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GSa163_Sept23_Pausenkulturen

Pausenkulturen

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Thema: <strong>Pausenkulturen</strong><br />

angehenden und praktizierenden Lehrer*innen<br />

anregen – mit der Vision, etablierte<br />

und tradierte Schulkulturen (wie<br />

z. B. die Pausenvorschriften) kritisch zu<br />

hinterfragen und als <strong>Pausenkulturen</strong><br />

weiterzuentwickeln (vgl. F. Peschel 2021;<br />

M. Peschel 2021).<br />

Anmerkungen<br />

1) Wie sieht es mit Lernangeboten in anderen<br />

Fachräumen aus (Sporthalle, Naturwissenschaftsraum,<br />

Musikraum)? Wird hier<br />

aufgrund eines Raumbedarfs auf Stunden<br />

und damit auf Pausen und Wechsel abgeleitet?<br />

Geht es auch anders? Könnte man nicht<br />

eine Angebots-Lern-Kultur entwickeln und<br />

Kinder nutzen – z. B. begleitet mit Beratung<br />

von Lehrkräften – entsprechende Angebote<br />

situiert, individuell?<br />

2) Als ein Beispiel der Architektur und der<br />

veränderten Auffassung von gemeinsamem<br />

und individuellem Lernen sei auf die<br />

Laborschule Bielefeld verwiesen, die einige<br />

Konzepte erprobt und adaptiert hat. In dieser<br />

Schule ist allein architektonisch eine andere<br />

Auffassung von Gebäude- und Lernkultur<br />

sichtbar.<br />

Literaturangaben zum Artikel können<br />

Sie von unserer Website herunterladen:<br />

https://t1p.de/<strong>GSa163</strong>Lit<br />

Pascal Kihm<br />

Aushandlung und Mitbestimmung<br />

individueller Pausenzeiten<br />

Die Möglichkeit zur flexiblen Einteilung der Zeit beim Lernen bzw. Bearbeiten<br />

von Aufgaben wird häufig als ein Merkmal der organisatorischen Öffnung von<br />

Unterricht angesehen (Hanke 2005: 42; Bohl & Kucharz 2010: 17; Grunefeld &<br />

Schmolke 2011: 11 f.; Peschel 2020: 38). Die Mitbestimmung von Schüler*innen<br />

hinsichtlich der Zeiteinteilung bezieht sich in den o. g. Publikationen allerdings<br />

meist nur darauf, wie lange die Schüler*innen mit einer Aufgabe zubringen resp.<br />

wie schnell sie eine Aufgabe bearbeiten oder zu welchem Zeitpunkt sie die Bearbeitung<br />

