urbanLab Magazin 2017 - Die Stadt der Zukunft
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Bewohner und ihren Wunsch nach Unverwechselbarkeit,<br />
Inbesitznahme und menschlichem Maßstab.<br />
Dass trotz solcher städtebaulichen Irrtümer<br />
unsere Städte funktionieren können, liegt an dynamisch-stabilen<br />
Strukturen, also Gebäuden und Freiräumen,<br />
die über Stabilität und gleichzeitig Offenheit<br />
verfügen (Baum 2012) und anpassungsfähige<br />
Orte im städtischen Transformationsprozess sind.<br />
Sie sind Aneignungs- und Handlungsräume für<br />
städtische Zukünfte. Und gleichzeitig zeigen diese<br />
Aneignungsprozesse, dass, mehr als bisher, eine<br />
„Ästhetik des Angenehmen“ (Tessin 2008) bereits<br />
im Denken und Entwerfen von <strong>Stadt</strong> berücksichtig<br />
werden muss.<br />
Durchstreift man Städte auf <strong>der</strong> Suche nach dem<br />
Angenehmen, so bewegen man sich zwischen Architektur,<br />
Infrastruktur und grünen Freiräumen. Es<br />
ist ein Raumgefüge, das <strong>der</strong> Einzelne kaum beeinflussen<br />
kann und das in seiner Funktionalität, Maßstäblichkeit<br />
und Komplexität den vielen Kriterien<br />
des Urbanen gehorcht. Doch, obwohl von und für<br />
Menschen gemacht, ist diese Raumgefüge nicht immer<br />
angenehm, denn es negiert den menschlichen<br />
Maßstab und ist trotz aller Gestaltungsbemühungen<br />
zu laut, zu hoch, zu breit, zu hart.<br />
Integriertes Handeln als praktische Transdisziplinarität<br />
Im Rahmen des inzwischen bewährten Formats des Regionalen<br />
Salons wurde aus unterschiedlichen Perspektiven<br />
erörtert, welche spezifischen Herausfor<strong>der</strong>ungen sich<br />
daraus ergeben, dass die Teilhabe- und Zugangschancen<br />
in den Städten bei den für die strukturelle Integration bedeutsamen<br />
Ressourcen offenbar nicht nur vom sozialen<br />
Status sowie <strong>der</strong> ethnisch-kulturellen Herkunft bestimmt<br />
sind, son<strong>der</strong>n auch von <strong>der</strong> „Wohnadresse“ abhängig sein<br />
können (vgl. El-Mafaalani u.a. 2015).<br />
In Deutschland wurden im Anschluss an Diskurse in den<br />
USA (siehe „urban un<strong>der</strong>class“ bei Wilson 1987; und „spatial<br />
racism“ bei Galster 1999) sowie in Frankreich (Dubet/<br />
Lapeyronnie 1994) spätestens mit dem Programm „Soziale<br />
<strong>Stadt</strong>“ die Folgen zunehmen<strong>der</strong> sozial-räumlicher Spaltungsprozesse<br />
thematisiert und in den Fokus politischer<br />
Interventionen gerückt. Nach <strong>der</strong> punktuellen Erweiterung<br />
<strong>der</strong> ursprünglich stark auf baulich-städtebauliche Erneuerung<br />
ausgerichteten För<strong>der</strong>kulisse um flankierende sozial-integrative<br />
Maßnahmen wurden in den letzten Jahren<br />
vermehrt auch die benachteiligenden Kontextbedingun-<br />
gen in den Quartieren adressiert (Dreier u.a. 2014). Dabei<br />
stellt sich nicht zuletzt die Frage, inwieweit ein integriertes<br />
Handeln (sprich „praktische Interdisziplinarität“; vgl. Mittelstraß<br />
2007) auf <strong>der</strong> Quartiersebene tatsächliche substanzielle<br />
Beiträge zu einem Mehr an Teilhabe- und Chancengerechtigkeit<br />
leisten kann.<br />
Zumindest für die innerstädtischen „Ankunftsstadtteile“<br />
(Saun<strong>der</strong>s 2011) spricht einiges dafür, dass angesichts<br />
eingeschränkter lokaler Perspektiven für Wohn- und<br />
Bildungskarrieren <strong>der</strong> integrative Wirkungserfolg integrierter<br />
För<strong>der</strong>ansätze <strong>der</strong> Sozialen <strong>Stadt</strong> häufig nicht<br />
