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unternehmen Fertigung nach Maß Jedes Messgerät von Accurion ist letztlich eine Einzel anfertigung, die individuelle Ansprüche der Kunden berücksichtigt. Rund zwei bis drei Monate braucht es insgesamt – von der Bestellung und Materialbeschaffung über den mehrwöchigen Zusammenbau bis zum Versand. LESEZEIT: 7 MINUTEN Accurion ist eines ,der‘ Mess technik-Unternehmen des Measurement Valley, die sich ein weltweites Alleinstellungs merkmal erarbeitet haben: Keiner ist so gut darin wie die Göttinger, Oberflächen mit der Dicke von nur einem Molekül auf flüssigen oder festen Materialien zu vermessen und die Messung auch noch schwingungsfrei durchzuführen. Samsung und Apple beispielsweise bauen mithilfe der Accurion-Messtechnik Funktionsschichten für ihre Displays, die aus über 100 verschiedenen ultradünnen Schichten mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften bestehen. Auch Nobelpreisträger Stefan Hells Mikro skoptechnik setzt die Schwingungsisolation von Accu rion ein, ebenso wie Einrichtungen, die mit künstlicher Befruchtung arbeiten. HERVORGEGANGEN IST ACCURION 1991 aus der Entwicklung eines wissenschaftlichen Messgerätes am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, die zur der Ausgründung unter dem Namen Nanofilm führte. Später kam noch die Neugründung Halcyonics hinzu. Von den ursprünglich fünf Gründern verblieben am Ende drei: Dirk Hönig, Marcus Liemen und Stephan Ferneding. Nach dreißig Jahren im Unternehmen stellten diese sich die Frage, wie es weitergehen soll. Die Pläne, das Unternehmen zu verkaufen, gab es dabei schon länger. Nanofilm verkaufte hauptsächlich Einzelgeräte an Forschungseinrichtungen und -abteilungen. Da die Geräte eine sehr lange Lebenszeit haben, wuchs sich eine Phase schwacher Nachfrage 2008 zu einer Insolvenz aus. Halcyonics übernahm die Nanofilm und fusionierte mit ihr 2009 zur heutigen Accurion. „Damals gab es erste Überlegungen zu einem Verkauf, aber es war nicht der richtige Zeitpunkt“, erzählt Stephan Ferneding heute. „Wir wollten das Unternehmen erst wieder aufbauen und zum Laufen bringen.“ Das hat rund zehn Jahre gedauert. „Wir haben uns im Gesellschafterkreis 2018 darauf geeinigt, dass wir versuchen, drei gute Jahre nacheinander hinzulegen, und uns dann gezielt nach einem strategischen Partner umsehen.“ Dem weiteren Wachstum von Accurion waren aufgrund der geringen Unternehmensgröße hingegen Grenzen gesetzt. In ihrem Bereich der schwingungsfreien Schichtdickenmessung ist die Firma praktisch konkurrenzlos unterwegs, aber es ist ein Nischenmarkt. „Deswegen wollten wir schon länger in den industriellen Bereich einsteigen, um so mehr Einheiten am Stück verkaufen zu können. Aber das haben wir alleine gar nicht geschafft – wir waren zu klein und konnten den weltweiten Service gar nicht liefern“, sagt Ferneding. 43 Mitarbeiter hat Accurion heute, darunter einen Servicetechniker. „Damit werden Sie von den großen Produzenten gar nicht ernst genommen“, so der Geschäftsführer. Er sei jetzt 57. Und bei einem Verkauf müsse man für eine Übergangsphase ohnehin noch ein paar Jahre dabeibleiben. „Die letzten waren für uns sehr erfolgreich, deswegen ist jetzt ein guter Zeitpunkt gewesen“, erklärt der Jurist. Also wurden ein Businessplan erstellt, eine Story entwickelt und potenzielle Kontakte identifiziert. Doch bevor die richtig losging, klingelte 2021 bereits Park Systems an der Tür. DIE PARK SYSTEMS AG hat einen ähnlichen Hintergrund wie Accurion: Auch sie ist als klassische Garagenfirma im Silicon Valley gestartet. Heute hat sie ihren Sitz in Südkorea und ist mit über 400 Mitarbeitern im Halbleiterbereich in der Qualitätssicherung tätig – mit einzigartigen automatisierten Rastersondenmikroskopen, die mit atomarer Auflösung arbeiten. „Mit unserer Technologie wollen sie die nächste Messtechnikgeneration in der Qualitätskontrolle einführen“, erzählt Ferneding. Park bringt genau das mit, was Accurion fehlt: eine weltweite Servicestruktur und einen Zugang zu diesem Markt. Der Tipp, auf Accurion zuzugehen, kam von Parks Kunden Samsung. „Die haben über unsere Technologie gesagt, dass sie gut ist, und wenn es einer hinbekommt, die immer kleiner werdenden Strukturen im Halbleiterbereich zu vermessen, dann seien wir das“, so Ferneding. „Allerdings seien wir zu klein, aber falls Park uns übernehme, könne man sich eine weitere Zusammenarbeit vorstellen.“ Der erste Kontakt entstand auf Arbeits ebene mit Überlegungen für ein gemeinsames Entwicklungsprojekt. Im Laufe der ersten Gespräche kam dann schnell die Frage auf, ob sich Accurion auch eine engere Kooperation vorstellen könne oder sogar eine Übernahme möglich wäre. „ZU DIESEM ZEITPUNKT GAB ES dann auch schon weitere Anfragen von anderen Unternehmen“, sagt Ferneding. Die Vorstellungen unterschieden sich jedoch deutlich: „Teilweise waren Standortverlagerungen geplant, andere 4 |<strong>2022</strong> 37