Seeuferrenaturierung - Arbeitsgruppe Bodenseeufer (AGBU)
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W. Ostendorp: <strong>Seeuferrenaturierung</strong> – Forschungsbericht<br />
bettet sind. Natürliche Gewässerufer liefern ein gutes Beispiel dafür, wie gerichtete morphologische<br />
und Vegetationsentwicklungen durch episodische Störungen (Materialumlagerungen, Extremwasserstände<br />
u. a.) unterbrochen werden und dabei in eine langfristige eigendynamische Entwicklung münden.<br />
Das Fachgebiet der Renaturierungsökologie umfasst nicht nur den Teil der Ökologie, der die fachliche<br />
Basis zur Wiederherstellung von Ökosystemen und ihren Leistungen liefert, sondern auch eine Reihe<br />
von planungstheoretischen, rechtlichen und sozioökonomischen Ansätzen, die letztlich notwendig<br />
sind, um das ökologische Fachwissen in gesellschaftliche Entscheidungsprozesse einfließen zu<br />
lassen (vgl. Kap. 4.2 u. 4.3). Die Arbeitsebenen reichen von der Zielfestlegung über die Bestandsaufnahme<br />
und Bewertung, Maßnahmenplanung und -durchführung bis hin zur Ablaufsteuerung und Erfolgskontrolle<br />
(ZERBE et al. 2008, Tab. 1-2). Im Unterschied zur grundlagenorientierten Ökologie, die<br />
kein „gut“ oder „schlecht“ kennt, spielen in der Renaturierungsökologie gesellschaftlich vermittelte<br />
Werthaltungen und Bewertungen, die nach einem reproduzierbaren Verfahren vorgenommen werden,<br />
eine große Rolle. Gewöhnlich ist die Durchsetzbarkeit von Maßnahmen umso leichter, je mehr<br />
sie mit anderen allgemein akzeptierten gesellschaftlichen Zielen konform gehen. An Seeufern sind<br />
dies v. a. der Erosionsschutz, der Hochwasserschutz, der Erholungswert und das �Selbstreinigungsvermögen.<br />
Oft weisen die Zielfunktionen jedoch in unterschiedliche Richtungen und müssen gegeneinander<br />
abgewogen werden 8 .<br />
Die Vorhersage künftiger Ökosystemzustände, basierend auf bestimmten Handlungsoptionen und<br />
Szenarien besitzt in der Renaturierungsökologie einen ähnlich hohen Stellenwert wie bei �Eingriffsregelungen<br />
und Umweltverträglichkeitsprüfungen. Die Richtigkeit der Prognosen muss von Fall zu Fall<br />
evaluiert werden, damit es gelingt, verallgemeinerbare Ansätze und Handlungsanleitungen zu formulieren,<br />
die in verschiedenen Situationen erfolgversprechend angewendet werden können. Hierbei sind<br />
gezielte und methodisch gut strukturierte �Erfolgskontrollen und Evaluierungen von Nutzen (vgl. Kap.<br />
6). Eine gut gesicherte Prognose der künftigen Entwicklung des Seeufers kann beispielsweise hilfreich<br />
sein, um trotz Nutzungseinschränkungen für die Allgemeinheit und private Anlieger eine öffentliche<br />
Akzeptanz der geplanten Maßnahmen zu erreichen.<br />
Stärker noch als andere Teilgebiete der Renaturierungsökologie ist die <strong>Seeuferrenaturierung</strong> interdisziplinär<br />
geprägt durch die notwendige Zusammenarbeit von Ökologen (Vegetationskunde, Tierökologie,<br />
Fischökologie, Limnologie), Ingenieurwissenschaftlern (Erdbau, Wasserbau) und Planern (Landschafts-,<br />
Stadt- und Raumplanung).<br />
4.1.3. Leitbild<br />
Ein wesentliches Element von Renaturierungsvorhaben ist der ausdrückliche Bezug auf ein Leitbild<br />
(Referenzzustand), das nicht nur die Renaturierungsziele abdeckt, sondern auch als Maßstab für die<br />
Evaluierung des Renaturierungserfolgs von Bedeutung ist.<br />
Nach der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist das (abstrakte) Leitbild mit den „Referenzbedingungen“<br />
bzw. dem „sehr guten ökologischen Zustand“ gleichzusetzen, der „einem aktuellen oder früheren<br />
Zustand [entspricht], der durch sehr geringe Belastungen gekennzeichnet ist, ohne die Auswirkungen<br />
bedeutender Industrialisierung, Urbanisierung und Intensivierung der Landwirtschaft und mit<br />
nur sehr geringfügigen Veränderungen der physikalisch-chemischen, hydromorphologischen und bio-<br />
8 Vgl. § 2 Abs. 1 BNatSchG (DE).<br />
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