Freistellung durch den<br />

Arbeitgeber behalten Arbeitnehmer<br />

immer ihren Vergütungsanspruch.<br />

6Behält der Arbeitnehmer<br />

seinen Vergütungsanspruch,<br />

wenn er aus Furcht vor<br />

einer Corona-Ansteckung von<br />

sich aus zu Hause bleibt?<br />

Nein. Der Arbeitnehmer verliert den<br />

Vergütungsanspruch. Zudem würde<br />

er unentschuldigt von der Arbeit<br />

fernbleiben, was zu arbeitsrechtlichen<br />

Konsequenzen führen kann.<br />

Es besteht kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht<br />

bei drohenden<br />

Pandemien. Anders verhält<br />

es sich, wenn dem Arbeitnehmer die<br />

Erbringung seiner Leistung unzumutbar<br />

ist, wobei hier ein strenger<br />

Maßstab gilt, § 275 Abs. 3 BGB. Dies<br />

dürfte nur dann anzunehmen sein,<br />

wenn die Verrichtung der Arbeit<br />

zumindest einen ernsthaften objektiv<br />

begründeten Verdacht der erheblichen<br />

Gefährdung für die eigene<br />

Gesundheit darstellt.<br />

7Hat ein Arbeitnehmer<br />

Anspruch auf Vergütung,<br />

wenn er lediglich mittelbar<br />

wegen Corona nicht arbeiten<br />

kann?<br />

Die Schulen und Kitas schließen und<br />

die Eltern müssen die Betreuung<br />

selbst übernehmen. Haben sie trotzdem<br />

weiter einen Vergütungsanspruch?<br />

Jedenfalls liegt kein Fall des<br />

Entschädigungsanspruchs nach dem<br />

Infektionsschutzgesetz („IfSG“) vor.<br />

Ggf. käme ein Anspruch nach § 616<br />

BGB in Betracht (Vergütung bei Verhinderung<br />

des Arbeitnehmers für<br />

<strong>Stahlreport</strong> 4|20<br />

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