einer Aufgabe abschließen, um sich einer neuen Aufgabe im Wochenplan,<br />

einer neuen Station, einem neuen Arbeitsblatt usw. zuzuwenden.<br />

Es geht somit bei der Mitbestimmung<br />

bzgl. schulischer<br />

Zeitstrukturen vornehmlich um<br />

ein flexibles, eigenes Lern- bzw. Arbeitstempo<br />

und um eine freie, individuelle<br />

Zeiteinteilung – jedoch innerhalb (!)<br />

festgesetzter Lern- oder Arbeitszeiten<br />

bzw. Pausenzeiten.<br />

„Wichtig ist, dass die Kinder beim Lernen<br />

[im Unterricht; Anm. d. V.] weitmöglich<br />

ihrer Eigenzeit folgen können<br />

und nicht hilflos der Tempovorgabe<br />

oder der Zeiteinteilung des Lehrers ausgeliefert<br />

sind“ (Peschel 2019: 169; Herv.<br />

d. V.).<br />

Unabhängig von einzelnen Möglichkeiten<br />

der ‚freieren‘ Zeiteinteilung innerhalb<br />

von festgelegten Unterrichtszeiten<br />

wird oft weiterhin von für alle Mitglieder<br />

der Schule (Schüler*innen, Lehrkräfte,<br />

weitere pädagogische Mitarbeitende, …)<br />

gültigen, zeitlich geordneten und genau<br />

festgelegten (getakteten!) Unterrichtsund<br />

Pausenzeiten ausgegangen (vgl. Esslinger-Hinz<br />

2010: 274). An vielen Standorten<br />

bedeutet dies (seit 1911!), dass 45<br />

Minuten Unterricht sich mehrfach al-<br />

ternierend mit kurzen Pausen (von etwa<br />

fünf Minuten Länge) und längeren Pausen<br />

(von etwa 15–20 Minuten Länge)<br />

abwechseln (vgl. Kluth 2018) 1 . Folgende<br />

Gründe werden häufig für eine solche<br />

Rhythmisierung, also für den alternierenden<br />

Wechsel von Unterrichts- (45<br />

Minuten) und Pausenzeiten (5–15–20<br />

Minuten) angegeben:<br />

● „Kinder brauchen Orientierung und<br />

Verlässlichkeit durch zeitliche Abfolge<br />

von Aktivitäten und Ritualen“ (Holtappels<br />

2006: 84).<br />

● Rhythmisierung zielt darüber hinaus<br />

auf den Ausgleich zwischen „Anspannung<br />

und Entspannung, Konzentration<br />

und Zerstreuung, Ruhe und Bewegung“<br />

(Laging 2006: 81).<br />

● „Beim Lernen wechseln Phasen hoher<br />

Konzentration und engagierter Auseinandersetzung<br />

mit ausgleichenden Entspannungsphasen“<br />

(Peschel 2019: 169).<br />

● Grundschüler*innen benötigen „hinreichende<br />

Phasen der Erholung und<br />

Zerstreuung“ (Holtappels 2006: 84),<br />

insbesondere dann, wenn sie „fremden<br />

Vorgaben folgen und zeitgleich dazu<br />

Verbindungen zu vorhandenem Wissen<br />

herstellen“ (Peschel 2019: 169) müssen.<br />

● Eine solche, ermüdende Belastung ist<br />

immer „nur kurzzeitig möglich, weshalb<br />

Unterricht üblicherweise einen<br />

Wechsel von Spannungs- und Entspannungsphasen<br />

anstrebt“ (ebd.; vgl. auch<br />

Jürgens & Standop 2012).<br />

Angesichts der Unterschiedlichkeit der<br />

Lernvoraussetzungen und der physiologischen<br />

bzw. psycho-sozialen Bedürfnisse<br />

von Schulkindern rückt allerdings gegenwärtig<br />

m. E. zunehmend eine lern- bzw.<br />

subjektgerechtere Zeitrhythmisierung<br />

in den Blick: „Der Verlauf des Schultags<br />

sollte […] vom Lebens- und Lernrhythmus<br />

der Kinder“ (Holtappels 2006: 84)<br />

und der didaktisch-methodischen Individualisierung<br />

bestimmt werden, „nicht<br />

aber von einer von außen vorgeschriebenen,<br />

verwaltungsbürokratisch gesetzten<br />

Zeitordnung“ (ebd.).<br />

Die 45-Minuten-Taktung wird deshalb<br />

– auch unter Berufung auf die o. g. Gründe<br />

und auf die Argumente aus dem beginnenden<br />

20. Jahrhundert (s. Endnote 1) – zunehmend<br />

diskutiert: Sie sei „zu starr, presse<br />

den Lehrstoff in zu wenig Zeit, verbreite<br />

Hetze und Unruhe“ (ebd.) und überstrapaziere<br />

die Konzentrationsfähigkeit von<br />

Grundschüler*innen (vgl. auch Esslinger-Hinz<br />

2010: 297). Unter dem Stichwort<br />

Rhythmisierung wird deshalb vielfach diskutiert,<br />

ob z. B. die Zeitblöcke, in denen jeweils<br />

Unterricht stattfindet, angepasst werden<br />

sollten (z. B. 60 Minuten, 90 Minuten,<br />

…) (vgl. Jürgens & Standop 2012).<br />

GS aktuell 163 • September 2023<br />

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