urbanLab Magazin 2017 - Die Stadt der Zukunft

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20 Gesunde Stadt - KEYNOTE Abbildung 1: Humanökologisches Modell der Gesundheitsdeterminanten im Siedlungsraum (Barton/Grant 2006, 252, erweitert nach Whitehead/Dahlgren 1991) gebieten visualisiert. Der Mensch mit seinen individuellen Faktoren (z. B. Geschlecht, Alter, Herkunft) befindet sich im Zentrum des Modells. Um ihn herum befinden sich verschiedene Ebenen, welche die sozialen, ökologischen und ökonomischen Systeme, welche auf die menschliche Gesundheit im Siedlungsraum direkt und indirekt einwirken, darstellen. Die bebaute Umwelt als maßgeblicher Gesundheitsfaktor, der über die Stadtentwicklung beeinflusst werden kann, wird hier ebenfalls explizit dargestellt und in Beziehung zu weiteren Determinanten gesetzt (Barton/Grant 2006) (s. Abbildung 1). Barton und Grant gelingt es mit ihrem Modell aber nicht nur, die Vielfalt und Wechselbeziehungen der gesundheitlichen Determinanten im Siedlungsraum darzustellen. Darüber hinaus verdeutlicht das Modell auch, dass die erfolgreiche Entwicklung gesunder Städte ein integratives und interdisziplinäres Zusammenwirken aller Akteure, die sich mit den jeweiligen Faktoren des Modells assoziieren lassen, inklusive der Bevölkerung unabdingbar macht. Governance-Strukturen in der gesunden Stadt von heute Die Wechselwirkungen zwischen städtischer Umwelt und menschlicher Gesundheit sind vielfältig und stellen somit große Herausforderungen sowohl für alle Bereiche der Stadtentwicklung und Architektur als auch für Umweltmedizin, Public Health und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) dar. Die Strukturen der Kooperation und Koordination (Governance-Strukturen) zwischen diesen Akteuren weisen jedoch vielfältige Limitationen auf, die eine integrative und gesundheitsförderliche Stadtentwicklung beeinträchtigen können. Die zahlreichen zivilen, administrativen und politischen Interessenvertreter und Fachdisziplinen der Stadtentwicklung agieren oft in hoch sektoralisierten und hierarchisierten Strukturen, die ein integratives und interdisziplinäres Arbeiten stark einschränken. Zudem erscheinen viele Bereiche der Stadtentwicklung geprägt von personellem sowie finanziellem Ressourcenmangel, aus dem ein stark an Pflichtaufgaben orientiertes Handeln resultiert. Innerhalb der einzelnen Sektoren herrschen zudem verschiedenen Fachsprachen und -qualifikationen sowie unterschiedliche Verständnisse über den Gesundheitsbegriff vor (Baumeister 2017, Böhme/ Preuss/Bunzel et al. 2014, MUNLV 2005). Dadurch entstehen „Operative Inseln“ mit deutlich voneinander abgegrenzten Aufgabenprofilen. Innovative und integrative Themenfelder – wie das einer Gesunden Stadt analog des weiten Gesundheitsverständnisses – lassen sich hier nicht eindeutig verorten und entfallen somit den traditionell gewachsenen Tätigkeits- und Verantwortungsbereichen. Dies führt zu einer unzureichenden Beachtung gesundheitlicher Belange in der Stadtentwicklung sowie zu einer Fokussierung oft als wichtiger erachteter Belange (z. B. Investoreninteressen, Ressourceneinsatz). Entsprechend herrschen innerhalb der Governance-Strukturen in der integrierten gesundheitsförderlichen Stadtentwicklung oft Informationsdefizite vor sowie eine unzureichende Einbindung von Akteuren aus gesundheitlichen Versorgungsbereichen (Baumeister 2017, Böhme/ Preuss/Bunzel et al. 2014, MUNLV 2005). Gesundheit in der Stadt von morgen Die aktuellen umwelt- und gesundheitspolitischen Diskurse ranken sich immer stärker um das Thema Gesundheit in der Stadt. So wurden in den vergangenen Jahren und insbesondere Monaten vermehrt