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GASTRO das Fachmagazin 4/20

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Gastro 20/4.qxp.qxp_Gastro 01.06.20 22:12 Seite 21

Bilder: Matthaes Verlag / Mario Stockhausen

„FRÜHLINGSWIESE”: LACHSFORELLE MIT

GELBER RÜBE, GRÜNEM NUDELTEIG UND

GÄNSEBLÜMCHEN

„SPARGELERNTE“ MIT SOUS-VIDE GEGAR-

TEM KALBS TAFELSPITZ, GRÜNEM SPARGEL,

BROTERDE UND HUFLATTICHSCHAUM

„SÜSSES AUS WALD UND WIESE“: SAUER-

KLEETARTE MIT BAISER, HEUJOGHURT -

SORBET UND KNUSPERWIESE

Wenn die Natur zur Kultur wird

In der europäischen Küchentradition werden

seit Jahrhunderten nicht nur Kräuter, sondern

auch Wurzeln, Rinden, Blätter, Blüten, Früchte

und Samen der Region sowohl als Würz-, als

auch als Heilmittel verwendet. Und auch

wenn die Begriffe „regional und saisonal“

im gastronomischen Kontext geradezu inflationär

verwendet werden und „wilde Genüsse“

sehr gut in die Gastronomie-Konzepte

der viel beschworenen alpinen Küche passen,

kann man diese in ihrer Vielfalt nur selten

in den Küchen entdecken. Zu Unrecht, denn

Zutaten, wie Brennnesseln, Huflattich, Fichtentriebe,

Mädesüß, Waldmeister oder Dost

eröffnen in Speisen und Getränken eine reizvolle

Aromenwelt, wie Vitus Winkler in seinen

Kompositionen beweist. „Wir haben dieses

Wissen fast vergessen“, bedauert Winkler.

„Gott sei Dank gibt es den Verein zur Erhaltung

der Traditionellen Europäischen Heilkunde

in Unken, wo dieses Wissen gelehrt

und weitergegeben wird.“

In der gehobenen Gastronomie Österreichs

beobachtet er allmählich ein Umdenken;

durch Impulse aus der Spitzengastronomie

scheint sich das Blatt allmählich zu wenden:

„Wir arbeiten gemeinsam daran, die alten,

vergessenen Lebensmittel und Rezepte wieder

aufleben zu lassen. Und das Wichtigste dabei

ist: die Tradition und die Natur zur Kultur

zu machen.“

Regionalität ist für den 37-jährigen Koch

kein Modewort, sondern eine Maxime. Bewusst

spricht er immer wieder von „Lebensmitteln“

und nicht von „Produkten“, denn

es veranschauliche viel besser, worum es geht:

um Mittel zum Leben. Und dafür möchte er

nicht nur seine Gäste, sondern auch seine

Mitarbeiter sensibilisieren. „Alles, was man

isst, hat eine Auswirkung auf den gesamten

Körper“, betont Vitus Winkler in diesem Zusammenhang.

Elixiere für eine moderne Küche

Gerade wilde Genüsse gehören für ihn zu

den wichtigsten Lebensmitteln. „Durch gewisse

Wildkräuter können wir heilende Wirkungen

in unserem Körper erzielen. Und um

das geht es doch eigentlich in unserer Ernährung:

Gesund zu werden und gesund zu bleiben.

Die Natur gibt uns schon vor, was wir

brauchen und wollen“, ist Vitus Winkler

überzeugt. „Alleine die Bachkresse im Frühling

und der Bärlauch aus unseren Wäldern

sind nicht nur ein Geschmackserlebnis, sondern

trägt zur Frühlings-Kur bei und tut unserem

Körper verdammt gut.“

Sein aktuelles Kochbuch ist ein wahrer Fundus

für experimentierfreudige und naturverbundene

Köche. „Kräuterreich“ ist wie eine

Bergwanderung in acht Etappen aufgebaut:

Mit jedem Kapitel geht es höher hinaus, werden

neue Gebiete und deren Schätze erkundet.

