04.10.2023 Aufrufe

Martin Hailer | Andreas Kubik | Matthias Otte | Mirjam Schambeck sf | Bernd Schröder | Helmut Schwier (Hrsg.): Religionslehrer:in im 21. Jahrhundert (Leseprobe)

Der schulische Religionsunterricht befindet sich im Umbruch: Er hat es mit einer wachsenden religiös-weltanschaulichen Heterogenität der Schüler:innen zu tun und reagiert darauf – regional unterschiedlich – mit deutlichen Veränderungen in der Didaktik und den organisatorischen Rahmenbedingungen. Dies spiegelt sich in wachsenden Kompetenzerwartungen an den Beruf »Religionslehrer:in« und deren Aufbau in Studium, Referendariat und Fortbildung. Eine Konsultation mit Teilnehmenden aus diesen drei Phasen der Lehrer:innenbildung hat auf Einladung des Evangelisch-Theologischen wie des Katholisch-Theologischen Fakultätentages, der Konferenz der Institute für Evangelische Theologie und der Studienreformgremien aus Universitäten und Kirchen in Geschäftsführung der Evangelischen Kirche in Deutschland im September 2022 Problemkreise und Lösungsansätze diskutiert. Der vorliegende Band dokumentiert die Beiträge und bietet so einen dichten Einblick in die anstehende Überprüfung und Neugestaltung theologisch-religionspädagogischer Bildung.

Der schulische Religionsunterricht befindet sich im Umbruch: Er hat es mit einer wachsenden religiös-weltanschaulichen Heterogenität der Schüler:innen zu tun und reagiert darauf – regional unterschiedlich – mit deutlichen Veränderungen in der Didaktik und den organisatorischen Rahmenbedingungen. Dies spiegelt sich in wachsenden Kompetenzerwartungen an den Beruf »Religionslehrer:in« und deren Aufbau in Studium, Referendariat und Fortbildung.
Eine Konsultation mit Teilnehmenden aus diesen drei Phasen der Lehrer:innenbildung hat auf Einladung des Evangelisch-Theologischen wie des Katholisch-Theologischen Fakultätentages, der Konferenz der Institute für Evangelische Theologie und der Studienreformgremien aus Universitäten und Kirchen in Geschäftsführung der Evangelischen Kirche in Deutschland im September 2022 Problemkreise und Lösungsansätze diskutiert. Der vorliegende Band dokumentiert die Beiträge und bietet so einen dichten Einblick in die anstehende Überprüfung und Neugestaltung theologisch-religionspädagogischer Bildung.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Grußwort von Dorothee Wüst 17<br />

Nach ›Pi mal Daumen‹ vierzig Jahren stelle ich also fest, dass sich manches<br />

nicht geändert hat: Nach wie vor spielt die theologische, pädagogische und<br />

persönliche Qualifikation von Lehrpersonen gerade <strong>im</strong> H<strong>in</strong>blick auf die Besonderheiten<br />

des Religionsunterrichts e<strong>in</strong>e tragende Rolle. Nach wie vor geht es <strong>in</strong><br />

diesem Unterricht<strong>sf</strong>ach um mehr als um Wissensvermittlung und Kompetenzerwerb;<br />

es geht umBildung <strong>im</strong> umfassenden S<strong>in</strong>n. Nach wie vor ist der Religionsunterricht<br />

Grenzgänger als Teil des Systems Schule und als Kontrapunkt <strong>im</strong><br />

System Schule, bemüht sich um den Spagat, der durch Artikel 7Absatz 3GG<br />

vorgegeben ist. Anders als damals tut er das aber nichtmehr mit unh<strong>in</strong>terfragter<br />

Selbstverständlichkeit <strong>im</strong> Umfeld e<strong>in</strong>er Gesellschaft, die mehrheitlich christlich<br />

orientiert ist. Und er tut es <strong>im</strong> Norden anders als <strong>im</strong> Süden als <strong>im</strong> Osten als <strong>im</strong><br />

Westen. Längst etablieren sich regional Modelle, die Religionsunterricht anders<br />

aufstellen als <strong>im</strong> klassischen konfessionellen Format. Und das ist auch gut und<br />

richtig so. Und ist auch erst der Anfang.<br />

Oder anders: Wenn wir uns nicht bewegen, werden wir bewegt. Dass sich die<br />

St<strong>im</strong>men mehren, die lieber heute als morgen den kirchlich verantworteten<br />

Religionsunterricht abschaffen wollen, ist bekanntund spiegelt gesellschaftliche<br />

Entwicklungen. Unter dem Radar der Grundsatzdebatten unterläuftaber auch die<br />

Praxis an vielen Stellen bereits das Regelwerk konfessionellen Religionsunterrichts.<br />

Und das nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil es sich gar nicht anders<br />

organisierenlässt unter den Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>im</strong> System Schule, das wie e<strong>in</strong><br />

gesellschaftlicher Mikrokosmos ist und damit den Herau<strong>sf</strong>orderungen von Pluralität,<br />

Diversität, Integration und Inklusion zu begegnen hat wie der Rest der<br />

Welt. Aber damit ist auch bereits die enorme Chance beschrieben, die <strong>im</strong> Religionsunterricht<br />

liegt – wenn er sich bewegt.<br />

E<strong>in</strong>e Chance, der wir uns als Kirchestellen müssen undwollen. Wenn es uns<br />

ernst ist mit unserem Bildungsverständnis und unserer Verantwortung für die<br />

Gesellschaft. Dann gibt es ke<strong>in</strong>en Rückzug oder auch nur e<strong>in</strong> Verharren bei<br />

Realitäten, die ke<strong>in</strong>e mehr s<strong>in</strong>d. Dann s<strong>in</strong>d wir gefordert mit dem, was wir haben<br />

und können. Dann kann man von uns Konzepte und Modelle erwarten, die den<br />

Raum, den uns das System Schule bietet, angemessen füllen. Das bedeutet<br />

gleichzeitig den Abschied von Vorstellungen und Vorurteilen über den Religionsunterricht,<br />

die mir <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er kirchlichen Wirklichkeit noch <strong>im</strong>mer hartnäckig<br />

begegnen. Aus der B<strong>in</strong>nensicht wird der Religionsunterricht <strong>in</strong> Frage gestellt,<br />

sofern er nicht der wundersamen Schäfchenvermehrung dient. In der Außensicht<br />

wird genau das unterstellt, dass e<strong>in</strong>seitig missioniert, freie Me<strong>in</strong>ungsbildung<br />

unterdrückt und konservative Werte <strong>in</strong>doktr<strong>in</strong>iert würden. Oder kurz: dass das<br />

Überwältigungsverbot mit Füßen getreten wird.<br />

Damit ist nun tatsächlich exakt beschrieben, was Religionsunterricht nicht<br />

war, nicht istund vermutlich und hoffentlich auch nie se<strong>in</strong> wird. Er ist nicht Ort<br />

nachgeholter kirchlicher Sozialisation, def<strong>in</strong>itiv nicht Missionsraum oder Instrumentdes<br />

Kirchenaufbaus,nicht Hort ewig gestriger Wirtschaftswunderwerte

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!