Fördermittel erweitert und neu geschaffen, um die Beachtung gesundheitlicher Aspekte in Projekten zur Stadtentwicklung zu unterstützen. Beispielsweise erfolgte eine Aufstockung städtebaulicher Fördermittel für die Integration von Belangen der Gesundheit, Prävention und Umweltgerechtigkeit in Projekte zur Stadtentwicklung (BMUB 2016) oder die Ausarbeitung des „Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention“ unter anderem im Setting „Kommune“ (PrävG). Diese Fördermittel werden ihre Ziele jedoch verfehlen, wenn die Governance-Strukturen in der Stadtentwicklung nicht in Richtung einer „Good Urban Governance for Health“ reflektiert und angepasst werden. Effektive und nachhaltige Interventionen hinsichtlich einer gesunden Stadt von morgen werden nur mittels neuartiger Kooperationen entstehen können. Dafür gilt es zunächst, die im vorherigen Abschnitt benannten Barrieren aufzubrechen und ressortund disziplinenübergreifende Strategien zu entwickeln, innerhalb derer gesundheitliche Belange in ihrem vollen Umfang positioniert und integriert werden (Baumeister 2017, Böhme/Preuss/Bunzel et al. 2014). Des Weiteren bedarf es einer Abstimmung von Fachsprachen und Qualifikationen sowie einer offenen Moderation abseits traditioneller und formeller an Pflichtaufgaben orientierten Steuerungsparadigmen zwischen allen Beteiligten sowie möglichen neuen Akteuren wie Krankenkassen oder dem ÖGD (Baumeister 2016). Zudem müssen klassische disziplinäre und projektbezogene Ansätze aufgebrochen und zunächst gesamtstädtische Anpassung- und Entwicklungsstrategien reflektiert und hinsichtlich der aktuellen strukturellen, demografischen, klimatischen und gesundheitlichen Herausforderungen in den Städten angepasst und entwickelt werden.
21 Dr. PH Hendrik Baumeister Arbeitsgruppe 7 Umwelt & Gesundheit, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld Als Innenarchitekt, Architekt und Gesundheitswissenschaftler ist Hendrik Baumeister an der Universität Bielefeld seit 2010 mit interund transdisziplinär ausgerichteten Lehr- und Forschungsprojekten an der Schnittstelle zwischen Umweltgestaltung und menschlicher Gesundheit tätig. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen dabei die gesundheitliche Bedeutung städtischen Lebenswelten und urbaner Naturräume für Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung sowie die Berücksichtigung gesundheitlicher Belange in der räumlichen Planung. Mit dem in mehrfacher Hinsicht innovativen Ansatz seines Promotionsvorhabens untersuchte er erfolgreich die Governance-Strukturen in der gesundheitsförderlichen Stadtentwicklung am Beispiel der Entwicklung urbaner Gewässer. Univ.-Prof. Dr. med. Claudia Hornberg Arbeitsgruppe 7 Umwelt & Gesundheit, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld Claudia Hornberg ist seit 2001 Inhaberin der Professur für Umwelt und Gesundheit an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Sie ist Vorsitzende des Sachverständigenrates für Umweltfragen und Mitglied der Kommission Umweltmedizin und Environmental Public Health, die das Robert Koch-Institut (RKI) und das Umweltbundesamt (UBA) durch sachverständige Beratung und eigenständige Empfehlungen auf dem Gebiet des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes unterstützt. Ihre Schwerpunkte sind Public Health, Toxikologie und Umweltgerechtigkeit. Sie arbeitet zu Grundsatzfragen in den vorgenannten Themenfeldern sowie speziellen Themen der umweltmedizinischen Forschung und Praxis, wobei die bevölkerungsbezogene/präventive Umweltmedizin im Vordergrund steht. Gesunde Stadt - KEYNOTE Antonovsky, A. & Franke, A. 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