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GSa163_Sept23_Pausenkulturen

Pausenkulturen

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Thema: <strong>Pausenkulturen</strong><br />

Dr. Markus Peschel (links)<br />

ist Professor für Didaktik des Sachunterrichts<br />

an der Universität des Saarlandes,<br />

Fakultät NT. Seine Forschungsschwerpunkte<br />

liegen in den Bereichen<br />

Digitalisierung und Medien, (Offenes)<br />

Experimentieren sowie Naturwissenschaftliche<br />

Grundbildung.<br />

Patrick Peifer<br />

ist wissenschaftliche Hilfskraft am<br />

Lehrstuhl für Didaktik des Sachunterrichts<br />

an der Universität des Saarlandes<br />

und unterstützt die Projekte „DiMaS“<br />

und „Sprachlichkeiten – Fachlichkeiten“.<br />

Sein Forschungsinteresse liegt<br />

in der Veränderung des Sprach-Fach-<br />

Bewusstseins angehender Sachunterrichtslehrkräfte.<br />

cher Gewalt und daraus resultierenden<br />

Verletzungen ausarten (können), aus gesundheitlichen<br />

Gründen instantan zu<br />

unterbinden (vgl. Hoffmann in dieser<br />

Zeitschrift). Oft sind solche Rangeleien<br />

Thema der (auf eine Pause) folgenden<br />

Stunde und werden – gemäß dem Postulat<br />

„Störungen haben Vorrang“ (Cohn<br />

1986, 122 f.) – meist pädagogisch reflektiert.<br />

Solche pädagogischen Reflexionen<br />

fußen auf dem Umstand, dass Lehrkräfte<br />

zumeist auch in den Pausen in<br />

Schüler*innennähe präsent sind. Wenn<br />

bereits im Unterricht kontrollierte Organisation,<br />

strikte Regeln und formalisierte<br />

Strukturiertheit als unabdingbar erachtet<br />

werden, muss es Schüler*innen doch<br />

wenigstens in den Pausen gestattet sein,<br />

sich (selbstverständlich: verletzungsfrei)<br />

selbstbestimmt entfalten zu dürfen (vgl.<br />

Kihm in dieser Zeitschrift). Daher ist die<br />

Frage zu stellen: Wieso führen Lehrkräfte<br />

Kontrollen in Pausen durch? Und: Brauchen<br />

nicht auch Lehrkräfte einmal Pause?<br />

Wann brauchen<br />

Lehrer*innen Pause(n)?<br />

Lehrer*innen sind in ihrem Berufsalltag<br />

einer Vielzahl an Stressoren ausgesetzt<br />

(vgl. Rothland 2013): Neben<br />

einer intensiven Belastung der Stimme,<br />

einem meist hohen Lärmpegel,<br />

einer hohen Konzentrationsfähigkeit<br />

und Geduld (v. a.) im Umgang<br />

mit weniger disziplinierten und/oder<br />

unmotivierten Schüler*innen zählen<br />

hierzu teils längere Vorbereitungs- und<br />

Korrekturzeiten am Nachmittag. Dies<br />

geht, wenig überraschend, mit einem<br />

hohen Stresserleben bzw. -empfinden<br />

im Lehrer*innenberuf einher und nicht<br />

selten evozieren jene „berufsbedingte[n]<br />

Beanspruchungen […] Stress und Burnout<br />

bei Lehrkräften“ (Rothland 2013, 8).<br />

Daher ist es für Lehrpersonen erforderlich<br />

und förderlich, regelmäßige Pausen<br />

in ihren Arbeitsalltag zu integrieren<br />

(vgl. Wendsche & Lohmann-Haislah<br />

2018; Wendsche, Varol & Ullmann<br />

in dieser Zeitschrift). Diese können<br />

von kurzen Erholungspausen zwischen<br />

Unterrichtsstunden bis hin zu einem<br />

Sabbatical (vgl. Weichmann & Köhler in<br />

dieser Zeitschrift) reichen.<br />

Dabei soll ein Blick darauf geworfen<br />

werden, wer die schulischen Pausen(-<br />

zeiten) überhaupt organisiert: Wer setzt<br />

fest, wann eine Pause beginnt und wann<br />

sie endet? Wer teilt wen zur Pause und<br />

zur Aufsicht ein? Die Schulleitung, die<br />

Schulkonferenz, die Lehrer*innenkonferenz,<br />

