11.05.2020 Aufrufe

Stahlreport 2020.04

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

das Produkt grundsätzlich im Baubereich<br />

eingesetzt werden kann,<br />

indem er es nach einer harmonisierten<br />

Norm herstellt, ist hieran aus<br />

Sicht der Behörden die gesamte<br />

Abnehmerkette gebunden. Die<br />

Pflichten aus Art. 13 und 14 BauPVO<br />

träfen die Distribution damit auch<br />

bei Nachweis einer außerhalb des<br />

Bausektors liegenden Verwendung.<br />

Kritik des BDS<br />

und seiner Mitglieder<br />

Diese Position ist nach Ansicht des<br />

BDS und seiner betroffenen Mitglieder<br />

zweifelhaft, wird sie doch weder<br />

vom Wortlaut noch vom Sinn und<br />

Zweck der Verordnung gespiegelt:<br />

Gemäß der Begriffsbestimmung des<br />

Art. 2 Nr. 1 BauPVO ist ein Bauprodukt<br />

„jedes Produkt (…), das (…) hergestellt<br />

und in Verkehr gebracht<br />

wird, um dauerhaft in Bauwerke<br />

oder Teile davon eingebaut zu werden,<br />

und dessen Leistung sich auf<br />

die Leistung des Bauwerks im Hinblick<br />

auf die Grundanforderungen<br />

an Bauwerke auswirkt“.<br />

Bauwerke sind gemäß Art. 2 Nr.<br />

3 BauPVO „sowohl Bauten des Hochals<br />

auch des Tiefbaus“ – von harmonisierten<br />

Normen ist dort nicht die<br />

Rede.<br />

Im Übrigen ist Sinn und Zweck<br />

der Verordnung allein die „Sicherheit<br />

von Bauwerken“ – nicht jeglicher<br />

Stahlbaukonstruktion und erst recht<br />

nicht des Maschinen- und Anlagenbaus<br />

oder des Automotive-Sektors.<br />

Material mit grundsätzlich hybridem<br />

Verwendungszweck (Einsatzfähigkeit<br />

sowohl im Bau- als auch<br />

im Nichtbaubereich), jedoch ausdrücklich<br />

definiertem und nachweislichem<br />

Einsatz im Nicht-Baubereich,<br />

sollte demnach kein Bauprodukt<br />

(mehr) sein. Jedenfalls macht es<br />

dann keinen Sinn, dass die Marktüberwachung<br />

auf der Weiterreichung<br />

der von der BauPVO geforderten<br />

Dokumentation besteht.<br />

Viele BDS-Mitgliedsunternehmen<br />

liefern vor allem – manche<br />

sogar nahezu ausschließlich – an<br />

verarbeitende Abnehmer aus dem<br />

Nicht-Baubereich, darunter vor allem<br />

an Automobilzulieferer, die Luftfahrtindustrie,<br />

Maschinen- und Anla-<br />

genbaubetriebe oder andere Eisen,<br />

Blech und Metall verarbeitende<br />

Unternehmen. Dass auch in diesen<br />

Fällen eine CE-Kennzeichnung mitgeliefert<br />

und eine Leistungserklärung<br />

zur Verfügung gestellt werden<br />

muss, um die Tauglichkeit des<br />

Erzeugnisses als Bauprodukt nachzuweisen,<br />

ist aus Sicht des BDS fragwürdig.<br />

Bürokratieaufbau zu Lasten<br />

des Mittelstands<br />

So erfordert das – bei Belieferung<br />

mit Material aus mehreren Produktionschargen<br />

– standardmäßige Weiterreichen<br />

vieler Seiten Unterlagen<br />

einen erheblichen Mehraufwand bei<br />

der Abwicklung einer Bestellung:<br />

Nach dem Kommissionieren muss<br />

der Vertrieb die zu den betreffenden<br />

Schmelzen gehörenden CE-Kennzeichnungen<br />

und Leistungserklärungen<br />

heraussuchen und mitliefern.<br />

Dass dies auch unabhängig vom<br />

Baubereich erfolgen soll, verträgt<br />

sich erkennbar nicht mit dem auch<br />

in der BauPVO verankerten Selbstanspruch<br />

der Europäischen Kommission,<br />

