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urbanLab Magazin 2017 - Die Stadt der Zukunft

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Bewohner und ihren Wunsch nach Unverwechselbarkeit,<br />

Inbesitznahme und menschlichem Maßstab.<br />

Dass trotz solcher städtebaulichen Irrtümer<br />

unsere Städte funktionieren können, liegt an dynamisch-stabilen<br />

Strukturen, also Gebäuden und Freiräumen,<br />

die über Stabilität und gleichzeitig Offenheit<br />

verfügen (Baum 2012) und anpassungsfähige<br />

Orte im städtischen Transformationsprozess sind.<br />

Sie sind Aneignungs- und Handlungsräume für<br />

städtische Zukünfte. Und gleichzeitig zeigen diese<br />

Aneignungsprozesse, dass, mehr als bisher, eine<br />

„Ästhetik des Angenehmen“ (Tessin 2008) bereits<br />

im Denken und Entwerfen von <strong>Stadt</strong> berücksichtig<br />

werden muss.<br />

Durchstreift man Städte auf <strong>der</strong> Suche nach dem<br />

Angenehmen, so bewegen man sich zwischen Architektur,<br />

Infrastruktur und grünen Freiräumen. Es<br />

ist ein Raumgefüge, das <strong>der</strong> Einzelne kaum beeinflussen<br />

kann und das in seiner Funktionalität, Maßstäblichkeit<br />

und Komplexität den vielen Kriterien<br />

des Urbanen gehorcht. Doch, obwohl von und für<br />

Menschen gemacht, ist diese Raumgefüge nicht immer<br />

angenehm, denn es negiert den menschlichen<br />

Maßstab und ist trotz aller Gestaltungsbemühungen<br />

zu laut, zu hoch, zu breit, zu hart.<br />

Integriertes Handeln als praktische Transdisziplinarität<br />

Im Rahmen des inzwischen bewährten Formats des Regionalen<br />

Salons wurde aus unterschiedlichen Perspektiven<br />

erörtert, welche spezifischen Herausfor<strong>der</strong>ungen sich<br />

daraus ergeben, dass die Teilhabe- und Zugangschancen<br />

in den Städten bei den für die strukturelle Integration bedeutsamen<br />

Ressourcen offenbar nicht nur vom sozialen<br />

Status sowie <strong>der</strong> ethnisch-kulturellen Herkunft bestimmt<br />

sind, son<strong>der</strong>n auch von <strong>der</strong> „Wohnadresse“ abhängig sein<br />

können (vgl. El-Mafaalani u.a. 2015).<br />

In Deutschland wurden im Anschluss an Diskurse in den<br />

USA (siehe „urban un<strong>der</strong>class“ bei Wilson 1987; und „spatial<br />

racism“ bei Galster 1999) sowie in Frankreich (Dubet/<br />

Lapeyronnie 1994) spätestens mit dem Programm „Soziale<br />

<strong>Stadt</strong>“ die Folgen zunehmen<strong>der</strong> sozial-räumlicher Spaltungsprozesse<br />

thematisiert und in den Fokus politischer<br />

Interventionen gerückt. Nach <strong>der</strong> punktuellen Erweiterung<br />

<strong>der</strong> ursprünglich stark auf baulich-städtebauliche Erneuerung<br />

ausgerichteten För<strong>der</strong>kulisse um flankierende sozial-integrative<br />

Maßnahmen wurden in den letzten Jahren<br />

vermehrt auch die benachteiligenden Kontextbedingun-<br />

gen in den Quartieren adressiert (Dreier u.a. 2014). Dabei<br />

stellt sich nicht zuletzt die Frage, inwieweit ein integriertes<br />

Handeln (sprich „praktische Interdisziplinarität“; vgl. Mittelstraß<br />

2007) auf <strong>der</strong> Quartiersebene tatsächliche substanzielle<br />

Beiträge zu einem Mehr an Teilhabe- und Chancengerechtigkeit<br />

leisten kann.<br />

Zumindest für die innerstädtischen „Ankunftsstadtteile“<br />

(Saun<strong>der</strong>s 2011) spricht einiges dafür, dass angesichts<br />

eingeschränkter lokaler Perspektiven für Wohn- und<br />

Bildungskarrieren <strong>der</strong> integrative Wirkungserfolg integrierter<br />

