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<strong>22</strong> · Politik <strong>07</strong>/20<strong>22</strong><br />
SOMMERSESSION IM EINDRUCK<br />
DES RUSSISCHEN ANGRIFFSKRIEGS<br />
Das grösste Verbrechen unserer Zeit – der<br />
russische Angriffskrieg gegen die Ukraine –<br />
prägt nicht nur das Weltgeschehen, sondern<br />
auch die Bundespolitik. In der vergangenen<br />
Sommersession beschäftigte sich der Ständerat<br />
mit verschiedenen Themen, die mit<br />
diesem Krieg besonders aktuell wurden. Der<br />
Ständerat unterstützte eine schrittweise Erhöhung<br />
des Armeebudgets und den raschen<br />
Ersatz unserer alten Kampfflugzeuge. Ich befürwortete<br />
beides. Der konventionelle Krieg<br />
ist zurück in Europa. Eine glaubwürdige Armee<br />
ist unsere ultimative Sicherheitsreserve<br />
und sich nur darauf zu verlassen, dass uns die<br />
Nachbarn dann schon verteidigen, wäre unsolidarisch.<br />
Wichtig scheint mir, dass wir künftig<br />
auch militärisch verstärkt mit befreundeten<br />
Staaten zusammenarbeiten, immer aber in<br />
den Grenzen des Neutralitätsrechts. Auch<br />
dass der Bundesrat bald einen aktualisierten<br />
Neutralitätsbericht vorlegt, unterstütze ich –<br />
der letzte stammt aus dem Jahre 1993. Ebenfalls<br />
vom Krieg beeinflusst waren Debatten<br />
über die Absicherung von Schweizer Stromversorgern<br />
und über Entlastungsmassnahmen<br />
für verschiedene Wirtschaftsteilnehmer.<br />
Ich war beiden gegenüber skeptisch, wenn<br />
auch nicht ganz verschlossen. In einer freiheitlichen<br />
Wirtschaftsordnung müssen wir<br />
mit solchen Eingriffen vorsichtig sein. Zwei<br />
weitere grosse Themen hatten mit dem Krieg<br />
hingegen gar nichts zu tun: Einen Misserfolg<br />
erlebte die Reform der beruflichen Vorsorge.<br />
Eine solche Reform bietet gerade Frauen viele<br />
Chancen zur besseren Absicherung im Alter.<br />
Sie zielt auf mehr Fairness gegenüber Jungen<br />
ab, die ohne Reform eines Tages die Zeche der<br />
steigenden Lebenserwartung alleine bezahlen<br />
müssten. Ich hätte die Reform gerne beraten,<br />
aber leider wies sie eine Mehrheit zurück, so<br />
dass wir mindestens ein Quartal an Zeit verlieren.<br />
Ein Erfolg war hingegen die Reform des<br />
Sexualstrafrechts. Hierfür hatte ich mich an<br />
vorderster Front eingesetzt und den neuen<br />
Tatbestand des «sexuellen Übergriffs» in der<br />
Kommission «miterfunden». Eine Frau muss<br />
neu nicht mehr belegen, dass sie sich gewehrt<br />
hat, damit ein Sexualstraftäter hart bestraft<br />
werden kann. Diese «Nein heisst Nein»-Lösung<br />
ist streng und deckt alle denkbaren Fälle<br />
ab. Ein noch weitergehendes «Ja ist Ja» würde<br />
keinen Mehrwert bringen – aber im Gegenteil<br />
Rechtsunsicherheit. Ebenfalls ein Erfolg war,<br />
dass beide Räte eine Steuerstrafe abgeschafft<br />
haben, die Personen mit gewissen Lebensversicherungen<br />
benachteiligt haben. Auslöser<br />
war eine Motion von mir, die ich vor fast zehn<br />
Jahren als Nationalrat eingereicht hatte. Die<br />
Berner Mühlen verlangen Geduld. Schliesslich<br />
habe ich eine parlamentarische Initiative eingereicht,<br />
damit auch die Schweiz einen «Pacte<br />
civil de solidarité» (Pacs) erhält, wie ihn viele<br />
Länder schon kennen: Ein Pacs ist ein «Konkubinat<br />
plus», das gerade jungen oder älteren<br />
Paaren Beistand und Rechtssicherheit verschafft.<br />
Dank dem Ende der Corona-Massnahmen<br />
konnten wir auch wieder Momente der Geselligkeit<br />
und des persönlichen Austausches<br />
erleben, sei es an den Feiern für die Nationalratspräsidentin<br />
im Aargau oder des Ständeratspräsidenten<br />
in Glarus, oder aber mit<br />
dem parlamentarischen Tennisclub bei einem<br />
spannenden Rasen-Match oder – mein persönliches<br />
Highlight – am Liederabend mit der<br />
Bundeshaus-Band: Wie erholsam und faszinierend<br />
ist es, parteiübergreifend zu singen!<br />
<br />
<br />
Andrea Caroni, Ständerat AR<br />