primär den Programmgebieten selbst, son<strong>der</strong>n über die<br />
(vertikale) soziale und schließlich auch räumliche Mobilität<br />
von Bewohner/innen im Ergebnis eher den privilegierten<br />
<strong>Stadt</strong>teilen zu Gute kommt.<br />
Vor dem Hintergrund anhalten<strong>der</strong> Migrationsprozesse und<br />
<strong>der</strong> in <strong>der</strong> jüngsten Vergangenheit massiv gestiegenen<br />
Zuwan<strong>der</strong>ung Geflüchteter ist die Funktion <strong>der</strong> „Ankunftsstadtteile“<br />
als (transitorische) Integrationsschleusen für<br />
<strong>Stadt</strong> und Region sogar noch stärker in den Vor<strong>der</strong>grund<br />
getreten. In einigen Quartieren ist die Bevölkerung in Bezug<br />
auf die Herkunftslän<strong>der</strong> und –kulturen so heterogen<br />
geworden, dass sich dort längst nicht nur die Mehrheitsverhältnisse<br />
verschoben haben, son<strong>der</strong>n von „Hyper-Diversity“<br />
(Vertovec 2007) gesprochen werden muss. Im Hinblick auf<br />
den lokalen Zusammenhalt wird damit immer mehr die erfolgreiche<br />
Mo<strong>der</strong>ation von Intergruppen-Kontakten und –<br />
Konflikten zu einer drängenden <strong>Zukunft</strong>saufgabe.<br />
Baum, Martina (2012): <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit braucht Wandlungsfähigkeit<br />
und Stabilität, in: Ziehl, Michael, Oßwald Sarah, Hansemann, Oliver,<br />
Schnier, Daniel (Hrsg.) (2012), Secondhandspaces, Berlin 2012<br />
Cisco (<strong>2017</strong>): Pave the way for a Smarter City - Manchester <br />
(abgerufen am 24.07.<strong>2017</strong>)<br />
Dreier, Peter/Mollenkopf, John/Swanston, Todd (2014): Place Matters<br />
– Metropolitics for the twenty-first Century (3. ed.), Lawrence KS/US<br />
Dubet, Francois/ Lapeyronnie, Didier (1994): Im Aus <strong>der</strong> Vorstädte.<br />
Der Zerfall <strong>der</strong> demokratischen Gesellschaft. Stuttgart 1994<br />
El-Mafaalani, Aladin/ Kurtenbach, Sebastian/ Strohmeier, Klaus<br />
Peter (Hrsg.)(2015): Auf die Adresse kommt es an… Segregierte <strong>Stadt</strong>teile<br />
als Problem- und Möglichkeitsräume begreifen. Weinheim 2015<br />
FIRA Barcelona (<strong>2017</strong>):, Smart City Expo World Congress, (abgerufen am 24.07.<strong>2017</strong>)<br />
Galster, George C. (1999): Open Housing, Integration, and the<br />
Reduction of Ghettoization; in: U.S. Department of Housing and Urban<br />
Development (Hrsg.): Cityscape: A Journal of Policy Development and<br />
Research, Volume 4, Number 3, 1999, S. 123 - 138<br />
Mittelstraß, Jürgen (2007): Methodische Transdisziplinarität; in:<br />
LIFIS ONLINE 05.11.07; http://www.leibniz-institut.de/archiv/mittelstrass_05_11_07.pdf<br />
| 15.01.<strong>2017</strong><br />
Ratti, Carlo (2014): Format C:ty, in: The European, Eine <strong>Stadt</strong> zum<br />
Experimentieren, Ausgabe 01/2014 <br />
(abgerufen am 24.07.<strong>2017</strong>)<br />
Saun<strong>der</strong>s, Doug (2011): Arrival City. München 2011<br />
Tessin, Wulf (2008): Ästhetik des Angenehmen. Städtische Freiräume<br />
zwischen professioneller Ästhetik und Laiengeschmack. Heidelberg 2008<br />
Vertovec, Steven (2007: Super-diversity and its implications. In: Ethnic<br />
and Racial Studies No. 30; London 2007, S. 1024 – 1054<br />
Wilson, William J. (1987): The Truly Disadvantaged – The Inner City,<br />
the Un<strong>der</strong>class and the Public Policy, Chicago/London 1987<br />
7<br />
<strong>Die</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> - IN STÄNDIGER ERNEUERUNG