insbesondere sogenannten<br />

Kleinen und Mittleren Unternehmen<br />

(KMU) möglichst nicht „das Leben<br />

schwer“ zu machen.<br />

Gespräche statt gerichtlicher<br />

Auseinandersetzungen<br />

Seit 2017 hat der BDS gemeinsam<br />

mit dem ebenfalls betroffenen WGM<br />

zahlreiche Gespräche mit den entsprechenden<br />

Stellen geführt, darunter<br />

mehrfach mit Vertreterinnen und<br />

Vertretern des DIBt, des Regierungspräsidums<br />

Tübingen sowie der Generaldirektion<br />

Binnenmarkt der Europäischen<br />

Kommission und des<br />

Bundesministeriums des Innern<br />

(BMI).<br />

Insbesondere die zuständige<br />

Stelle des BMI äußerte großes Verständnis<br />

für die Position des Stahlund<br />

NE-Metallhandels. Die EU-Kommission<br />

erkannte das Problem ebenfalls.<br />

Auch wenn diese sich zwar<br />

nicht in der Lage sah, den deutschen<br />

Marktüberwachungsbehörden zu<br />

empfehlen, deren Position zu überdenken,<br />

konnten wir in Abstimmung<br />

mit ihr eine alternative Lösung erarbeiten,<br />

die zumindest für einige Mitglieder<br />

einen Weg aus dem Dilemma<br />

bieten sollte.<br />

Mögliche Lösung: Zweckbestimmung<br />

als Nicht-Bauprodukt<br />

Der Lösungsvorschlag lehnt sich an<br />

ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs<br />

(EuGH) zur Medizinprodukterichtlinie<br />

vom 22.11.2012 (Az.<br />

C-219/11) an. So fällt nach übereinstimmender<br />

Auffassung der Generaldirektion<br />

Binnenmarkt der EU-<br />

Kommission, des BMI sowie des BDS<br />

ein Stahlerzeugnis mit hybridem Einsatzzweck<br />

durch eine besondere<br />

Zweckbestimmung als Nicht-Bauprodukt<br />

aus dem Anwendungsbereich<br />

der VO (EU) 305/2011 heraus.<br />

Hierzu ist in der Praxis wie folgt<br />

vorzugehen:<br />

z Der Händler bestellt beim Hersteller<br />

wie gewohnt ein Produkt nach<br />

Norm, allerdings verbunden mit<br />

dem (sinngemäßen) Textzusatz<br />

„ausschließlich für Verwendung<br />

im Automotive-Bereich bzw.<br />

Maschinen-/Anlagenbau“.<br />

z Der Hersteller bestätigt diese Spezifikation<br />

wortgleich in seiner Auftragsbestätigung<br />

und<br />

z kennzeichnet das Material im Rahmen<br />

der Produktion bzw. vor Auslieferung<br />

entsprechend auf dem<br />

Lieferschein und auf dem Warenetikett.<br />

Damit dürfte das jeweilige Erzeugnis<br />

nach jeder Betrachtung von vornherein<br />

kein Bauprodukt sein, mit der<br />

Folge, dass dann auch die Pflichten<br />

aus der BauPVO nicht gelten.<br />

Der BDS geht davon aus, dass<br />

das genannte Vorgehen von der<br />

Marktüberwachung nicht zu beanstanden<br />

ist.<br />

Dem Verfasser ist bewusst, dass<br />

der Vorschlag nicht für alle BDS-<br />

Mitglieder praktikabel sein wird –<br />

ist doch häufig zum Zeitpunkt der<br />

Bestellung beim Werk noch nicht<br />

(abschließend) klar, ob und inwieweit<br />

das Material wirklich nicht in<br />

den Bausektor geht. Für diejenigen<br />

Händler, bei denen der Bausektor<br />

allerdings keine oder eine nur stark<br />

untergeordnete Rolle spielt, mag der<br />

Vorschlag ein pragmatischer Ansatz<br />

sein, um Problemen mit der Marktüberwachung<br />

vorzubeugen. 2<br />

<strong>Stahlreport</strong> 4|20<br />

43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!