Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sexualität<br />
Ein Penis muss dafür hart werden, eine<br />
Vagina weich und offen. Das heisst, dass<br />
die Geschlechter gerade auf dem Weg zu<br />
Geschlechtsverkehr oft in einem komplett<br />
anderen Film stecken. Die Gleichberechtigungsbewegung,<br />
die ich unterstütze,<br />
anerkennt Unterschiede und gibt<br />
allen eine Stimme. Übrigens auch jenen,<br />
die sich weder mit dem Konzept Mann<br />
noch dem Konzept Frau identifizieren.<br />
Warum sollten wir Unterschiede wegdiskutieren,<br />
wenn wir auch ihr Potenzial<br />
nutzen können?<br />
Wo liegt denn genau dieses Potenzial?<br />
Unterschiede können spannend und<br />
inspirierend sein. Wenn ich überall nur<br />
eine Version von mir selbst antreffe,<br />
dann ist das langweilig. Guter Sex lebt<br />
immer auch vom Spiel mit Polaritäten.<br />
Aktiv und passiv. Geben und Nehmen.<br />
Dominanz und Hingabe.<br />
CAROLINE FUX<br />
Caroline Fux (40) hat Psychologie,<br />
Psychopathologie und Linguistik<br />
studiert und einen Master in Sexologie.<br />
Fast zehn Jahre lang be antwortete sie<br />
für «Blick» Fragen zum Thema<br />
Liebe, Sex und Beziehungen. Seit 2021<br />
ist sie selbständig. Caroline Fux lebt<br />
mit ihrem Mann in Zug.<br />
Geht es in der Gleichberechtigung<br />
nicht genau darum, dass es in der<br />
Sexualität keinen Platz mehr hat für<br />
Dominanz?<br />
Moment. Dominanz und Übergriffigkeit<br />
sind zwei sehr verschiedene Dinge. Das<br />
muss man trennen. Das Kraftvolle,<br />
Bestimmende oder eben das Verletzliche,<br />
Hingegebene ist für ganz viele Männer<br />
und Frauen etwas extrem Schönes und<br />
Wichtiges beim Sex. Gerade weil diese<br />
Dinge aber in der aktuellen Diskussion<br />
oft in den gleichen Topf mit Gewalt oder<br />
dröger Passivität geworfen werden, sind<br />
viele Menschen extrem verunsichert.<br />
Wie zeigt sich diese Verunsicherung?<br />
Von Männern höre ich oft die Klage,<br />
dass sie nicht mehr wissen, was überhaupt<br />
noch gestattet ist. Das ist nachvollziehbar.<br />
In den letzten Jahren wurde<br />
leider viel mehr darüber gesprochen,<br />
was nicht erwünscht ist, als darüber,<br />
was allen Lust macht. Das hat viele<br />
nachhaltig verunsichert, und sie trauen<br />
sich nicht mehr, aktiv zu werden.<br />
Andere sind, bei allem Respekt, vor<br />
allem beleidigt, dass ihnen Privilegien<br />
gestrichen werden oder dass sie sich<br />
halt umgewöhnen müssen.<br />
Und bei den Frauen?<br />
Frauen kämpfen auch mit neuen Rollen<br />
und Herausforderungen. Es ist Quatsch,<br />
dass über ihnen jetzt einfach der Vorteilstopf<br />
ausgeschüttet wird. Es gibt immer<br />
noch viele strukturelle Probleme.<br />
In Bezug auf lustvolle Sexualität sind<br />
sie sich bewusst geworden, dass ihr Verhältnis<br />
zum Thema, zu ihrem Körper<br />
und zu ihrer Lust noch lange nicht da<br />
ist, wo sie es gern hätten. Einige hadern<br />
auch damit, dass sie unerwünschte<br />
Fantasien haben.<br />
Was für Fantasien?<br />
Das kann mit der Sehnsucht nach dem<br />
grossen, starken Mann anfangen. Dann<br />
machen sie sich Vorwürfe, weil so etwas<br />
überhaupt hochkommt. Oder sie haben<br />
Fantasien, wie sie gegen ihren Willen<br />
genommen werden. Vielleicht bereiten<br />
sogar Vergewaltigungsszenarien Lust.<br />
Für viele ist das massiv verstörend und<br />
unfeministisch. Aus sexologischer Sicht<br />
gehört das zum normalen Spektrum.<br />
Aber diese Frauen haben Angst, dass →<br />
81