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<strong>EqualVoice</strong><br />
Frauen als Zielgruppe anzusprechen, ist<br />
dabei kein neues Phänomen. Bereits 1922<br />
warb Persil mit der «Weissen Dame», um<br />
an die Haushaltsbudgets der Frauen heranzukommen.<br />
Mit zunehmender Unabhängigkeit,<br />
die sich u. a. auch darin zeigte,<br />
dass Frauen eigenständig über Geld verfügen<br />
konnten (in der Schweiz konnten<br />
Frauen erstmals ab 1976 ohne die Erlaubnis<br />
des Mannes ein eigenes Bankkonto eröffnen),<br />
wurden «weiblich konnotierte»<br />
Inhalte genutzt, um neue Kundinnen zu<br />
gewinnen. So warb auch das Zigaretten-<br />
Label Virginia bereits 1968 mit dem Slogan<br />
«You’ve come a long way» – du hast einen<br />
weiten Weg hinter dir – für seine eigens für<br />
Damen entwickelten schlanken «Slims»-<br />
Zigaretten. Das Ziel so eindeutig und klar<br />
wie heute: die Ansprache einer neuen,<br />
kaufkräftigen Zielgruppe.<br />
Im Vergleich zur frauenspezifischen<br />
Produktwerbung der 1960er-Jahre setzt<br />
Werbung heute vermehrt auf verschiedene<br />
Aspekte feministischer Anliegen,<br />
oft verbunden mit dem Hinterfragen von<br />
Rollenbildern. Nicht das Verkaufen des<br />
Produkts steht in erster Linie im Fokus,<br />
sondern die Marke selbst und deren Beitrag<br />
zu einer Veränderung der Welt. Je<br />
nach Machart soll die Werbung somit<br />
nicht nur die Umsätze steigern, sondern<br />
auch einen Diskurs anstossen.<br />
Eines der bekanntesten Beispiele:<br />
Dove’s «Real Beauty»-Kampagne, die ein<br />
neues Selbstverständnis von Schönheit<br />
Das Kosmetikunternehmen Dove lancierte<br />
2004 mit «Real Beauty» eine der<br />
bekanntesten und erfolgreichsten Kampagnen<br />
in Sachen Femvertising –<br />
und konnte damit seinen Umsatz um<br />
1,5 Milliarden Dollar steigern.<br />
Acht Tipps, um «Pinkwashing»<br />
eines Unternehmens<br />
zu erkennen<br />
1. Sind Frauen im Verwaltungsrat<br />
und Management des Unternehmens<br />
repräsentiert?<br />
2. Gibt es transparente Standards<br />
zur Lohngleichheit ?<br />
3. Hat das Unternehmen Frauen<br />
auf verschiedenen Ebenen in<br />
der Organisation?<br />
4. Nimmt das Unternehmen<br />
Zulieferer in Bezug auf Gleichberechtigung<br />
in die Pflicht?<br />
5. Gibt es Unconscious Bias<br />
Trainings im Unternehmen?<br />
6. Gibt es Mutterschafts- und<br />
Vaterschaftsurlaub sowie<br />
Teilzeitarbeitsmöglichkeiten?<br />
7. Hat das Unternehmen nicht<br />
diskriminierende Rekrutierungsprozesse?<br />
8. Wird das Objektivieren von<br />
Frauen im Marketing aktiv<br />
vermieden?<br />
und Selbstwahrnehmung propagiert –<br />
und ein voller Erfolg wurde: Seit dem<br />
Start der Kampagne im Jahr 2004 konnte<br />
das Unternehmen seinen Umsatz um<br />
etwa 1,5 Milliarden Dollar steigern.<br />
Und auch andere Marken nehmen<br />
das Thema auf. So lancierte der Spirituosen-Hersteller<br />
Diageo mit Jane Walker<br />
das weibliche Pendant zu Johnnie Walker,<br />
Always warb mit der «#LikeAGirl»-<br />
Kampagne, Gilettes mit dem Slogan<br />
«We believe». In New York stellte sich<br />
an der Wallstreet State-Streets #fearlessgirl<br />
dem «Charging Bull» entgegen, und<br />
in der Schweiz wurde erst kürzlich die<br />
#Fuck Expectations-Kampagne von<br />
Tally Weijl ins Leben gerufen.<br />
Der Feminismus scheint in der Werbung<br />
angekommen. Doch: Oft genug<br />
bleibt es bei Worthülsen. Das muss nicht<br />
sein, wie etwa die Aktion «The Dress for<br />
Respect» von Schweppes Brasilien zeigt.<br />
Ziel der Kampagne: die Bevölkerung auf<br />
den Missstand aufmerksam zu machen,<br />
dass 86 Prozent der brasilianischen<br />
Frauen in Nachtclubs regelmässig belästigt<br />
werden. Der Getränkehersteller<br />
schickte daraufhin drei Frauen mit einem<br />
speziell angefertigten digitalen, sensorischen<br />
Kleid für einen Abend in den Club.<br />
Das Ergebnis: In nur vier Stunden wurden<br />
die Frauen insgesamt 157-mal begrapscht<br />
– umgerechnet knapp 40-mal pro Stunde.<br />
Eine Message mit Wirkung – und vor allem<br />
Aufklärungskraft.<br />
Gesteigerte Kaufkraft befeuert<br />
Kommerzialisierung<br />
Trotzdem spielt beim erhöhten Fokus<br />
auf feministische Inhalte auch der wirtschaftliche<br />
Faktor eine grosse Rolle. Drei<br />
Entwicklungen tragen massgeblich dazu<br />
bei: 1. Frauen gewinnen als kaufkräftige<br />
Zielgruppe immer mehr an Bedeutung.<br />
Der Wiedereintritt ins Berufsleben, neue<br />
Karrieren und Unternehmertum führen<br />
zu gesteigertem Einkommen – und damit<br />
gesteigerter Kaufkraft. Gemäss Schätzungen<br />
könnten bis 2024 circa 97 Billionen<br />
Dollar in Frauenhand liegen. Zudem<br />
zeigen Daten, dass Frauen bereit sind, bis<br />
zu 13 Prozent mehr für Produkte auszugeben<br />
als Männer. 2. Junge Kundinnen sind<br />
nicht mit inhaltslosen Slogans, die nur<br />
auf Produkte zielen, zu begeistern. So sagen<br />
83 Prozent der jüngeren Kundinnen,<br />
dass es für sie wichtig sei, Produkte von<br />
Fotos: imago/Marc Schüler<br />
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