36 · Hintergrund <strong>07</strong>/20<strong>22</strong> «BECK MUSS MAN LEBEN – MIT EINEM LACHEN IM GESICHT!» Der Dinkel kommt aus Herisau, das Birnbrot fliegt um die Welt, Glaces und Pralinés sind selbstverständlich hausgemacht. Beck Knöpfel setzt gleichermassen auf Tradition wie Innovation. Eigentlich wollte der gebürtige Hundwiler «Töffmech» werden. Vermutlich aber liege das Bäckersein in seinen Genen. Sein Urgrossvater nämlich war einer, darum der Spitzname «Beckeueli». Nomen est omen und so lernte Emil Knöpfel in der Bäckerei- Konditorei Schläpfer an der Oberdorfstrasse das Handwerk, arbeitete danach im Thurgau und bei der Herisauer Bäckerei Abderhalden. Schon ziemlich bald begleitete ihn der Wunsch nach einem eigenen Betrieb. Vergebens schaute er sich in seinem Wohnort Urnäsch um. Dass er seinen Lehrbetrieb, die traditionsreiche Bäckerei-Konditorei Schläpfer, 2009 von Walter Schläpfer übernehmen konnte, bezeichnet er als neuen Lebensabschnitt. «Ich habe neu begonnen, ohne neu zu beginnen. Der Laden war keinen Tag geschlossen, ein nahtloser Übergang vom alten Chef zu mir also.» Nicht alles lief anfänglich reibungslos. Ein Vorteil hingegen sei gewesen, dass er die bestehende Kundschaft übernehmen konnte, wobei «dies mit dem Druck verbunden war, es gleich und ebenso gut, wenn nicht besser, als mein Vorgänger zu machen». Eine anspruchsvolle Aufgabe, zumal ein Rezept alleine nicht genüge, um die gleichen Resultate zu erreichen. Seither sind über zehn Jahre vergangen und die Bäckerei- Konditorei im «Sternen» heisst heute nicht mehr Schläpfer, sondern Knöpfel. Vieles hat sich geändert: das umfangreiche Sortiment an Broten, Kuchen und Torten etwa wurde laufend erweitert. Geblieben sind: Die handgemachten Osterhasen (1 500 waren es in diesem Jahr), die grosse Auswahl an Pralinés, Spezialitäten wie Hosechnöpf, Nidelzeltli, Biber oder Birnbrot. Dieses fliegt übrigens um die ganze Welt. Bereits unter der Ägide von Walter Schläpfer belieferte die Bäckerei die auf Airline-Catering spezialisierte Firma Gategourmet mit ihrem Birnbrot. Waren es anfänglich nur ein paar wenige, so sind es heute rund 4 500 Stück pro Monat. Als während des Lockdowns die Flugzeuge am Boden blieben, habe ihm die Arbeit für einen Mitarbeitenden gefehlt. Jemanden zu entlassen, wäre eine Möglichkeit gewesen. Er löste das Problem mit einem zusätzlichen offenen Tag. Seither hat die Bäckerei Knöpfel auch montags geöffnet – und dies bleibt vorläufig so, auch wenn ihr Birnbrot schon längst wieder in Flugzeugen serviert wird. Seine Produkte offeriert er auch im Oberdorfkafi, welches seine Frau Emmi und er vor gut sieben Jahren eröffnet haben. Reich werde er damit nicht. Für ihn sei es ein Dienst an der Bevölkerung, die beiden schön gelegenen Terrassen würden sehr geschätzt. Neben Bäckerei- und Konditoreiprodukten aus dem Laden, einer grossen Auswahl an hausgemachten Glaces und einfachen Snacks wird jeden Mittag ein Menü angeboten. Anfänglich habe er gekocht, doch mit der Zeit wurde es immer mehr, deshalb wurde eine Köchin eingestellt. Ob er es je bereut habe, Bäcker geworden zu sein? «Sicher! Als junger Mensch bereut man dies immer mal wieder.» Der Beruf erschwere das soziale Leben, das Mitwirken in einem Verein. Später, als Familienvater hätte er hingegen die Vorzüge seiner Arbeitszeiten genossen, sei er doch oftmals zuhause gewesen, wenn seine drei heute erwachsenen Kinder aus der Schule gekommen seien. So oder so: «Beck muss man leben!» Und das tut er. Morgens um halb zwei aufstehen? «Kein Problem und mit einem Lachen im Gesicht.» Seine optimistische Grundeinstellung übertrage sich auf seine Mitarbeitenden und ein gutes Betriebsklima sei die Basis für jeden Betrieb. Positiv sieht er auch seine Mitbewerber im Dorf. «Konkurrenz bedeutet die Herausforderung, nicht nur gut zu sein, sondern stets besser zu werden und innovativ zu sein.» Das heisse nicht, dass er jedem Trend folge oder stetig Neues im Angebot habe. Sein Sortiment sei so gross, dass er gut abwechseln könne. Mit dem «Brot des Monats» versuche er bestehende oder auch neue Brote zu fördern. Und mit dem Herisauer Grüessli habe er ein ideales Mitbringsel kreiert – für Herisauer*innen wie für Auswärtige. Ob im Laden oder im Oberdorfkafi: Emil Knöpfels Philosophie zieht sich durch. Wichtig sind ihm saisonale und regionale Produkte. «Erdbeeren, nur dann, wenn sie im Rheintal reif sind, Zimtpralinés zu Weihnachten oder Pfannkuchen während der Fasnacht.» Die Rohstoffe kommen möglichst aus der Schweiz. Das Mehl zu hundert Prozent, der Dinkel sogar aus Herisau. Bei der Schokolade ist für Emil Knöpfel klar, dass er nur Fair-Trade- Produkte verarbeitet. «Jeder sollte von seiner Arbeit leben können.» Abschliessend ein Blick in die Zukunft. Gedanken, wie es mit seinem Geschäft später einmal weitergehen soll, mache er sich schon, zumal sich keines seiner Kinder für den Beruf des Bäckers, der Bäckerin entschieden hätten. Sorgen aber würde ihm anderes bereiten. Die allgemeine Weltlage, oder die Emil und Emmi Knöpfel vor ihrem Geschäft an der Oberdorfstrasse, welches seit dem Lockdown sieben Tage geöffnet ist. (Bild: es) vielen unzufriedenen Menschen in unserem Land – und «dies, obwohl wir im Paradies leben». Bedrücken würde ihn auch die Tatsache, dass immer weniger junge Menschen ein Handwerk erlernen möchten. Er selber beschäftigt derzeit drei Lernende, gerne würde er mehr ausbilden, habe aber auf diesen Sommer hin niemanden gefunden. Für ihn ist klar: «Man darf nicht über Fachkräftemangel jammern, wenn man selber nicht ausbildet.» Spricht’s und schenkt seine Aufmerksamkeit einer Lernenden. Eva Schläpfer
<strong>07</strong>/20<strong>22</strong> Herisau im Juni · 37 HERISAU FEIERT KINDERFEST (Bilder: Luciano Pau)