29.01.2021 Aufrufe

Mind-Mag 140

Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.

Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

EIN M VON NEBENAN<br />

hoch emotional und dramatisch<br />

mit dem ganzen Orchester. Für<br />

die Inszenierung in Essen haben<br />

wir das sogar noch gesteigert.<br />

Das ist es, was mich am<br />

Singen fasziniert.<br />

Das hat man wohl auch gespürt:<br />

Für den „Werther“ wurde<br />

ich von der Bastille-Oper in Paris<br />

eingeladen, das war eine große<br />

Sache. Ab da ging es mit meiner<br />

Karriere steil bergauf.<br />

Das war also der Wendepunkt<br />

in deiner Karriere?<br />

Ja, das kann man sagen. Davor<br />

war ich ein vielversprechendes<br />

Nachwuchs-Talent und nun war<br />

ich auf einmal der „Rising Star“.<br />

Das war eine verrückte Zeit, das<br />

Interesse an meiner Person war<br />

groß. In der Pariser Oper wurde<br />

angerufen: „Wer ist dieser Abdellah<br />

Lasri?“ Es lief richtig gut,<br />

ich hatte tolle Angebote und<br />

Verträge.<br />

Gibt es einen Bühnen-<br />

Moment, an den du dich<br />

besonders gerne erinnerst?<br />

Oh ja, das war diese eine Werther-Inszenierung<br />

in Paris. Wir<br />

waren alle so verbunden, die<br />

Künstler untereinander, Sänger<br />

und Orchester, aber auch<br />

wir auf der Bühne mit dem Publikum.<br />

Es waren an diesem<br />

Abend ungefähr 3.000 Menschen<br />

im Saal und trotzdem war<br />

da eine so starke Verbindung!<br />

Ich glaube nicht an Übersinnliches,<br />

aber diese Energie zwischen<br />

uns, das war magisch. Wir<br />

haben uns alle gefühlt, so kann<br />

man es vielleicht am Besten beschreiben.<br />

Wir waren so ergriffen,<br />

dass wir auf der Bühne geweint<br />

haben. Das war schon ein<br />

sehr besonderer Moment.<br />

Deine Karriere lief also richtig<br />

gut. Es ist dann aber in letzter<br />

Zeit etwas ruhiger um dich<br />

geworden. Was war der Grund?<br />

Ich bekam plötzlich Probleme<br />

mit meiner Stimme. Vermutlich<br />

wollte mein Körper mir damit<br />

etwas sagen.<br />

Mein Lebenstraum war es,<br />

mich mit meiner Kunst auszudrücken,<br />

zu reisen, mit vielen<br />

verschiedenen Orchestern zu<br />

arbeiten. Die Realität sieht aber<br />

leider etwas anders aus: Wenn<br />

du in der Opernwelt bestehen<br />

und deinen Lebensunterhalt<br />

damit verdienen willst, musst<br />

du schon ein bisschen „fake“<br />

sein. Man muss sehr diplomatisch<br />

agieren und teilweise wird<br />

viel Politik im Verborgenen gemacht.<br />

„Es ist nicht immer objektiv<br />

nachvollziehbar, warum<br />

der eine Sänger die Rolle<br />

bekommt und der andere<br />

nicht. Letztendlich zählt<br />

eben nicht nur die Technik,<br />

sondern das Potential, das<br />

die Leute in einem sehen.“<br />

Das mag ich überhaupt nicht.<br />

Im Endeffekt ging es eben nicht<br />

vorrangig um die Musik, wie ich<br />

es mir mit viel Idealismus ausgemalt<br />

hatte. Das habe ich sehr<br />

lange nicht sehen wollen, und<br />

dann kamen eben die ersten<br />

körperlichen Probleme.<br />

Wie bist du damit umgegangen?<br />

Ich habe mir eine Auszeit genommen<br />

und hatte das erste<br />

Mal seit langer Zeit die Gelegenheit<br />

zu reflektieren. Ja, ich war<br />

ganz oben angekommen, habe<br />

in vielen der großen Opernhäuser<br />

gespielt. Finanziell war das<br />

natürlich genial, aber wenn ich<br />

ehrlich zu mir war, war ich im<br />

tiefsten Innersten nicht zufrieden.<br />

Es gab immer seltener besondere<br />

Momente und immer mehr<br />

Routine. Es war sehr schwer,<br />

sich das einzugestehen, und ich<br />

habe lange versucht, mich damit<br />

abzufinden, dass es nicht<br />

jedesmal ein großes emotionales<br />

Feuerwerk gibt, wenn ich auf<br />

der Bühne stehe. Aber unterbewusst<br />

habe ich mich nach dieser<br />

Intensität gesehnt.<br />

Da ich auch privat eine schwierige<br />

Zeit durchlebt habe, bin ich<br />

letztendlich in eine depressive<br />

Phase gerutscht. Das war sehr<br />

heftig, vor ungefähr einem Jahr<br />

hatte ich den Tiefpunkt erreicht.<br />

Glücklicherweise habe ich das<br />

nun hinter mir gelassen, seit<br />

September geht es bergauf, und<br />

mittlerweile geht es mir wieder<br />

richtig gut, auch stimmlich.<br />

Das Singen ist nach wie vor<br />

meine Passion, aber heute weiß<br />

ich: Ich muss nicht singen, um<br />

zufrieden zu sein! Meine Einstellung<br />

zum Glück und zum<br />

Glücklich-Sein hat sich total<br />

verändert. Glück bedeutet für<br />

mich, schöne und wahrhaftige<br />

Momente zu schaffen und mit<br />

meinen echten Freunden zu teilen.<br />

Was meinst du: Welche Rolle<br />

hat deine Hochbegabung in<br />

deinem Lebenslauf und vielleicht<br />

auch besonders in dieser<br />

schwierigen Phase gespielt?<br />

Ich kann mir gut vorstellen, dass<br />

die Depression durch die Hoch-<br />

34 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!