der schulinterne Gong oder die<br />

Lehrperson (vgl. Klenk in dieser Zeitschrift)!<br />

Aber: Nicht jedes Individuum<br />

muss zur selben Zeit auf die Toilette, hat<br />

zur selben Zeit Hunger und/oder Durst,<br />

benötigt zur selben Zeit Bewegung, …!<br />

Dazu ein paar Anregungen bzw. Fragen,<br />

zu denen in dieser Zeitschrift einige<br />

Autor*innen ihre Erfahrungen einbringen<br />

werden:<br />

● Wie wäre es, wenn es Pausenpartner*innen<br />

gibt, also Vereinbarungen<br />

zwischen den Erziehungs- und Kontrollinstanzen<br />

sowie den Individuen?<br />

● Müssen alle Klassen gleichzeitig<br />

Pause haben? Warum? Um einen Lehrer*innenwechsel<br />

zwischen den Klassen<br />

oder Fächern zu ermöglichen? 1 Um<br />

möglichst wenigen Lehrkräften die<br />

Kontrolle über alle Schüler*innen während<br />

einer bestimmten Zeitspanne zu<br />

ermöglichen?<br />

● Warum macht nicht jede Lehrkraft<br />

mit ihrer Klasse zu einer Zeit Pause,<br />

wenn es inhaltlich angebracht erscheint<br />

oder gerade auf dem Pausenhof wenig<br />

los ist?<br />

● Warum macht nicht jedes Kind Pause,<br />

wenn es Pause benötigt? Können wir<br />

nicht Inhalte, Phasen und Individualisierung<br />

so begreifen, dass die Lernenden<br />

selbst entscheiden können, wann<br />

Phasen der Allgemeinheit, der Vermittlung,<br />

des Lernens, des Übens usw. –<br />

und der Pausen – sind? Trauen wir dies<br />

Kindern zu?<br />

● Dürfen Kinder weiter lernen, wenn<br />

sie nicht in die Pause wollen? Müssen<br />

sie dann dabei beaufsichtigt werden<br />

– was genau bedeutet das? Was lernen<br />

sie? Und wann machen Schüler*innen<br />

Pause, wenn sie in der Pause (weiter)<br />

gelernt oder gearbeitet haben?<br />

● Warum hat nicht jede Klasse ein<br />

eigenes Areal und einen direkten Zugang<br />

nach draußen, sodass es keine<br />

Konflikte von zu vielen Kindern auf zu<br />

wenig Fläche gibt?<br />

● Wie wäre es mit einer Architektur,<br />

die gemeinsames Lernen, individuelles<br />

Lernen, Rückzugsmöglichkeiten, Erholungsorte<br />

usw. bewusst mit einem flexiblen<br />

Stunden- oder – besser – Lernplan<br />

ermöglicht (vgl. Krawczyk in dieser<br />

Zeitschrift)? 2<br />

● Wie wäre es, wenn Lehrkräfte selbst<br />

Pause machen könnten – wo sie wollen,<br />

wann sie wollen?<br />

● Wollen Lehrkräfte auch zu bestimmten<br />

Zeiten oder an bestimmten Orten<br />

Pausen? Alleine? Gemeinsam? Mit<br />

schulorganisatorischen Themen – dann<br />

wäre es keine Pause …?<br />

Fazit<br />

Zugegeben: Die Beiträge in dieser Zeitschrift<br />

zeigen verschiedene Perspektiven<br />

auf, die teilweise system- bzw. schuluntypisch<br />

sind und versuchen, etablierte<br />

Strukturen zu reflektieren bzw. neu zu<br />

entwickeln. Aber: Genau darin liegt die<br />

Chance, Schüler*innen in ihrer Autonomie<br />

und Individualität zu stärken.<br />

Denn: Das Treffen von Entscheidungen,<br />

wie z. B. wer wann Pause macht und<br />

wie sich in der Pause beschäftigt<br />

wird, erfordert die Aushandlung eigener<br />

Bedarfe (Kann ich noch lernen<br />

bzw. lehren oder benötige ich eine<br />

Pause?) sowie sozial-kommunikative<br />

Aushandlungen u. a. zwischen Mitschüler*innen<br />

(Machen wir gemeinsam<br />

Pause und haben wir gleichzeitig Durst,<br />

Hunger etc.?). Alle genannten Ideen sollen<br />

zur Diskussion und Reflexion bei<br />

4 GS aktuell 163 • September 2023

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