vi W. Ostendorp: <strong>Seeuferrenaturierung</strong> – Forschungsbericht
1. Einleitung W. Ostendorp: <strong>Seeuferrenaturierung</strong> – Forschungsbericht Europa ist ein seenreicher Kontinent: Allein Deutschland kommt nach einer vorläufigen Zusammenstellung (HEMM & JÖHNK 2004) auf mehr als 12.000 natürliche und künstliche Stillgewässer (Wasserfläche >0,01 km 2 ), wobei die tatsächliche Zahl zwischen 15.000 und 20.000 liegen dürfte. Diese Gewässer haben eine geschätzte Uferlänge von mehr als 30.000 km (OSTENDORP et al. 2004). In der Schweiz sind 71 natürliche Seen und 96 künstliche Speicherseen mit einer Fläche von mind. 0,1 km 2 registriert, die eine gesamte Uferlänge von etwa 2.070 km aufweisen. Die österreichische Datenbank enthält etwa 810 natürliche und 1.330 künstliche Gewässer mit einer Mindestfläche von 0,01 km 2 , die zusammen eine Uferlänge von rd. 4.980 km einnehmen (OSTENDORP, unpubl.; Daten des BAFU, Bern und des Umweltbundesamt GmbH, Wien). Seeufer stellen damit zwar schmale, aber ausgesprochen lang gestreckte Übergangslebensräume (�Ökotone) dar, die zwischen den rein terrestrischen �Lebensräumen und dem Freiwasserkörper der Seen vermitteln. Sie gelten als lokale Zentren der Biodiversität und als effiziente Pufferzonen, die den Freiwasserkörper vor landseitigen stofflichen Einträgen und Belastungen schützen. Allerdings stehen die Ufer vieler mitteleuropäischer Seen unter einem erheblichen Nutzungsdruck durch hydrologische Manipulation ihres Wasserspiegels bzw. ihres natürlichen Wasserstandsregimes und durch landwirtschaftliche Meliorationen sowie durch strukturelle Inanspruchnahme infolge Siedlung, Verkehr, Freizeit und Tourismus (OSTENDORP et al. 2004). Trotz aller Schutzbemühungen sind heute weite Strecken durch Auffüllungen, Uferbefestigungen, Einbauten oder Ausbaggerungen morphologisch so verändert, dass ihre �Biotope und Biozönosen zumindest im �Epilitoral und im �Eulitoral nicht mehr als naturnah gelten können (OSTENDORP et al. 2008a). Die negativen Folgen und Begleiterscheinungen des Uferverbaus berühren damit die Gewässerschutzziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), da auch das (See-)Ufer ein Teil des Wasserkörpers ist und bei der Analyse des Risikos, den geforderten guten ökologischen Zustand nicht zu erreichen, berücksichtigt werden muss (LAWA 2003, N.N. 2003a). Eine Verbesserung des ökologischen Zustands kann durch �Renaturierung morphologisch beeinträchtigter Uferabschnitte erreicht werden, wobei der Ausgangszustand, die Zielsetzungen und Konzepte, aber auch die wasserbauliche Ausführung, die Einbindung in die Landschaft sowie Nachsorge, Unterhaltung und Folgenutzungen darüber entscheiden, welcher Grad an „Naturnähe“ erreicht werden kann. In diesem Beitrag werden die Möglichkeiten der <strong>Seeuferrenaturierung</strong> vor dem Hintergrund der rechtlichen Voraussetzungen und der praktischen Erfahrungen in Deutschland (DE), Österreich (AT) und der Schweiz (CH) zusammengefasst. Die Vorschläge für eine optimierte Planung und Umsetzung von Renaturierungsmaßnahmen wurden am Bodensee von der <strong>Arbeitsgruppe</strong> <strong>Bodenseeufer</strong> (<strong>AGBU</strong>) entwickelt (OSTENDORP et al. 2008b) und in einem Renaturierungsleitfaden für den Bodensee umgesetzt (IGKB 2009). Hintergrund war die Evaluierung von rd. 90 Renaturierungsmaßnahmen auf einer Gesamtlänge von etwa 34,5 Uferkilometern, die in den Jahren 1975 bis 2007 durchgeführt worden waren. 1