För<strong>der</strong>ansätze <strong>der</strong> Sozialen <strong>Stadt</strong> häufig nicht<br />

primär den Programmgebieten selbst, son<strong>der</strong>n über die<br />

(vertikale) soziale und schließlich auch räumliche Mobilität<br />

von Bewohner/innen im Ergebnis eher den privilegierten<br />

<strong>Stadt</strong>teilen zu Gute kommt.<br />

Vor dem Hintergrund anhalten<strong>der</strong> Migrationsprozesse und<br />

<strong>der</strong> in <strong>der</strong> jüngsten Vergangenheit massiv gestiegenen<br />

Zuwan<strong>der</strong>ung Geflüchteter ist die Funktion <strong>der</strong> „Ankunftsstadtteile“<br />

als (transitorische) Integrationsschleusen für<br />

<strong>Stadt</strong> und Region sogar noch stärker in den Vor<strong>der</strong>grund<br />

getreten. In einigen Quartieren ist die Bevölkerung in Bezug<br />

auf die Herkunftslän<strong>der</strong> und –kulturen so heterogen<br />

geworden, dass sich dort längst nicht nur die Mehrheitsverhältnisse<br />

verschoben haben, son<strong>der</strong>n von „Hyper-Diversity“<br />

(Vertovec 2007) gesprochen werden muss. Im Hinblick auf<br />

den lokalen Zusammenhalt wird damit immer mehr die erfolgreiche<br />

Mo<strong>der</strong>ation von Intergruppen-Kontakten und –<br />

Konflikten zu einer drängenden <strong>Zukunft</strong>saufgabe.<br />

Baum, Martina (2012): <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit braucht Wandlungsfähigkeit<br />

und Stabilität, in: Ziehl, Michael, Oßwald Sarah, Hansemann, Oliver,<br />

Schnier, Daniel (Hrsg.) (2012), Secondhandspaces, Berlin 2012<br />

Cisco (<strong>2017</strong>): Pave the way for a Smarter City - Manchester <br />

(abgerufen am 24.07.<strong>2017</strong>)<br />

Dreier, Peter/Mollenkopf, John/Swanston, Todd (2014): Place Matters<br />

– Metropolitics for the twenty-first Century (3. ed.), Lawrence KS/US<br />

Dubet, Francois/ Lapeyronnie, Didier (1994): Im Aus <strong>der</strong> Vorstädte.<br />

Der Zerfall <strong>der</strong> demokratischen Gesellschaft. Stuttgart 1994<br />

El-Mafaalani, Aladin/ Kurtenbach, Sebastian/ Strohmeier, Klaus<br />

Peter (Hrsg.)(2015): Auf die Adresse kommt es an… Segregierte <strong>Stadt</strong>teile<br />

als Problem- und Möglichkeitsräume begreifen. Weinheim 2015<br />

FIRA Barcelona (<strong>2017</strong>):, Smart City Expo World Congress, (abgerufen am 24.07.<strong>2017</strong>)<br />

Galster, George C. (1999): Open Housing, Integration, and the<br />

Reduction of Ghettoization; in: U.S. Department of Housing and Urban<br />

Development (Hrsg.): Cityscape: A Journal of Policy Development and<br />

Research, Volume 4, Number 3, 1999, S. 123 - 138<br />

Mittelstraß, Jürgen (2007): Methodische Transdisziplinarität; in:<br />

LIFIS ONLINE 05.11.07; http://www.leibniz-institut.de/archiv/mittelstrass_05_11_07.pdf<br />

| 15.01.<strong>2017</strong><br />

Ratti, Carlo (2014): Format C:ty, in: The European, Eine <strong>Stadt</strong> zum<br />

Experimentieren, Ausgabe 01/2014 <br />

(abgerufen am 24.07.<strong>2017</strong>)<br />

Saun<strong>der</strong>s, Doug (2011): Arrival City. München 2011<br />

Tessin, Wulf (2008): Ästhetik des Angenehmen. Städtische Freiräume<br />

zwischen professioneller Ästhetik und Laiengeschmack. Heidelberg 2008<br />

Vertovec, Steven (2007: Super-diversity and its implications. In: Ethnic<br />

and Racial Studies No. 30; London 2007, S. 1024 – 1054<br />

Wilson, William J. (1987): The Truly Disadvantaged – The Inner City,<br />

the Un<strong>der</strong>class and the Public Policy, Chicago/London 1987<br />

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<strong>Die</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> - IN STÄNDIGER ERNEUERUNG

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