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1789<br />
Beginn der Frauenbewegung: Die<br />
französische Revolutionärin Olympe de<br />
Gouges fordert zwei Jahre nach der<br />
Erklärung der Männer- und Bürgerrechte<br />
dieselben Rechte auch für Frauen.<br />
Vergebens. Vom Revolutions tribunal<br />
wird sie 1793 zum Tode verurteilt und<br />
durch die Guillotine enthauptet.<br />
Es hätte alles anders kommen können.<br />
Vor genau 135 Jahren hatte die<br />
Schweiz die Möglichkeit, zur Vorreiterin<br />
für Frauenrechte zu werden.<br />
Im Jahr 1886 forderte die Juristin Emilie<br />
Kempin-Spyri ihr Recht auf Gleichstellung,<br />
da ihr das Anwaltspatent als Frau<br />
verwehrt wurde. Dagegen legte sie vor<br />
dem Bundesgericht eine staatsrechtliche<br />
Beschwerde ein. Ihr Argument: Artikel 4<br />
der damaligen Bundesverfassung – «Alle<br />
Schweizer sind vor dem Gesetze gleich»<br />
– umfasse schliesslich beide Geschlechter.<br />
Doch: Das Bundes gericht wies die<br />
Beschwerde ab. Die Forderung einer<br />
rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter<br />
sei zwar ebenso neu als kühn;<br />
könne aber nicht gebilligt werden.<br />
Der «Fall Kempin» stellt einen der ersten<br />
Leitentscheide zur Gleichstellung in<br />
der Schweiz dar – und steht für viele weitere<br />
Niederlagen der Frauen. Jahrzehntelang<br />
sollten sie in der Folge erfolglos für<br />
gleiche Rechte petitionieren, demonstrieren,<br />
streiken und nach Bern marschieren.<br />
Erst am 7. Februar 1971 führte die Schweiz<br />
das Frauenstimmrecht durch eine Volksabstimmung<br />
ein – als eine der letzten<br />
Nationen weltweit. Bis zur Gleichstellung<br />
der Geschlechter in der Bundesverfassung<br />
sollte es gar bis 1981 dauern.<br />
Im Jubiläumsjahr zu 50 Jahren Frauenstimmrecht<br />
und 40 Jahren Gleichstellungsartikel<br />
stellt sich einmal mehr die<br />
Frage: Warum brauchte die Schweiz<br />
dafür so lange?<br />
Otto Baumberger, 1920, Wollt Ihr solche Frauen? © 2021, ProLitteris, Zurich<br />
1868<br />
Erste Frauenrechtlerin der Schweiz:<br />
Marie Goegg-Pouchoulin gründet<br />
1868 die erste internationale<br />
Frauenorganisation.<br />
1886<br />
Der «Fall Kempin»: Das Bundesgericht<br />
lehnt eine Beschwerde der<br />
Juristin Emilie Kempin-Spyri ab.<br />
Sie fordert Gleich berechtigung,<br />
weil ihr als Frau das Anwaltspatent<br />
verwehrt bleibt.<br />
1896<br />
Die Frauenbewegung formiert sich:<br />
Erster Kongress für Fraueninteressen<br />
wird in Genf durchgeführt.<br />
1918<br />
Klare Forderungen: Die Einführung<br />
des Frauenstimmrechts ist eine<br />
der zentralen Forderungen des<br />
Landesstreiks.<br />
1919–21<br />
Erste kantonale Abstimmung zum<br />
Frauenstimmrecht: Das Plakat mit der<br />
Nein-Parole und dem Ungeheuer darauf,<br />
zu dem Frauen in der Politik angeblich<br />
werden würden, gestaltet von<br />
Otto Baumberger, wurde in Basel-Stadt<br />
und Zürich eingesetzt.<br />
Fragt man Gleichstellungsexpertinnen,<br />
Historikerinnen und Politikerinnen,<br />
wie sie zum Jubiläumsjahr stehen, ist der<br />
Tenor eindeutig: Es gibt keinen Grund<br />
zum Feiern. «Für mich gibt es nichts zu<br />
jubilieren, sondern viel zu reflektieren»,<br />
sagt Elisabeth Joris. Die 75-jährige Zürcher<br />
Historikerin gehört zu den profiliertesten<br />
Kennerinnen der Schweizer Frauengeschichte.<br />
Sie will gleich mit einem<br />
Missverständnis aufräumen. Nämlich<br />
dem, dass die Schweiz das Klischee des<br />
Plakate: Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, ZHdK; Fotos: Gosteli-Stiftung, AGoF Fotosammlung A/226, Keystone/Photopress-Archiv/Str, Public Domain<br />
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