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urbanLab Magazin 2017 - Die Stadt der Zukunft

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und Kin<strong>der</strong>betreuung erleichtert. Der Wohnbereich<br />

und das Wohnumfeld haben gerade für marginalisierte<br />

und arbeitslose Bevölkerungsgruppen eine<br />

so hohe Bedeutung im Lebensalltag, da sie den<br />

überwiegenden Teil ihrer Zeit hier verbringen. Aus<br />

zahlreichen Untersuchungen ist bekannt, dass das<br />

informelle Beziehungsnetz zu Freunden, Verwandten<br />

und Nachbarn von hoher Wichtigkeit ist, da ein<br />

Großteil <strong>der</strong> Unterstützung im Alltag über diese<br />

Kontakte und nahräumlichen Netzwerke erfolgt.<br />

Schließlich ist gerade für benachteiligte Gruppen<br />

die Nähe von Beratungs- und Freizeiteinrichtungen<br />

relevant, um <strong>der</strong>en Nutzung zu ermöglichen und<br />

eine Inanspruchnahme zu för<strong>der</strong>n.<br />

Das Mitte <strong>der</strong> 1990er Jahre in Deutschland eingeführte<br />

Städtebauför<strong>der</strong>ungsprogramm „Soziale<br />

<strong>Stadt</strong>“ ist in diesem Zusammenhang als Antwort auf<br />

die Konzentration und Kumulation unterschiedlicher<br />

sozialer, ökonomischer und städtebaulicher Problemlagen<br />

in bestimmten <strong>Stadt</strong>teilen und Quartieren<br />

zu verstehen, die mit rein sektoralen Politikansätzen<br />

nicht mehr gelöst werden können. Damit folgte die<br />

Politik in Deutschland Erfahrungen mit ähnlichen<br />

Ansätzen in Großbritannien, den Nie<strong>der</strong>landen und<br />

Frankreich, die dort schon seit den 1980er Jahren<br />

praktiziert werden. Spätestens mit <strong>der</strong> Leipzig-Charta<br />

<strong>der</strong> EU im Jahre 2007 haben sich solche<br />

integrierten und stadtteilbezogenen Ansätze<br />

in ganz Europa etabliert. Sie folgen auch bewusst<br />

dem „ressourcenorientierten“ Politikverständnis, bei<br />

dem gerade die Stärkung von Nachbarschaften und<br />

Quartieren zur Lebensbewältigung von benachteiligten<br />

Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt gerückt<br />

werden.<br />

Erfolge <strong>der</strong> „Sozialen <strong>Stadt</strong>“...<br />

Grundsätzlich zeigt sich, dass das Programm „Soziale<br />

<strong>Stadt</strong>“ mit seinem integrierten Handlungsansatz<br />

in hohem Maße den multiplen Problemlagen von<br />

benachteiligten <strong>Stadt</strong>teilen und Quartieren sowie<br />

den Herausfor<strong>der</strong>ungen einer zunehmenden sozialräumlichen<br />

Polarisierung in unseren Städten entspricht.<br />

Auch die verschiedenen Evaluationen des<br />

Programms „Soziale <strong>Stadt</strong>“ auf Ebene von Bund und<br />

Län<strong>der</strong>n bestätigen, dass dieser Ansatz im Rahmen<br />

seiner – auch finanziellen – Möglichkeiten richtig<br />

und erfolgreich ist (Zimmer-Hegmann/Sucato<br />

2007). Dabei zeigt sich, dass <strong>der</strong> bisherige Erfolg<br />

des Programms vor allem in <strong>der</strong> städtebaulichen Erneuerung<br />

und <strong>der</strong> Schaffung von tragfähigen Netzwerken<br />

vor Ort liegt. Durch eine Verbesserung des<br />

städtebaulichen Erscheinungsbildes sind in vielen<br />

<strong>Stadt</strong>teilen Aufwertungsprozesse in Gang gesetzt<br />

worden, die auch zu einer langfristigen Imageverbesserung<br />

<strong>der</strong> Gebiete führen können, die meist<br />

unter einer negativen Stigmatisierung leiden. Allerdings<br />

zeigen die gerade in den letzten Jahren zu beobachtenden<br />

Verän<strong>der</strong>ungen und Engpässe auf den<br />

Wohnungsmärkten insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Mehrzahl<br />

