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WASWURDEAUS …<br />
… PAUL SCHILLER?<br />
TEXT HANS HUBER<br />
„Ich habe die ganze Welt gesehen“<br />
Er war wahrlich keine Pfeife<br />
mit der Pfeife: Paul Schiller,<br />
am 13. März unglaubliche 92<br />
Jahre und noch immer voller<br />
Elan und Erinnerungen.<br />
Als einer der österreichischen Spitzenschiedsrichter<br />
in den Legendenklub<br />
des ÖFB aufgenommen, kann<br />
er auf ein buntes Leben verweisen.<br />
So wie er auf einem Werbeplakat<br />
für Referees ankündigte: „Werdet Schiedsrichter<br />
– ich habe als Schiedsrichter die ganze<br />
Welt gesehen!“<br />
Das hat er in der Tat, alle Spiele seiner<br />
Karriere hat er fein säuberlich in dicken Ordnern<br />
vermerkt. Zeitungsausschnitte dokumentieren<br />
seinen Weg an die österreichische<br />
und internationale Spitze. Eine beeindruckende,<br />
lange Liste an Spielen, an die er<br />
sich genau und gern zurückerinnert. 1954<br />
absolvierte er die Schiedsrichterprüfung, ab<br />
1960 leitete er 221 Meisterschaftsspiele in<br />
der obersten österreichischen Spielklasse,<br />
darunter achtmal das Wiener Derby zwischen<br />
Rapid und Austria.<br />
1963 wurde er von Fritz Seipelt, seinem<br />
Mentor, auch auf die FIFA-Liste gesetzt und<br />
pfiff bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden<br />
1976 zahlreiche Spitzenmatches, darunter<br />
das Wiener Finale zwischen Manchester<br />
City und Gornik Zabrze (2:1) im Bewerb der<br />
Pokalsieger 1970 und das UEFA-Cup-Final-<br />
Rückspiel zwischen Borussia Mönchengladbach<br />
und Twente Enschede (5:1) 1975 oder<br />
auch das Supercupfinale zwischen Anderlecht<br />
und Bayern München 1976 in Brüssel<br />
(4:1). Dazu noch 25 Länderspiele, wie im<br />
Rahmen der „Mini-Copa“ Jugoslawien vs.<br />
Argentinien (1972) vor 180.000 Zuschauern<br />
im legendären Maracanã von Rio oder bei<br />
den Olympischen Spielen 1976 in Montreal<br />
Brasilien gegen Spanien.<br />
Was fehlt, ist eine EM oder WM. 1972<br />
wurde für die Leitung des EM-Finales beim<br />
Triumph Deutschlands über die UdSSR Ferdinand<br />
Marschall vorgezogen. Zwei Jahre<br />
später bei der WM in Deutschland fiel die<br />
Wahl auf Landsmann Erich Linemayr: „Er<br />
war ein hervorragender Referee, vielleicht<br />
eben ein bisschen besser.“<br />
Dennoch erregte er mit einem Weltmeister<br />
internationales Aufsehen. Bei einem<br />
GEPA-PICTURES.COM<br />
Freundschaftsspiel zwischen der Austria und<br />
Manchester United im August 1966 in Wien<br />
schloss Schiller den als Raubein bekannten<br />
englischen Weltmeister Nobby Stiles, der<br />
kurz zuvor mit England den Titel gefeiert hatte,<br />
nach einer Tätlichkeit aus. Der empörte<br />
Stiles zog sein Trikot aus und bot es Schiller<br />
provokant als „Geschenk“ an. Der lehnte ab,<br />
„obwohl ich von einigen Unternehmen viel<br />
Geld für dieses Leibchen erhalten hätte …“<br />
Nach der aktiven Karriere blieb er dem<br />
Schiedsrichterwesen als Funktionär in vielen<br />
Bereichen, unter anderem als UEFA-Delegierter,<br />
als Besetzungsreferent der Bundesliga<br />
und als Vorsitzender des Wiener<br />
Schiedsrichterkollegiums bis 1987, treu. So<br />
wie in seinem Beruf bei der Firma Siemens,<br />
wo er 46 Jahre lang bis 1988 in verschiedenen<br />
Positionen tätig war.<br />
Heute ist er nach einer Wirbelsäulen-OP,<br />
bei der der Wirbelkanal verletzt wurde, zur<br />
Fortbewegung mit Krücken gezwungen,<br />
dennoch besucht Schiller immer wieder diverse<br />
Legendentreffen und auch einige Länderspiele,<br />
mit besonderem Augenmerk auf<br />
die Schiedsrichter: „Da begrüße ich den VAR<br />
ausdrücklich. Das ist eine große Hilfe!“<br />
Die Stars von Liverpool<br />
oder Borussia Mönchengladbach<br />
tanzten alle nach<br />
seiner Pfeife: Top-Schiedsrichter<br />
Paul Schiller.<br />
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