SESSIONSRÜCKBLICK<br />
VON NATIONALRAT DAVID ZUBERBÜHLER<br />
Mit den Schlussabstimmungen am 17. Juni haben<br />
der Nationalrat und der Ständerat zehn<br />
Vorlagen unter Dach und Fach gebracht. Darunter<br />
ist eine Anpassung (Lex Booking) im<br />
Gesetz über den unlauteren Wettbewerb und<br />
damit strengere Regeln für Buchungsplattformen,<br />
die Hotelzimmer vermitteln. Die sogenannten<br />
Preisbindungsverträge verbieten<br />
Hotels, die Zimmer auf der eigenen Website<br />
zu günstigeren Tarifen anzubieten. Mit der Anpassung<br />
im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb<br />
können dies Online-Reiseagenturen<br />
nicht mehr. Das ist ein wichtiger Schritt zur<br />
Stärkung der KMU.<br />
Auch die Treibstoffpreise wurden im Rat<br />
diskutiert. Im Dezember 2020 kostete ein Liter<br />
Benzin 1.40 Franken. Nachdem die Preise<br />
für Benzin und Diesel regelrecht explodiert<br />
sind, tanken wir unseren Benziner aktuell<br />
für 2.30 Franken. Für viele ist die Schmerzgrenze<br />
erreicht. Aufgrund der Dringlichkeit,<br />
Familien, den Mittelstand und das Gewerbe<br />
bei den steigenden Benzin-, Diesel- und<br />
Heizölpreisen zu entlasten, hat die SVP<br />
eine ausserordentliche Session einberufen.<br />
Da der Staat über die Mehrwertsteuer von<br />
den höheren Treib- und Brennstoffpreisen<br />
profitiert, forderte die SVP Senkungen bei<br />
den Treibstoffabgaben. Heute fliessen fast<br />
ein Franken pro Liter Benzin in die Staatskasse.<br />
Gefordert wurde auch eine Verdoppelung<br />
des Pendlerabzugs auf maximal 6 000<br />
Franken, um Menschen, welche nicht in<br />
gut erschlossenen Stadtzentren leben, zu<br />
entlasten. Diese Forderung wurde von der<br />
Mehrheit des Parlaments nicht unterstützt.<br />
Ebenfalls lehnte der Nationalrat die Gletscherinitiative<br />
ab, will mit einem indirekten<br />
Gegenentwurf aber das Ziel Netto-Null-<br />
Treibhausgasemissionen bis 2050 gesetzlich<br />
verankern. Die dafür notwendigen Zwangsmassnahmen<br />
kosten 3.2 Milliarden Franken.<br />
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, wenn<br />
der Einsatz von fossilen Brennstoffen und<br />
somit die Abhängigkeit vom Ausland minimiert<br />
werden. Wichtig scheint mir aber,<br />
dass wir eine Alternative haben. Die Abkehr<br />
von fossilen Brennstoffen bedeutet nämlich,<br />
dass wir mehr Strom brauchen. Schon heute<br />
warnen die Behörden aber davor, dass die<br />
Schweiz ab 2025 zu wenig Strom zur Verfügung<br />
haben könnte. Die Energieversorgung<br />
in Sachen Strom ist aktuell nicht sichergestellt<br />
und es scheint, als wolle in Bundesbern<br />
niemand aufzeigen, wie der drohende<br />
Strommangel abgewendet werden könnte.<br />
Solange eine sichere, kostengünstige und<br />
unabhängige Energieversorgung nicht sichergestellt<br />
ist, bringt es meiner Ansicht<br />
nach nicht viel, Rahmengesetze zu machen<br />
und den Heizungsersatz zu fördern. Die Vorlage<br />
geht nun an den Ständerat.<br />
Die von der SP lancierte Volksabstimmung<br />
zur Finanzierung von Prämienverbilligungen<br />
in der Krankenversicherung wurde sowohl<br />
vom Bundesrat als auch vom Nationalrat abgelehnt.<br />
Der Nationalrat will mit einem Gegenvorschlag<br />
die Prämien mit geschätzt 2.2<br />
Milliarden Franken verbilligen. Unverhältnismässig<br />
stark trifft dies Landkantone wie Appenzell<br />
Ausser- und Innerrhoden. Die Vorlage<br />
geht nun an den Ständerat. Eine parlamentarische<br />
Initiative aus der Kommission für Verkehr<br />
und Fernmeldewesen des Nationalrates<br />
(KVF-NR) wollte die bestehenden allgemeinen<br />
Massnahmen zur Medienförderung ausbauen.<br />
Der Nationalrat hat das Geschäft dank der<br />
geschlossenen Ablehnung von SVP und FDP<br />
mit 92 zu 87 Stimmen versenkt. Übrigens:<br />
Einen detaillierten Sessionsrückblick gibt es<br />
nach jeder Sessionswoche auf der Website<br />
www.david.zuberbuehler.ch<br />
David Zuberbühler, Nationalrat AR