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architektur Fachmagazin Ausgabe 8 2020

architektur Fachmagazin Ausgabe 820 Die neue Stadt

architektur Fachmagazin Ausgabe 820
Die neue Stadt

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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />

62<br />

Die neue Stadt<br />

Das Haus<br />

auf dem Haus<br />

Lindenhausstraße / Luzern, Schweiz / Scheitlin Syfrig Architekten<br />

Text: Linda Pezzei Fotos: Ben Huggler<br />

Ein über 100 Jahre altes<br />

Wohnhaus im Herzen<br />

Luzerns wurde von den<br />

ortsansässigen Scheitlin<br />

Syfrig Architekten um<br />

drei Geschosse plus Attikawohnung<br />

aufgestockt.<br />

Während sich das Gebäude<br />

zur Hofseite hin als<br />

modernes Bauwerk aus<br />

einem Guss präsentiert,<br />

tritt der Aufbau zur Straßenseite<br />

hin geschickt in<br />

den Hintergrund, sodass<br />

die stuckverzierte Fassade<br />

im Ensemble der Straßenflucht<br />

wie gewohnt<br />

zur Geltung kommt.<br />

Das Luzerner Bauprojekt Lindenhausstraße der ortsansässigen<br />

Scheitlin Syfrig Architekten zeigt, wie moderne<br />

Nachverdichtung im Herzen von städtischem<br />

Raum funktionieren kann. Obwohl dem bestehenden<br />

100 Jahre alten Bau im wahrsten Sinne des Wortes ein<br />

moderner Hut aufgesetzt wurde, bleibt der Charakter<br />

der stuckverzierten Fassade im Ensemble mit der straßenseitigen<br />

Fassadenflucht uneingeschränkt erhalten.<br />

Dafür wurden die Architekten auch mit dem Iconic<br />

Award: Innovative Architecture <strong>2020</strong> ausgezeichnet.<br />

Allzu schnell kann die Kombination aus Alt und Neu<br />

optisch ins Lächerliche abdriften, der Neubau alte<br />

Strukturen erdrücken oder erhaltenswerte Substanz<br />

kaschieren. Das Team von Scheitlin Syfrig Architekten<br />

hat einen anderen Weg gewählt. Das vorgefundene<br />

Bestandsgebäude zeigt sich als Teil einer heterogenen<br />

Fassadenflucht und erinnert mit seinem<br />

Steinsockel, den üppigen weißen Stuckaturen sowie<br />

geschwungenen Formen und Ornamenten an frühere<br />

Zeiten. Obwohl der Altbau im Inneren saniert und<br />

um drei Geschosse sowie ein Dachgeschoss ergänzt<br />

werden sollte, wollten die Architekten den ursprünglichen<br />

Charakter des Bauwerks erhalten.<br />

Zu diesem Zwecke wählten die Planer für die Aufstockung<br />

eine dunkle Fassade aus horizontalen Aluminiumprofilen.<br />

Im Kontrast zu dem hellen Bestand drängt<br />

sich der Aufbau auf diese Weise nicht in den Vordergrund,<br />

sondern nimmt sich bewusst zurück – gleichwohl<br />

ohne sich dabei zu verstecken. Dieser Eindruck<br />

wird noch dadurch verstärkt, dass die Struktur der<br />

Fassade auch für die Klapp- und Schiebeläden übernommen<br />

wurde. Selbst vor den Fensterfronten umlaufen<br />

die horizontalen Lamellen das Gebäude. Dadurch<br />

ist das Volumen von Alt und Neu zwar als ein Element<br />

lesbar, dennoch scheint der Aufbau wie ein flüchtiger<br />

Schatten über dem Bestand zu schweben.<br />

Während straßenseitig ein klar ablesbarer Kontrast<br />

zwischen Alt und Neu entsteht, präsentiert sich die<br />

hofseitige Gebäudehülle aus einem Guss. Die frontseitige<br />

Fassadengestaltung findet sich rückwärtig<br />

als selbe ganzflächige Lamellenkonstruktion wieder.<br />

Der einheitliche und monolithische Gesamteindruck<br />

wird noch dadurch verstärkt, dass die Aluminiumprofile<br />

zum einen bis an die Kante des Firstes reichen<br />

und zum anderen auch die vorspringenden Balkone<br />

ummanteln, welche so mit der Fassade zu einer Einheit<br />

verschmelzen.<br />

Ein weiterer gestalterischer Kniff der Architekten liegt<br />

in der Drehung des Giebels des relativ steilen Schrägdaches.<br />

Dessen Traufe orientiert sich an der Höhe der<br />

angrenzenden Dachfirste und nimmt somit wieder<br />

Bezug zur Umgebung auf. Durch die so entstandene<br />

Ost-West-Ausrichtung bietet das Dach die idealen<br />

Voraussetzungen für die effektive Energiegewinnung<br />

mittels großflächiger Photovoltaik-Platten. Ziel der<br />

Planer war es, nicht nur raumplanerisch effektiv, sondern<br />

auch ökologisch zielführend zu bauen. Luzerns<br />

Stimmbevölkerung hat sich im November 2011 zur<br />

sogenannten 2000-Watt-Gesellschaft bekannt, die<br />

als Sinnbild für eine nachhaltige Energiepolitik steht.<br />

Das Konzept basiert auf einer energiepolitischen Vision,<br />

die von Forschenden der ETH entwickelt wurde.<br />

Laut der Studie können pro Person 2000 Watt Energieleistung<br />

beansprucht werden, ohne dass die Erde<br />

übernutzt wird. Das Projekt Lindenhausstraße soll neben<br />

vielen anderen Vorzeigeprojekten zur Erreichung<br />

dieses Umweltzieles beitragen.<br />

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