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GSa163_Sept23_Pausenkulturen

Pausenkulturen

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Thema: <strong>Pausenkulturen</strong><br />

Ein kleines Beispiel aus einer inklusiv<br />

arbeitenden Grundschule könnte<br />

die These bestätigen. Jahrgangsbezogen<br />

dürfen „Inklusionskinder“ in der großen<br />

Pause in der Aula spielen. Jedes „Inklusionskind“<br />

darf ein Kind ohne besonderen<br />

Status mitnehmen. Das Angebot ist<br />

so begehrt, dass sich aufgrund der großen<br />

Attraktivität des besonderen Spielortes,<br />

das Rollenverständnis in der „(Inklusions)-Pause“<br />

vom passiven Benachteiligten<br />

zur aktiven Schlüsselfigur umkehrt<br />

und Anlass für gelebte Inklusion<br />

wird (vgl. dazu auch den Beitrag von<br />

Hoffmann in dieser Zeitschrift).<br />

Für Nachmittagsangebote ist die Nutzung<br />

der Innenräume selbstverständlich<br />

und attraktiv, steht aber oft in Konkurrenz<br />

zum disziplinierenden Bildungsinstitut.<br />

Auch hier sind Freiräume auszuhandeln.<br />

Speiseraum = Mittagstisch plus X<br />

Mit einer gesicherten Schulverpflegung<br />

hat man eine große Hürde auf den Weg<br />

zur Transformation von der Halbtagsschule<br />

zur Ganztagsschule genommen.<br />

Der Bau von Küche und Speiseraum<br />

sind strukturelle Voraussetzungen für<br />

den Ganztag. Das Thema Schulverpflegung<br />

ist aber viel komplexer, als die<br />

Bereitstellung von Funktionsräumen<br />

suggeriert. Schon über Küchentyp, Ausgabesystem<br />

und Organisation ließe sich<br />

viel berichten, von Elternansprüchen<br />

ganz zu schweigen. An dieser Stelle<br />

soll daher nur weitergedacht werden,<br />

was bereits Thema war: Atmosphäre,<br />

Auslastung und Freiraum für Selbstbestimmung.<br />

Aus Sicht des Gebäudemanagements<br />

wird der Reinigungsaufwand die wichtigste<br />

Rolle spielen. Am besten eignen<br />

sich Stühle mit Griffmulde in der Rückenlehne,<br />

die mit einem Handgriff auf<br />

den Tischrand gehoben werden können.<br />

Oder es werden mobile 12er-Klapptische<br />

eingesetzt, sodass das vorhandene Raumangebot<br />

besser für die Schule über die<br />

Schulverpflegung hinaus genutzt werden<br />

kann. Für durchgetaktete Essenseinnahme-Schichten<br />

optimiert, erfüllt der mit<br />

gleichen Tischreihen organisierte Raum<br />

seinen dienenden Zweck. Von Pragmatismus<br />

geleitet, schrumpft aber im gleichen<br />

Maße die Chance auf Atmosphäre<br />

und Aufenthaltsqualität, bis davon kaum<br />

etwas übrig bleibt. In Hamburg haben<br />

Selbstbestimmt mittags Pause machen<br />

(Björn Steffen, Referent für Schulcatering und Mittagsverpflegung, BSB Hamburg)<br />

Die Mittagspause sollte davon gekennzeichnet sein, für sich selbst und das eigene<br />

Wohlergehen Entscheidungen treffen zu können. Fremdbestimmung ist auf ein Minimum<br />

zu reduzieren, Überpädagogisierung zu vermeiden und die individuell unterschiedlichen<br />

