Golf_u_Business_03-2023_web
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BUSINESS<br />
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Blickwinkel Tour bietet auf dem Reichsparteitagsgelände Touren mit VR-Brille an<br />
Nürnbergs Geschichte in<br />
ganz neuen Dimensionen<br />
NÜRNBERG – Der Bilderordner mit laminierten historischen Aufnahmen ist noch immer Standard bei Touren<br />
über das Nürnberger Reichsparteitagsgelände oder durch die Altstadt. Doch die digitale Welt verändert unsere<br />
reale Welt minütlich. Die Softwareentwickler Art Petto und René Kasparek von Blickwinkel Tour sind auf der<br />
Höhe der Zeit und bieten deshalb in Kooperation mit Geschichte für Alle eine einzigartige Tour an: Mit VR-Brillen<br />
ausgestattet fahren die Teilnehmer im Bus über das Reichsparteitagsgelände und erleben alle Gebäude dort in 3D<br />
beziehungsweise aus der 360-Grad-Perspektive. Das Besondere daran: Sie sehen dreidimensional nicht nur, was<br />
gebaut wurde, sondern auch das, was nur geplant war. Und das ist nun Mal der allergrößte Teil.<br />
Die Ausmaße sind wahrlich gigantisch und<br />
zeigen den unvorstellbaren Größenwahn der<br />
Nationalsozialisten: Allein die Eingangstüren<br />
des sogenannten „Deutschen Stadions“<br />
sollten fünf bis sechs Meter hoch werden, die<br />
Fassade gar 120 Meter. Insgesamt sollten in<br />
dieses Bauwerk denn auch mehr Zuschauer<br />
passen, als die Welt bisher jemals in einem<br />
Stadion gesehen hat: 405.000 Menschen. Der<br />
Circus Maximus aus der römischen Antike<br />
(250.000 Zuschauer) war das reale Vorbild.<br />
Aus diesen Plänen der Nationalsozialisten<br />
wurde letztlich nichts, das Stadion kam nie<br />
über die Baugrube und eine Grundsteinlegung<br />
hinaus. Immerhin: Ein 1:1-Modell<br />
im Hirschbachtal wurde gebaut – und auf<br />
diesem sowie den gesicherten historischen<br />
Architektur-Plänen basiert auch das, was die<br />
Zuschauer mit der VR-Brille erleben können.<br />
Denn der Anspruch von Blickwinkel Tour ist:<br />
Alles, was dreidimensional zu sehen ist, muss<br />
immer zu 100 Prozent wissenschaftlich-historisch<br />
gesichert sein. „Es wurde nichts von uns<br />
hineininterpretiert – und alles ausgiebig zusammen<br />
mit unseren Kooperationspartnern<br />
von Geschichte für Alle, Dokuzentrum und<br />
DokuPäd abgestimmt und erarbeitet.“ Das sei<br />
bei einem so sensiblen Thema unverzichtbar.<br />
Mittendrin und doch sehr, sehr klein fühlt<br />
man sich, wenn man von den oberen Rängen<br />
aufs Spielfeld blickt. Auch aus mehreren<br />
weiteren Perspektiven erlebt man dieses Bauwerk<br />
und seine unfassbaren Dimensionen.<br />
Wer nicht ganz schwindelfrei sein sollte, hat<br />
mit der VR-Brille trotzdem nur sehr selten ein<br />
Problem, sagt Art Petto: „Denn das menschliche<br />
Gehirn kann abstrahieren.“ Man sitzt<br />
sicher angeschnallt im Bus, der 90 Minuten<br />
über das Gelände fährt und mehrere Stopps<br />
macht. Die Teilnehmer nehmen die Brille zwischendurch<br />
auch immer wieder ab – und Mitarbeiter<br />
des renommierten Vereins Geschichte<br />
für Alle geben auf der Tour zwischen den<br />
Stopps Kongresshalle, Zeppelintribüne und<br />
Zeppelinfeld, Großer Straße und eben dem<br />
Deutschen Stadion sehr viele interessante<br />
Zusatzinfos. Auch auf der Zeppelintribüne –<br />
dem einzigen fertiggestellten Gebäude - und<br />
in der Kongresshalle lassen die dreidimensionalen<br />
Perspektiven deutlich werden, welchem<br />
Größenwahn die Nationalsozialisten<br />
verfallen waren – und wieviel von den hochtrabenden<br />
Plänen angesichts der tatsächlich<br />
verwendeten fragwürdigen Baumaterialen in<br />
Wirklichkeit bloße Fassade war.<br />
Es erscheint zwar bei diesem Thema schwierig,<br />
von „Highlights“ der Tour zu sprechen,<br />
aber zwei Dinge seien trotzdem erwähnt: Die<br />
Kongresshalle mit ihren geplanten Marmor-<br />
Fotos: © Blickwinkel Tour