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urbanLab Magazin 2017 - Die Stadt der Zukunft

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Aufgrund einer höheren Zuwan<strong>der</strong>ung durch<br />

Flucht- und Arbeitsmigration wird <strong>der</strong> Anteil von<br />

Menschen mit Migrationshintergrund in den Städten<br />

und insbeson<strong>der</strong>e in den Gebieten <strong>der</strong> „Sozialen<br />

<strong>Stadt</strong>“ bzw. vergleichbarer städtischer Gebiete<br />

weiter steigen. Das macht verstärkte Anstrengungen<br />

zur spezifischen Ansprache, För<strong>der</strong>ung und<br />

Integration <strong>der</strong> Betroffenen erfor<strong>der</strong>lich. Dabei haben<br />

die Städte und Gemeinden eine doppelte soziale<br />

Integrationsaufgabe zu lösen. Einerseits die<br />

Neubürger zu versorgen und in die kommunalen<br />

Gemeinwesen zu integrieren, ohne dass es zu sozialen<br />

Konflikten kommt und an<strong>der</strong>erseits die soziale<br />

und räumliche Spaltung <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Denn schon heute macht die Zunahme von<br />

Armut und sozialer Ungleichheit den sozialen und<br />

räumlichen Zusammenhalt nicht einfach. Gerade<br />

auch die vielfach schlechten Bildungschancen von<br />

Kin<strong>der</strong>n mit Migrationshintergrund – aber auch vieler<br />

deutschstämmiger Kin<strong>der</strong> aus sozial instabilen<br />

Familien – machen in den Gebieten <strong>der</strong> „Sozialen<br />

<strong>Stadt</strong>“ verstärkte Anstrengungen zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Bildungssituation notwendig. Hier hat <strong>der</strong> Bund<br />

mit seinem neuen Investitionspakt „Soziale Integration<br />

im Quartier“ reagiert, <strong>der</strong> den Neubau und die<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung von sozialer Infrastruktur in den Mittelpunkt<br />

stellt (Schulen, Kitas, Begegnungsstätten<br />

etc.). Doch auch hier zeigt sich ein Schwachpunkt <strong>der</strong><br />

„Sozialen <strong>Stadt</strong>“: es ist primär ein bauliches Investitionsprogramm.<br />

Letztendlich verlangen die sozialen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen eben auch eine deutlich bessere<br />

Personal- und Ressourcenausstattung von Schulen<br />

in diesen Gebieten, aber auch Strategien für eine<br />

bessere „Lastenverteilung“ zwischen den Schulen.<br />

versorgen können und daher benachteiligte Quartiere<br />

verlassen, beschäftigt uns auf den wachsenden<br />

und angespannten Wohnungsmärkten stärker<br />

das Problem <strong>der</strong> sozialen Verdrängung. <strong>Die</strong> zum<br />

Teil dramatische Verteuerung von Wohnraum in den<br />

Innenstädten führt dazu, dass einkommensschwächere<br />

Bevölkerungsgruppen an den (<strong>Stadt</strong>-)Rand<br />

gedrängt werden. Hier bedarf es kommunaler wohnungspolitischer<br />

Konzepte und Investitionen, die mit<br />

<strong>der</strong> Schaffung von bezahlbarem Wohnraum gerade<br />

auch in soziökonomisch besser gestellten Quartieren<br />

für eine ausgewogene räumliche Entwicklung in<br />

den Städten sorgen.<br />

Das setzt aber die vollumfängliche finanzielle Handlungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Kommunen voraus, was gegenwärtig<br />

nicht <strong>der</strong> Fall ist. Dazu brauchen wir eine<br />

breite gesellschaftliche Debatte über die Ursachen<br />

und Auswirkungen <strong>der</strong> sozialen Ungleichheit in unseren<br />

Städten. Dazu gehört, dass ein solch richtiger<br />

sozialraumbezogener Ansatz wie die „Soziale <strong>Stadt</strong>“<br />

durch eine Politik flankiert werden muss, die Armut<br />

und soziale Ungleichheit als gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe auf allen staatlichen Ebenen begreift<br />

und zurückführt.<br />

43<br />

Soziale <strong>Stadt</strong> - KEYNOTE<br />

Außerdem zeigt sich, dass die Probleme vieler benachteiligter<br />

Quartiere und <strong>Stadt</strong>teile nicht in begrenzten<br />

Zeiträumen gelöst werden können, dazu<br />

sind die strukturellen Problemlagen häufig zu<br />

persistent. Quartiersentwicklung bleibt insofern<br />

eine kommunale Daueraufgabe. Der stadtteilbezogene<br />

Lösungsansatz ist dabei zwar richtig, aber<br />

nicht ausreichend. Soziale <strong>Stadt</strong>entwicklung sollte<br />

daher stärker als gesamtstädtische Aufgabe definiert<br />

werden und <strong>der</strong> sozialraumbezogene Ansatz<br />

sollte auch in an<strong>der</strong>en kommunalen Politikfel<strong>der</strong>n<br />

verankert und eingebettet sein. Neben Prozessen<br />

<strong>der</strong> sozialen Ungleichheitsentwicklung in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

sind es vor allem die Entwicklungen auf<br />

den Wohnungsmärkten, die soziale Entmischungsprozesse<br />

verursachen. Während auf stagnierenden<br />

und schrumpfenden Wohnungsmärkten ein Überangebot<br />

an Wohnraum dazu führt, dass auch Durchschnittsverdiener<br />

sich gut auf dem Wohnungsmarkt<br />

Dipl.-Soz. Ralf Zimmer-Hegmann<br />

ILS - Institut für Landes- und<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklungsforschung<br />

leitet die Forschungsgruppe Sozialraum <strong>Stadt</strong> im Institut für Landesund<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklungsforschung (ILS) in Dortmund. Forschungsschwerpunkte:<br />

Sozialräumliche Disparitäten und gesellschaftliche<br />

Inklusion, Integrierte Konzepte <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>- und Quartiersentwicklung<br />

sowie Evaluation von För<strong>der</strong>programmen und Monitoring kleinräumiger<br />

städtischer Entwicklungen. Mitglied <strong>der</strong> Expertengruppe zur<br />

Evaluation des Programms „Soziale <strong>Stadt</strong>“ beim BMUB, wie auch<br />

schon 2002-2004 beim BMVBW.<br />

Herlyn, U./ Lakemann, U./ Lettko, B. (1991): Armut und Milieu. Benachteiligte Bewohner in großstädtischen Quartieren. Basel, Boston, Berlin.<br />

Rauterberg, H. (2013): Wir sind die <strong>Stadt</strong>! Urbanes Leben in <strong>der</strong> Digitalmo<strong>der</strong>ne. Berlin.<br />

Sennett, R. (1998): Der flexible Mensch. <strong>Die</strong> Kultur des neuen Kapitalismus. Frankfurt, Berlin.<br />

Zimmer-Hegmann, R./ Sucato, E. (2007): Evaluation in <strong>der</strong> Sozialen <strong>Stadt</strong> – Ein Überblick aus Län<strong>der</strong>perspektive. In: Zeitschrift für Evaluation,<br />

Heft 1/2007, S. 79-107.

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