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EqualVoice

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<strong>EqualVoice</strong><br />

Papa hat<br />

alles im Griff<br />

Andreas Wilderer kümmert sich um Kinder und Haushalt, seine<br />

Frau Mirka ist erfolgreiche CEO eines globalen Wassertechnologieunternehmens.<br />

Er sagt: Für echte Gleichberechtigung<br />

braucht es im familiären Umfeld ein Umdenken.<br />

Text: Adrian Meyer<br />

Die Entscheidung fiel vor 15 Jahren<br />

leicht. Als Mirka und Andreas<br />

Wilderer ihr erstes Kind erwarteten,<br />

war er mitten im Studium zum<br />

Bauingenieur; sie arbeitete erfolgreich<br />

bei Siemens und schrieb ihre Doktorarbeit.<br />

«Egal, wie ich es gemacht hätte,<br />

ihr Karrierelevel hätte ich nie aufholen<br />

können», sagt er. Daher blieb er zu Hause,<br />

um sich um das Kind zu kümmern. Was<br />

dies in seinem Umfeld auslösen, welche<br />

Hindernisse ihm noch begegnen, mit<br />

welchen Vorurteilen er zu kämpfen haben<br />

würde, davon ahnte er zu dieser Zeit<br />

noch nichts. «Ich war völlig blauäugig.»<br />

Heute ist Mirka Wilderer CEO des<br />

weltweit operierenden Wassertechnologieunternehmens<br />

De Nora Water Technologies.<br />

Als solche ist sie drei Wochen<br />

im Monat rund um den Globus unterwegs,<br />

zu Hause ist sie oft nur am Wochenende.<br />

Im Jahr 2009 wanderte das Paar aus<br />

Deutschland in die USA aus, wo sie heute<br />

in Denver, Colorado, leben. Dort kümmert<br />

sich der 42-jährige Andreas um die<br />

10 Jahre alte Tochter und den 15-jährigen<br />

Sohn. Er hat sich ein eigenes Standbein<br />

aufgebaut als Keynote Speaker, Autor<br />

und Coach. «Für uns funktioniert dieses<br />

Modell super.»<br />

Als «stay-at-home dad», wie man<br />

Hausmänner in den USA bezeichnet,<br />

ist Wilderer eine Ausnahme. In seiner<br />

Wahlheimat liegt der Anteil der Hausmänner<br />

bei sieben Prozent. In der Schweiz ist<br />

bei weniger als drei Prozent aller Paare<br />

mit Kindern die Frau Vollzeit erwerbstätig,<br />

während der Mann Teilzeit oder<br />

gar nicht arbeitet. Dass beide Teilzeit<br />

arbeiten, ist – je nach Alter der Kinder –<br />

bei 4,5 bis 11,4 Prozent der Paare der Fall<br />

(siehe Grafik). «Als Hausmann hast du<br />

mit vielen Vorurteilen und Benachteiligungen<br />

zu kämpfen», sagt Wilderer. «Dafür<br />

braucht man viel Selbstvertrauen.»<br />

Tatsächlich wirke das traditionelle<br />

Rollenverständnis so stark, dass darob<br />

bei Wilderer Freundschaften zerbrachen.<br />

Freunde hätten ihm vorgeworfen, er sei<br />

nicht Mann genug, um die Familie zu<br />

ernähren. Sein Bruder zeigte kein<br />

Verständnis für seine Entscheidung, nach<br />

dem Studium nicht zu arbeiten. Man<br />

traute ihm nicht zu, dass er sich als Mann<br />

gut um die Kinder kümmert. Lehrerinnen<br />

und Ärzte riefen stets die Mutter an,<br />

anstatt ihn zu fragen. Gesellschaftlich<br />

Andreas Wilderer (42)<br />

ist Hausmann, Coach<br />

und Keynote Speaker.<br />

Er lebt mit seiner Frau<br />

Mirka und den zwei<br />

Kindern in Denver, USA.<br />

fühlte er sich geächtet: Zwei Mal sei es<br />

passiert, dass besorgte Mütter die Polizei<br />

riefen, weil er als Mann auf der Bank am<br />

Spielplatz sass. Auch seine Frau musste<br />

sich immer wieder rechtfertigen, um<br />

nicht als Rabenmutter zu gelten. «Das<br />

brauchte eine dicke Haut.»<br />

Dabei komme es nicht auf das<br />

Geschlecht an, wer sich wie gut um die<br />

Kinder kümmere, sagt Wilderer. Entscheidend<br />

sei, dass ein Elternteil die Entscheidungsmacht<br />

habe – und zwar jener,<br />

der mehr Zeit mit den Kindern verbringe<br />

und mehr Erziehungsarbeit leiste. «Es<br />

braucht nicht zwei Kapitäne an Bord.»<br />

Hier seien die Frauen gefordert, sich<br />

zurückzunehmen. Allzu oft beobachte<br />

Fotos: Getty Images; Quelle: BFS<br />

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