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FREUDE AM LEBEN, SPASS AM GENUSS

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KAMTSCHATKA<br />

ahoi<br />

Von Kiki Baron<br />

Ich habe in vieler Beziehung<br />

Glück gehabt. Man kann sich<br />

nicht aussuchen, in welche Familie<br />

man hineingeboren wird. Meine<br />

Eltern waren weit davon entfernt<br />

begütert zu sein. Meine Mutter allerdings<br />

hatte mit Gütern zu tun. In den<br />

30er Jahren war sie Gutssekretärin<br />

auf einem zigtausend Hektar Anwesen<br />

in Schlesien. Dort war der Tisch<br />

stets reich gedeckt. Dort wurde gute<br />

frische Küche zelebriert, von der alle<br />

Angestellten profitierten. Dort lernte<br />

sie nicht nur Kutsche fahren und als<br />

junge unverheiratete Frau sich gegen<br />

aufsässige Knechte zu wehren. Sie<br />

verfeinerte zudem ihren Geschmack<br />

in Sachen Küche und Keller. Und<br />

fand großen Spaß an Brutzelei und<br />

Brotbacken. Von dieser Leidenschaft,<br />

gepaart mit Offenheit gegenüber<br />

fremdländischen Küchen, profitierte<br />

ich von klein auf. Mein Vater indes,<br />

vorm zweiten Weltkrieg als Bäcker<br />

ausgebildet, ging anschließend zur<br />

Seefahrtsschule und schipperte in<br />

den letzten 20 Lebensjahren als Kapitän<br />

um die Welt. So gesehen wurde<br />

mir das Reisen und die Lust auf<br />

Qualitätsküche bereits in die Wiege<br />

gelegt. Kam hinzu, dass mein Vater<br />

auf dem Schiff Zugang zu zollfreien<br />

Zigaretten und Spirituosen hatte und<br />

nämliche mit nachhause brachte. So<br />

konnte ich bereits im Teenageralter<br />

Freunde mit echtem Budweiser Bier<br />

und Pommery für 10 DM die Flasche<br />

bewirten. Dazu haben wir gepafft<br />

wie die Weltmeister. Ich spreche<br />

hier von den 70er Jahren. Geld war<br />

zwar knapp, doch meine Mutter aromatisierte<br />

bereits zehn Jahre früher<br />

ihren Kartoffelsalat mit Kamtschatka-Crabs<br />

aus der Dose. Ebenfalls aus<br />

spottbilligen Duty-free-Beständen.<br />

besuchen Sie auch<br />

LOGBUCH – DER PODCAST<br />

Aufzeichnungen einer<br />

Reisejournalistin<br />

@logbuch_podcast<br />

Jeden Sonntag eine neue Folge bei<br />

Spotifiy, Apple Podcast und Deezer.<br />

Der feine Geschmack der Königskrabbenbeine<br />

sowie das bunte Etikett<br />

auf der Dose, und nicht zuletzt<br />

der verheißungsvolle Name Kamtschatka<br />

hatten sich in meinem kindlichen<br />

Hirn derart eingenistet, dass<br />

die Halbinsel im fernen Russland<br />

nach Aufnahme meiner Tätigkeit als<br />

Reisejournalistin und Restaurantkritikerin<br />

ein Wunschziel wurde. 2016<br />

war es endlich soweit. Während einer<br />

Luxus-Kreuzfahrt durch das Ochotskische<br />

Meer mit MS „Silver Discoverer“<br />

stand ich auf dem Fischmarkt<br />

von Hauptstadt Petropavlosk Kamtschatski.<br />

Dort gab es die Monsterartigen<br />

Krebse bis zum Abwinken, doch<br />

zu einem Kilopreis, der sich kaum<br />

vom hiesigen unterschied. Zudem,<br />

wo abkochen? Unserem Schiffskoch<br />

war es untersagt, Lebensmittel von<br />

nichtlizensierten Ausrüstern in sein<br />

Reich zu bugsieren. Doch Gottlob, er<br />

drückte ein Auge zu. Mit russischen<br />

Kollegen legten wir Geld zusammen<br />

und so landete ein Monster von etwa<br />

einem Meter Durchmesser von einer<br />

Beinspitze zu gegenüberliegenden<br />

im Riesenkochpott. Einer der Kollegen<br />

griff nochmal tief in die Tasche<br />

und kaufte obendrein zwei Kilo reines<br />

Krebsfleisch. Das Gelage am<br />

Abend war eines Zaren würdig. Die<br />

Küche zauberte dazu eine opulente<br />

Selektion typisch russischer Beilagen.<br />

Feinster Wodka flutete im 5- Minuten-Takt<br />

unsere Kehlen. Zwischendurch<br />

das eine oder andere Gläschen<br />

Roederer Cristal. Zarenmäßig eben.<br />

Oder um es anders auszudrücken,<br />

auf die imperiale Spitze getriebener<br />

Ausdruck russischer Gastfreundschaft.<br />

Was blieb? Ein Tonnenschwerer<br />

Kopf am nächsten Morgen, kaputte<br />

Finger vom Krebsbeine - Knacken<br />

und die Glückseligkeit, einen langgehegten<br />

Traum aufs Allerfeinste erfüllt<br />

zu haben. Mehr geht nicht.<br />

<strong>FineTobacco</strong>[+] 01·2021 43

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