GSa163_Sept23_Pausenkulturen
Pausenkulturen
Pausenkulturen
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Praxis: <strong>Pausenkulturen</strong><br />
dass drinnen nur ruhige Dinge passieren<br />
und alles, was laut und voller Bewegung<br />
ist, draußen auf dem Hof stattfindet. Die<br />
Kinder können selbst entscheiden, ob sie<br />
ihre Pause drinnen oder draußen verbringen.<br />
Die offenen Räume bieten so<br />
Rückzugsmöglichkeiten für Kinder, die<br />
Ruhe suchen, lesen, Sammelkarten tauschen<br />
oder einfach etwas weiterarbeiten<br />
möchten.<br />
Matti hat es sich inzwischen mit seinem<br />
Buch auf dem Sofa gemütlich gemacht.<br />
Nebenan basteln zwei Kinder,<br />
jemand anderes zeichnet, zwei Kinder<br />
stärken sich beim zweiten Frühstück,<br />
solange die Brotdosen noch etwas hergeben.<br />
Viele wissen aber, dass es ihnen guttut,<br />
wenn sie draußen Bewegung und frische<br />
Luft bekommen. Jonas hatte sich als<br />
Erster den Ball geschnappt und ist schon<br />
längst auf den Sportplatz gedüst. Er<br />
weiß, dass „jetzt das Kribbeln aus seinen<br />
Beinen raus muss“. Der Sportplatz ist<br />
mitten auf dem Gelände und steht den<br />
Kindern aus allen Stufen zur Verfügung.<br />
Oft kommt es zu jahrgangs- und stufenübergreifenden<br />
Aktivitäten. Woanders<br />
gibt es Kletter- und Spielmöglichkeiten.<br />
Eine Elterninitiative hat einen Tiefseilgarten<br />
und andere Bewegungsstationen<br />
angelegt und entwickelt diesen Park immer<br />
weiter.<br />
Lars und Mia können es kaum abwarten.<br />
Sie stehen vor der Holzwerkstatt und<br />
wollen endlich an ihrem Auto weiterbauen.<br />
Eine gelernte Tischlerin, die als Honorarkraft<br />
arbeitet, wird ihnen gleich<br />
den Raum öffnen und mit Rat und Tat<br />
zur Seite stehen. Denn neben den ganz<br />
freien Pausenbeschäftigungen gibt es<br />
während der langen Mittagspause einige<br />
Offene Pausenangebote (OPA). Sie werden<br />
im Rahmen der gebundenen Ganztagsschule<br />
(GTS) durch Erzieher*innen,<br />
Honorarkräfte oder Lehrkräfte angeboten.<br />
Die Kinder können täglich zwischen<br />
Töpfern, Gärtnern, Basteln, Malen, Tanzen,<br />
Bauen u. v. m. wählen. Sie müssen<br />
sich nicht für ein Angebot verpflichten,<br />
sondern kommen spontan vorbei, wenn<br />
sie Lust haben. Ist der Raum, in dem ein<br />
Angebot stattfindet, voll, kommt man<br />
später noch einmal wieder oder versucht<br />
es an einem anderen Tag.<br />
Auf dem Gelände gibt es eine umfangreiche<br />
Spielzeugausleihe. Hier können<br />
die Kinder verschiedene Fahrzeuge,<br />
Tischtennisschläger und Spiele für<br />
draußen ausleihen. Julia hat heute gemeinsam<br />
mit ihrer Freundin „Ausleih-<br />
Dienst“. Sie sind für eine halbe Stunde in<br />
der Mittagspause dafür verantwortlich,<br />
dass die Geräte ausgegeben und auch<br />
wieder zurückgebracht werden. Den<br />
Schlüssel haben sie sich aus dem Mitarbeiter*innen-Zimmer<br />
geholt, und nun<br />
stehen sie vor einer kleinen Schlange<br />
zwischen den Fahrzeugen. Matti möchte<br />
das Dreirad mit dem Anhänger haben<br />
und hinterlegt seine Ausleih-Karte dafür<br />
bei Julia. Dann setzt er sich ins Fahrzeug<br />
und braust davon.<br />
Selbstbestimmung an der Wi*R<br />
Selbstbestimmung wird an der Winterhuder<br />
Reformschule großgeschrieben.<br />
Die Kinder bestimmen maßgeblich mit,<br />
wie ihr Tag abläuft, was sie tun und wie<br />
Andrea Karlsberg<br />
ist seit 2010 an der Winterhuder<br />
Reformschule und leitet seit 2012 die<br />
Primarstufe. Seit 2020 ist sie Vorstandsmitglied<br />
des Grundschulverbandes und<br />
in der Landesgruppe Hamburg tätig.<br />
Malte Cunis<br />
ist seit 2005 in der Primarstufe der<br />
Winterhuder Reformschule als Lerngruppenleitung<br />
tätig. Er war Mitglied der<br />
Initiative „Reformschule Hamburg e. V.“<br />
sie es am besten schaffen. Sie erleben<br />
aber immer wieder, dass das auch heißt,<br />
Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung<br />
für ihr Handeln und speziell<br />
für ihre Pausen und Erholungszeiten.<br />
Ein solches Schulleben ist nicht konfliktfrei;<br />
hier und da entsteht Streit. Das ist<br />
ganz normal; man muss ja nur wissen,<br />
wie man solche Meinungsverschiedenheiten<br />
klärt.<br />
Wie kann man trotzdem friedlich<br />
auseinandergehen und sich beim nächsten<br />
Mal wieder in die Augen sehen?<br />
Auch das will gelernt sein und auch das<br />
braucht Raum und Expert*innen. Unter<br />
den Kindern gibt es ausgebildete Streitschlichter*innen.<br />
Sie lernen über ein halbes<br />
Jahr in einem Wahlpflichtkurs, wie<br />
man anderen hilft, Streitigkeiten beizulegen.<br />
Wer seine Streitschlichtungsausbil-<br />
Prinzip des Free<br />
Flow: Die Kinder<br />
gehen während<br />
der Mittagspause<br />
dann zum<br />
Essen, wenn sie<br />
Hunger haben,<br />
und bedienen<br />
sich am Buffet<br />
selbst.<br />
GS aktuell 163 • September 2023<br />
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