25.06.2021 Aufrufe

Flensburg Journal - 226 Juli 2021

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Staatsanwalt duelliert, um persönliche Vorteile,

um das schlichte Geschäft, scheint es nicht zu

gehen. Der besonderen Mission opfert sie Privatleben

und Ehe. Schließlich gewinnt Beate Rotermund

das Finale im ZDF, also den Rechtsstreit,

und forciert damit sogar die Reform des deutschen

Sexualstrafrechts.

Die Handlung hat großen Unterhaltungswert.

Der Film sollte aber nicht als historisch-belegte

Biografie missdeutet werden. Er enthält Ungenauigkeiten,

schreibt zugunsten der Dramaturgie

und einer vereinfachten Darstellungsform etliche

Punkte im Lebenslauf der Originalfigur um. So

wird der Eindruck erweckt, dass es bis weit in die

70er Jahre hinein eine ebenso breite wie verlogene

Front gegen das „Versandhaus Beate Uhse“ gegeben

habe. Und die Hauptperson wird verklärt,

idealisiert, zum Teil sogar heroisiert.

Prozess von 1972 im Film: die Schauspieler Franka Potente und Henry Hübchen

Die Realität: Beate Rotermund 1972 vor Gericht

FLENSBURG JOURNAL • 07/2021

Es ist aber kein Zufall, dass Franka Potente in

eine glorifizierte Rolle schlüpfte. In der Realität

verstand es Beate Rotermund, medial als respektable

Unternehmerin aufzutreten. Gekonnt hatte

sie schon früh den PR-Motor angeworfen. Um in

den eher prüden 50er Jahren nicht in die Schmuddel-Ecke

geschoben zu werden, lieh die Chefin der

Marke „Beate Uhse“ von Anfang an ihr Gesicht,

präsentierte sich als tatkräftige Sauberfrau und

stellte sich im Katalog als glückliche Ehefrau und

Mutter von mehreren Kindern vor. Sie betonte:

„Sicher können Sie sich denken, dass es mir als

Frau nicht möglich ist, ohne großen Idealismus

auf diese Weise für das Glück der Frauen und die

Erhaltung der Ehe zu werben.“

Das Unternehmen verteilte bereits in dieser Frühphase

die Lebensgeschichte von Beate Rotermund

an die Journalisten. 1952 entstanden erste

Foto: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv/Dirk Hentschel Foto: ZDF/Christiane Pausch

PR-Fotos. Die Unternehmerin lächelte hinter der

Windschutzscheibe des ersten Lieferwagens und

wusch das Fensterglas. Bodenständig, zupackend

und bieder wie die Gesellschaftsnormen in jener

Zeit. In den frühen Katalogen wurden die erotischen

Produkte um ärztliche Fachmeinungen bereichert

und – völlig unverdächtig – als „Hygiene-Artikel“

bezeichnet.

Anfang 1961 wurde Hannes Baiko eingestellt. Er

leitete für etwa eine Dekade das neugegründete

Pressereferat, das an der Außendarstellung des

Unternehmens immer weiter feilte. Es entstand

eine „Beate-Uhse-Story“ um die Kurzbiografie der

Firmengründerin. Der Idealismus obsiegte gegenüber

dem Geschäft. Die PR-Taktik des Hauses fokussierte

sich auf die Repräsentantin, die in fast

allen Presse-Erklärungen zitiert wurde. Die Zeitungen

druckten gerne das ab, was ihnen geliefert

wurde und bauten Beate Rotermund allmählich

zum Star auf. „Sie ist patent und alles andere

als eingebildet“, schrieb schon im Dezember 1961

das „Flensburger Tageblatt“ in einem vermeintlich

neutralen Bericht.

Eine gute Image-Pflege war gewiss nötig als Gegenströmung

zu den unzähligen Strafanzeigen

und den damit verbundenen öffentlichen Kratzern.

2000 Mal binnen vier Dekaden soll sich jemand

auf juristischem Wege über „Beate Uhse“

beschwert haben. Rund 400 Strafverfahren, zumeist

wegen „Beihilfe zur Unzucht“, sollen von

der Justiz eingeleitet worden sein. Später verriet

Beate Rotermund einmal, dass dieses juristische

Dauerfeuer ihr zunächst oft den Schlaf raubte,

dann „nur noch ärgerlich und zeitaufwendig“ gewesen

wäre.

Tatsächlich hätte ihr eine Verurteilung in der

Anfangsphase finanziell das Genick brechen können.

Als sie in der Flensburger Wilhelmstraße 1a

residierte, wurde sie sogar einmal verhaftet. Angeblich

mitten in der Mittagspause. Beate Rotermund

soll ihren Mitarbeitern zugewinkt haben:

„Huhu, ich bin verhaftet!“ Ein Polizist reagierte

daraufhin erstaunt: „Na, posaunen Sie das doch

nicht so herum!“ Beate Rotermund: „Die sollen

und müssen alle wissen, was ihr für einen Mist

verzapft!“

Übersendung von jugendgefährdenden Schriften

an Jugendliche, unzulässige Werbung, Beleidigung,

Verbreitung von unzüchtigen Schriften

und Gegenständen – die Vorwürfe waren umfangreich

und mehrfach der Ansatzpunkt für

eine Klage gegen den „Versandhandel Beate

Uhse“. Die Schleswiger Generalstaatsanwaltschaft

nahm die Zügel in die Hand und vereinte

schließlich etliche Vorgänge zu einem einzigen,

großen Strafverfahren.

Für den 21. April 1959 ordnete Oberstaatsanwalt

Janzen eine größere Durchsuchung an, die

letztendlich „große Mengen von Werbematerial“

erbrachte. Zunächst hatte es gar nicht danach

ausgesehen. 28 Kriminalbeamte tauchten am

Firmensitz in der Wilhelmstraße auf, durchkämmten

auch die Druckerei und die Wohnungen

der Heimarbeiter, entdeckten aber nur eine kleine

Ausbeute an „unzüchtigem Material“. Dann

verplapperte sich ein Mitarbeiter, erzählte den

Beamten von einer angemieteten Lagerhalle in

der Flensburger Wrangelstraße. Dort warteten

fast eine halbe Million druckfrischer Kataloge

auf den Postversand. 420.000 D-Mark waren

21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!