Ami du Vin 1/22-D
Offizielles Organ der Schweizerischen Vereinigung der Weinfreunde ANAV
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auch ein schöner Chablis, ein Sancerre oder ein Sauvignon
blanc aus der Steiermark auf der Karte zu finden sein.
Auf der Suche nach dem perfekten Einklang
Eine breite Weinauswahl hilft bei der Auswahl der geeigneten
Weine zum Essen. Für Marco Franzelin ist bei der Weinbegleitung
zum Menu die Dramaturgie wichtig. «Es darf nicht immer
viel Gerbstoff oder Säure sein, zwischendurch muss auch
ein sogenannter Wohlfühlwein Platz haben. Und zum Hauptgang
darf es ruhig ein zehnjähriger Wein sein.» Für Vinzenz
Greving ist die Weinbegleitung nach seinen eigenen Angaben
recht herausfordernd. Dafür verantwortlich sind die zwei
kulinarischen Ausrichtungen des The Chedi Andermatt, nämlich
die asiatische und die europäische. «Die Weinmöglichkeiten
sind entsprechend vielfältig. Weisswein, insbesondere ein
Riesling, passt grundsätzlich aber immer gut zu asiatischem
Essen», schildert er. Erfreulich sei, so erzählt Vinzenz Greving,
dass sich die Gäste meist recht gut ausdrücken können, wie
der Wein, den sie mögen, sein sollte. Sei dies nicht der Fall, so
grenze er langsam ein, von rot oder weiss, über Lieblingsregion
bis zu säurebetont oder lieblich. Werde er um eine Empfehlung
gebeten, so schlage er meist drei verschiedene Weine vor und
beginne mit dem preislich günstigsten Wein. Erhalte er von den
Gästen ein Signal, dass es auch etwas mehr kosten dürfe, so
schlage er auch einmal eine Rarität vor.
Schwierig werde es, wenn der Gast vermeintlich unkompliziert
auffordere, einfach mal etwas vorzuschlagen, schildert Marco
Franzelin. «In diesem Fall ist besonders viel Empathie gefragt.
Ich frage dann meist, nach was er Lust habe, schlage eine
Rebsorte vor und lasse den Gast immer probieren, bevor er
sich entscheiden muss», schildert Marco Franzelin sein Vorgehen.
Seine Aufgabe sei herauszufinden, was dem Gast
schmeckt. In einem Drei-Sterne-Restaurant seien die Gäste
oft experimentierfreudig und hätten Vertrauen in die Empfehlung.
Das zeige sich auch daran, dass 85 Prozent der Gäste
die Weinbegleitung zum Menu wähle.
Das Richtige für Mann und Frau
Die Entdeckungsfreude gegenüber dem Wein sei auf beide
Geschlechter verteilt, finden beide Sommeliers. Allerdings
würden die Frauen die Verantwortung für die Weinauswahl
eher abgeben und der Herr suche dann etwas aus, was beiden
schmeckt, schildert Marco Franzelin. «Bei jüngeren Paaren
findet jedoch ein Austausch statt, bevor sie sich für einen
Wein entscheiden.»
Bevor Marco Franzelin die Weine der Menubegleitung aussucht,
öffne er sie jeweils am Mittwoch und probiere davon täglich bis
am Sonntag, um zu beobachten wie sich der Wein entwickle
und um so die Qualität beurteilen zu können. Beide Sommeliers
degustieren jeden Wein, bevor er dem Gast gereicht wird.
Dass sich darunter auch hochkarätige Weine befinden, wie
etwa ein Romanée-Conti, sei grandios, berichtet Vinzenz Greving.
Privat trinkt er selten Wein und er ist eher durch Zufall zum
Wein gekommen. Während seiner Fachausbildung in Stuttgart
in einem Ein-Sterne-Restaurant kam er mit Käse und Wein in
Berührung, was ihn faszinierte. Deshalb behagt ihm auch die
grosse Käseauswahl aus dem Käseturm im The Chedi Andermatt.
Während seiner Tätigkeit in einer italienischen Weinhandlung
reifte in ihm die Idee, in einem Schweizer Tophotel wie
dem The Chedi Andermatt zu arbeiten. Dieses Ziel verfolgte er
erfolgreich und gelangte so in die Berge, wo es ihm sehr gefällt.
Auch Marco Franzelin ist weder regional noch familiär vom
Wein geprägt. In Schleswig-Holstein aufgewachsen wollte er
zuerst Koch werden, entschied sich dann für eine Doppellehre,
bei der zwei Jahre in der Küche und zwei Jahre im Service zu
absolvieren sind. Der Maître de Service nahm ihn jeweils zum
Verkosten zu den Winzern mit. «Als 15-jähriger Auszubildender
von Winzer Leo Hillinger angesprochen zu werden, hat mich
schon beeindruckt», erinnert er sich.
Beraten, ohne zu belehren
Mit sogenannten Etiketten-Trinkern gehen beide Sommeliers
entspannt um. Es sei doch einfach, wenn jemand genau wisse,
was er trinken wolle. «Fragt ein Gast nach, ob er wohl diesen
teuren Wein trinken solle, würde ich mir nie anmassen, ihm
etwas völlig anderes zu empfehlen», berichtet Marco Franzelin.
«Der Grat zwischen einer Empfehlung und einer Belehrung
ist manchmal sehr schmal.» Wenn die Empfehlung jedoch auf
Begeisterung stösst, die Gäste strahlend den Wein und die
Kombination zum Menu loben, so ist das für Vinzenz Greving
erfüllend. Für Marco Franzelin ist die Erfüllung, den Gästen ein
schönes Erlebnis bieten zu können, das sie für ein paar Stunden
den Alltag vergessen lasse.
chp
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