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Mind-Mag 140

Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.

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egabung verstärkt oder jedenfalls<br />

gefärbt war. Damit im Zusammenhang<br />

steht mein Trauma,<br />

abgelehnt zu werden. Im<br />

Grunde war ich mein ganzes Leben<br />

lang ein Außenseiter, jedenfalls<br />

die ersten 27 Jahre.<br />

Als Kind habe ich mich viel in<br />

meine Bücher geflüchtet, weil<br />

ich mit meinen Altersgenossen<br />

nicht so viel anfangen konnte.<br />

Zudem war ich oft mit dem<br />

Neid der anderen konfrontiert,<br />

weil mir manche Dinge sehr<br />

leicht gefallen sind. Gleichzeitig<br />

musste ich im Umfeld der Musik<br />

lernen, mit der ständigen Bewertung<br />

und drohenden Ablehnung<br />

umzugehen.<br />

Es ist nicht immer objektiv<br />

nachvollziehbar, warum der<br />

eine Sänger die Rolle bekommt<br />

und der andere nicht. Letztendlich<br />

zählt eben nicht nur die<br />

Technik, sondern das Potential,<br />

das die Leute in einem sehen.<br />

„Mein Plan war es, ein<br />

schönes Bohème-Leben<br />

zu führen, Freunde in<br />

Italien zu besuchen,<br />

zwischendurch ein paar<br />

Proben und Produktionen<br />

zu machen. Aber Corona<br />

hat mir einen Strich durch<br />

die Rechnung gemacht.“<br />

Wie hast du das Jahr 2020<br />

erlebt? Als Künstler bist du<br />

von der Pandemie vermutlich<br />

besonders betroffen.<br />

2020 war für mich super seltsam.<br />

Eigentlich wollte ich Anfang<br />

des Jahres ein paar Monate<br />

Backpacking machen, habe meine<br />

Wohnung gekündigt, meine<br />

Sachen bei Freunden untergebracht<br />

und bin los.<br />

Mein Plan war es, ein schönes<br />

Bohème-Leben zu führen,<br />

Freunde in Italien zu besuchen,<br />

zwischendurch ein paar Proben<br />

und Produktionen zu machen.<br />

Aber Corona hat mir einen<br />

Strich durch die Rechnung<br />

gemacht.<br />

Ich saß zwar nicht auf der Straße,<br />

aber ich musste von meinen<br />

Ersparnissen leben, hatte keinen<br />

festen Wohnsitz und keinen<br />

Zugang zu meinen persönlichen<br />

Dingen. Das war ingesamt eine<br />

grenzwertige Erfahrung.<br />

Für Künstler war es definitiv<br />

kein gutes Jahr. Das Hilfspaket<br />

war ziemlich schnell aufgebraucht,<br />

viele sind auf Arbeitslosengeld<br />

II angewiesen, das ist<br />

bitter. Im Endeffekt läuft es auf<br />

die essenzielle Frage hinaus:<br />

Braucht eine Gesellschaft die<br />

Kunst oder nicht?<br />

Wie ist deine Antwort darauf?<br />

Ich glaube nicht, dass Kunst verzichtbar<br />

ist. Die Menschheit hat<br />

sich von Anbeginn ums Feuer<br />

versammelt, getanzt und erzählt.<br />

Kunst ist Teil des Menschseins,<br />

sie schafft es, Emotionen<br />

zu generieren.<br />

Ich finde das faszinierend:<br />

Man liest ein Gedicht, schaut<br />

sich ein Bild an oder hört ein<br />

Musikstück, und es gibt eine direkte<br />

körperliche Reaktion darauf,<br />

Gänsehaut zum Beispiel.<br />

Das liebe ich so an der Kunst.<br />

Als Künstler kann ich Menschen<br />

bewegen und berühren.<br />

Sprachlich mag ich mich nicht<br />

immer perfekt ausdrücken, weil<br />

meine Gedanken teilweise so<br />

verworren sind. Aber die Musik,<br />

das ist meine Sprache, meine<br />

Art der Kommunikation, die<br />

bei den Leuten ankommt.<br />

Lass uns hoffen, dass es bald<br />

wieder mehr Normalität gibt. Wie<br />

geht es für dich jetzt weiter?<br />

Ich bin gerade wieder nach Essen<br />

gezogen in meine eigenen<br />

vier Wände. Derzeit arbeite<br />

ich an einem vielversprechenden<br />

IT-Projekt, das mich gut beschäftigt,<br />

habe aber auch noch<br />

Zeit, Musik zu machen.<br />

Diese neue Art von Freiheit<br />

genieße ich sehr. Ich habe auch<br />

wieder meine Leidenschaft entdeckt,<br />

selbst Musik zu komponieren.<br />

Ich hoffe aber auch, dass<br />

ich bald wieder reisen kann, um<br />

für weitere Rollen vorzusingen,<br />

ich bin mit einigen Operndirektoren<br />

in Kontakt. Es wäre toll,<br />

wenn ich bald mal wieder auf einer<br />

Bühne stehen könnte.<br />

Lieber Abdellah, vielen Dank für<br />

dieses spannende und offene<br />

Gespräch und viel Erfolg bei<br />

deinen künftigen Projekten!<br />

Die Fragen stellte<br />

Natalie Lehmann<br />

ABDELLAH LASRI<br />

mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 35

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