<strong>der</strong> Großstädte, dass solche Aufwertungsprozesse<br />

immer in ihrem jeweiligen stadtentwicklungspolitischen<br />

Kontext betrachtet werden müssen. Während<br />

nach wie vor in den schrumpfenden Städten gerade<br />

die benachteiligten <strong>Stadt</strong>teile und Quartiere von<br />

mangeln<strong>der</strong> Nachfrage und Abwan<strong>der</strong>ung betroffen<br />

sind, rückt in den angespannten Wohnungsmärkten<br />

das Thema „Gentrifizierung“ und damit letztlich die<br />

Gefahr <strong>der</strong> Verdrängung von sozial benachteiligten<br />

Bevölkerungsgruppen wie<strong>der</strong> auf die Tagesordnung.<br />

Städtebauliche Aufwertungsprozesse gerade<br />

durch das Programm „Soziale <strong>Stadt</strong>“ müssen daher<br />

immer in ihren spezifischen Wirkungszusammenhängen<br />

von Städten zwischen Schrumpfung und<br />

Wachstum betrachtet werden. So muss die städtebauliche<br />

Aufwertung in bestimmten angespannten<br />

Gebietskulissen nicht immer die erste und beste<br />

Antwort sein, wenn sozial stabilisierende Maßnahmen<br />

und Projekte im Sinne <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong><br />

angestammten Bewohnerschaft hier wesentlich<br />

wirksamer sein können, wozu aber insbeson<strong>der</strong>e<br />

auch Investitionen in die soziale Infrastruktur gehören.<br />

Deswegen muss das Programm mehr als ein<br />

städtebauliches Investitionsprogramm sein. Investitionen<br />

in Personal sind ebenso erfor<strong>der</strong>lich, aber<br />

über das städtebauliche Programm nur in begrenztem<br />

Umfang för<strong>der</strong>fähig. Ein integrierter Programmansatz<br />

müsste eine differenzierte Anwendung unterschiedlicher<br />

Instrumente ermöglichen.<br />

Zentrale Erfolgsfaktoren des Programms „Soziale<br />

<strong>Stadt</strong>“ sind daneben die Verfahrens- und Prozessqualitäten.<br />

<strong>Die</strong> Vernetzung aller relevanten Akteure<br />

in den Gebieten und die Schaffung bzw. Festigung<br />

von gemeinsamen Arbeits- und Kooperationsstrukturen<br />

sind zentrale Voraussetzung für eine nachhaltige<br />

Stabilisierung <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>teile und Quartiere.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e die lokalen Quartiersmanagements<br />

haben sich als entscheidende steuernde und koordinierende<br />

Instanzen erwiesen. Allerdings ist auch<br />

auf die fragile Stabilität dieser neu geschaffenen<br />

Strukturen hinzuweisen, die oftmals auch nach Auslaufen<br />

<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung durch das Programm „Soziale<br />

<strong>Stadt</strong>“ erfor<strong>der</strong>lich sind und weiterhin <strong>der</strong> Unterstützung<br />

bedürfen. <strong>Die</strong> neu geschaffenen Arbeits- und<br />

Kooperationsstrukturen haben in vielen Fällen zu<br />

einer deutlichen Verbesserung <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

zwischen öffentlichen und privaten Akteuren<br />

sowie innerhalb <strong>der</strong> Verwaltungen geführt. Ob sich<br />

daraus dauerhaft Strukturen <strong>der</strong> integrierten Zusammenarbeit<br />

entwickeln, ist stark von den örtlichen<br />

politischen Gegebenheiten und <strong>der</strong> gelebten<br />

Verwaltungskultur abhängig. Allerdings zeigt sich,<br />

dass <strong>der</strong> integrierte Programmansatz strukturell<br />

die Kooperation unterschiedlicher Akteure – auch<br />

innerhalb <strong>der</strong> Verwaltung – immer wie<strong>der</strong> erzwingt<br />

und sich insofern deutlich för<strong>der</strong>nd auf solche kooperativen<br />

Arbeitsstrukturen auswirkt.<br />

... und Begrenzungen<br />

Im Grunde ist <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ansatz <strong>der</strong> „Sozialen <strong>Stadt</strong>“<br />

seinem Anspruch nach sozialraumbezogener Ausdruck<br />

einer präventiven Politik, <strong>der</strong> es darum geht<br />

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Soziale <strong>Stadt</strong> - KEYNOTE

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