So startet die Reise in Vitus Winklers Heimatdorf,

wo er „Ei vom Grünleger“, ein confiertes

Eigelb mit essbarer Eierschale, saurer

Sahne und Vogelmiereschaum auftischt. Weiter

geht es zum Feld, wo eine ganze „Spargel -

ernte“ mit Sous-vide gegartem Kalbstafelspitz,

grünem Spargel, Broterde und Huflattichschaum

kredenzt wird. Die Flüsse und Seen

bieten die Grundlage für „Morgentau“, einem

„Ob im Wald oder auf der Alm – wer mit

offenen Augen durch die Region wandert,

stößt hier überall auf Lebensmittel

oder besser: auf Mittel zum Leben.“

Vitus Winkler

gebratenen Saibling mit weißem Spargel,

Fichtentrieben, eingelegtem Rhabarber und

Frauenmantel. Wald und Wiese bringen die

Inspiration zu „Waldrand“, Schlutzkrapfen

mit Brennnesselfüllung, Pilzschaum und

Heufrischkäse. An der Baumgrenze stößt

man auf „Holzfäller“, eine Haselnusstarte

mit Zirben-Panna-Cotta, Waldmeister- und

Preiselbeeren-Variationen. Auf der Alm gibt

es eine Stärkung mit einem Tomahawk-Steak

vom Pongauer Almochsen mit Wacholder-

Wildkräuterbutter und Rosmarin-Focaccia.

Und schließlich erreicht man mit „Bock auf

Schnee“, einem Ossobuco vom Gamsbock

mit Petersilienwurzel, Molkeschaum, eingelegten

Vogelbeeren, Eisenkraut und Käsebruch

den Gipfel der Genüsse. Bei jedem Gericht

steht ein bestimmtes Kraut im Fokus,

das hinsichtlich seiner Herkunft und Wirkung

näher beschrieben wird.

Ausprobieren, ausprobieren

und wieder ausprobieren

Bei Fichtenwipferln und Sauerklee gerät Vitus

Winkler ins Schwärmen: „Das sind die Zitronen

der Alpen. Ich liebe es, diese zwei Waldboten

in meine Gerichte einzubauen. Eingelegt

oder zu Honig verarbeitet, sind sie immer

ein Hochgenuss!“ Da er sich bereits seit vielen

Jahren mit dem Pflanzenreichtum der Natur

und dessen Einsatz in der Küche beschäftigt,

hat er auch wertvolle Ratschläge für angehende

Kräutersammler parat: „Wichtig ist,

morgens oder abends zu sammeln, wenn die

Kräuter nicht in der direkten Sonne stehen.“

Kehrt man nach den Streifzügen durch Wald

und Wiese mit reicher Ernte in die Küche zurück,

sind einige Dinge zu beachten: „Im

Ideal fall sollte man die Kräuter für fünf Minuten

in kaltes Wasser geben und anschließend

säubern. Sie halten am besten, wenn

man sie im Kühlschrank in Boxen aufbewahrt,

deren Boden mit einem befeuchteten

Küchenkrepp bedeckt ist. Wichtig dabei ist,

dass die Kräuter nicht nass sind, sondern vorher

abtropfen konnten. So halten diese mindestens

eine Woche im Kühlschrank.“ Für

eine raffinierte und doch unkomplizierte

Kräuter-Küche empfiehlt Vitus Winkler zum

Abschluss: „Einfach kreativ sein und ausprobieren.

Es ist wichtig, alles auszubalancieren.

Die Kombination aus Fettem mit Säure und

Bitterstoffen oder Süßem mit Kräutersalzen

bringt immer wieder Frische ins Gericht. Man

kann sich auch nur einzelne Komponenten

meiner Gerichte anschauen und daraus dann

ein neues Gericht zu machen. Zum Beispiel

ist das Rezept ‚Maishuhn mit Mais und Zitronenverbene’

eine tolle Kombination, woraus

man ganz schnell und einfach auch einen

Ceasar Salad machen kann.“

Was sonst noch bei der Verarbeitung von

Schätzen aus dem Kräuterreich wichtig ist,

beantwortet Vitus Winkler ausführlich in

dem gleichnamigen Buch.

Matthaes Verlag,

240 Seiten, 51,30

Euro

Mit zahlreichen

Bildern von Mario

Stockhausen

Weitere Infos:

www.matthaes.de

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