Bedürfnislagen sind zu berücksichtigen.<br />

Wenn dies eine gemeinsame Haltung von Schule und Jugendhilfe ist, kann der Speiseraum<br />

für die Mittagsverpflegung an der Ganztagsschule so gestaltet werden, dass<br />

für alle Schüler*innen eine echte Pause mit ganz eigener Qualität entstehen kann. In<br />

einem solchen Setting werden keine Vorschriften gemacht, sondern Rahmenbedingungen<br />

geschaffen, die die Autonomie und das Wachstum von Kindern und Jugendlichen<br />

fördern. Dies findet nicht in einem ungeregelten Raum statt, sondern stellt<br />

hohe Anforderungen an die pädagogische Begleitung in der Pause.<br />

Gemeinsam mit dem Caterer und Fachplaner*innen sind strukturelle Bedingungen<br />

zu schaffen, in denen sich die Gäste in der Schulverpflegung wohlfühlen. Es ist über<br />

schulorganisatorische Rahmenbedingungen (Rhythmisierung, Angebotsstruktur) zu<br />

ermöglichen, dass für die folgenden Entscheidungen die größtmögliche Freiheit ermöglicht<br />

wird:<br />

• Wann will ich essen? (Im Rahmen eines möglichst großen Zeitfensters, idealerweise<br />

von 12–14 Uhr)<br />

• Wie lange? (Schnell essen ist erlaubt, genau wie längeres Verweilen am Tisch oder<br />

im Speiseraum)<br />

• An welchem Platz will ich essen? (Vielfältige Auswahl in der Möblierung sollte<br />

vorhanden und erreichbar sein)<br />

• Mit wem will ich essen? (Sollte selbstverständlich sein, ist es leider häufig nicht an<br />

Schule)<br />

• Was will ich essen? (Im Rahmen des möglichst vielfältigen Speiseplans)<br />

• Wie viel will ich essen und wie oft möchte ich mir Essen (nach-)nehmen?<br />

(Wird möglich durch Selbstbedienungsbuffets, von denen sich im Rahmen der<br />

maximalen Mengen beliebig oft genommen werden kann)<br />

• Was will ich probieren? (Dies wird am besten selbst entschieden, angeregt durch<br />

gute Beispiele aus der selbst gewählten Peer-Group. Das bevorzugte Ausgabesystem<br />

ist Free Flow (Selbstbedienungsbuffets).)<br />

sich Schulen im Rahmen der Ganztags-<br />

Qualitätsentwicklung auf den Weg gemacht<br />

und versuchen, den Speiseraum<br />

mit externer Planungskompetenz zu<br />

einem Verweilort zu entwickeln. So kann<br />

die Kantine als Gemeinschaftsraum zum<br />

Identifikations- und Ankerpunkt für die<br />

Schule über den ganzen Tag werden.<br />

Zonierungen mit unterschiedlicher Bestuhlung,<br />

anderer Beleuchtung, Dekoration<br />

oder eventuell sogar einem Kinderkochstudio<br />

(Küchenzeile, die unabhängig<br />

von der Caterer-Küche nutzbar ist)<br />

schaffen eine Infrastruktur und das notwendige<br />

Ambiente für einen lebendigen<br />

Ort, der von Lernen bis Feiern über den<br />

ganzen Tag alles ermöglicht. Wenn dann<br />

noch Freiräume (siehe Kasten) eröffnet<br />

werden, dann besteht die Chance auf<br />

einen Beitrag des „dritten Pädagogen“<br />

an einem guten Ort.<br />

Literatur<br />

Behr, S. (2023): Naturnahe Schulgeländegestaltung.<br />

Online verfügbar unter:<br />

https://li.hamburg.de/ausserschulischelernorte/zentrum-fuer-schulbiologieumwelterziehung-zsu/naturerlebnisschulhoefe-605248<br />

(Aufruf am 23.06.2023).<br />

Hoff, M., Kaup, H. & Röhr, A. (2005):<br />

Schulhöfe – planen, gestalten, nutzen.<br />

Westfalen-Lippe: Gemeindeunfallversicherungsverband<br />

(GUVV) Westfalen-Lippe.<br />

Walther B., Nentwig-Gesemann, I. & Fried, F.<br />

(2021): Ganztag aus der Perspektive von<br />

Kindern im Grundschulalter. Eine<br />

Rekonstruktion von Qualitätsbereichen und<br />

-dimensionen (3. Aufl.). Gütersloh: Verlag<br />

Bertelsmann Stiftung.<br />

Zimpel, A. F. (2014): Einander helfen.<br />

Der Weg zur inklusiven Lernkultur (2. Aufl.).<br />

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Verlag.<br />

12 GS aktuell 163 • September 2023

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