Golf_u_Business_03-2023_web
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NACHHALTIGKEIT<br />
48<br />
Benedict Lechler hat mit ECOrinal ein umweltbewusstes Start-up gegründet<br />
Wenn Pinkelmatten die<br />
Nachhaltigkeit stärken<br />
NÜRNBERG – So ist es uns allen schon ergangen: Irgendwann musste auch Benedict Lechler beim Einkaufen<br />
kurz mal aufs Klo. Dieser Moment in einem Sport-Kaufhaus in Nürnberg, wie er sich heute mit einem Lachen<br />
erinnert, sollte zu einer Initialzündung werden.<br />
2019 war das und irgendwie muss man sich<br />
die Szenerie gar nicht so komisch vorstellen.<br />
Er starrte auf die kleine Scheibe aus Plastik,<br />
die dort im Pissoir lag. Jene aus der Gattung<br />
der Urinalsiebe, die in vielfältigsten Varianten<br />
auf den Männertoiletten dieses Landes zu<br />
finden sind. Der Pinkel-Kicker mit Mini-Tor<br />
und baumelndem Ball auf grünem Rasen, der<br />
einen wohl zum Treffen auffordern will oder<br />
auch Dartscheiben, die tatsächlich Zielwasser<br />
erfordern. Dem Witz, oder was man gemeinhin<br />
dafür hält, scheinen da keinerlei Grenzen<br />
gesetzt. Was aber bislang allen gleich ist: Die<br />
Pinkelmatten bestehen aus Plastik und haben<br />
eine entsprechend miese CO2-Bilanz, erklärt<br />
sich Benedict Lechlers Idee.<br />
Pinkelmatten sind längst sein Thema geworden.<br />
Dabei glaubte er zunächst gar nicht an<br />
seinen Einfall, diese Matten eben nicht aus<br />
Plastik herzustellen, sondern stattdessen<br />
nachhaltige Bestandteile für die Produktion<br />
zu verwenden. „Ich bin nachts mal schweißgebadet<br />
aufgewacht, weil ich gedacht habe,<br />
dass es so etwas doch schon geben muss.“ Gab<br />
es aber nicht. Nicht nach ersten, stundenlangen<br />
Recherchen, und auch nicht, als er tiefer<br />
in die Materie eintauchte. Es gibt weltweit<br />
keine Firma, die einen plastikfreien Urinalbesatz<br />
im Portfolio hat.<br />
Bis zum 1. September 2022, als er mit der<br />
„ECOrinal GmbH“ sein Unternehmen gründete<br />
und damit auch eine mögliche Karriere<br />
hintanstellte.<br />
Nach dem Abi am Hans-Sachs-Gymnasium<br />
und seinem Studium war er im Bereich der<br />
erneuerbaren Energien tätig. Wobei er auf<br />
diese Erfahrungen bauen kann - ebenso wie<br />
auf die Expertise von Papa Axel, einem alten<br />
Hasen was Formenbau und Spritzguss angeht.<br />
Er erinnert sich an die Anfänge in der Kellerbude<br />
seine Schwester Sabrina und an seinen<br />
Spezl Manfred Ettl, der nimmermüde mithalf<br />
– auf dem Weg zum Prototypen.<br />
Vorangegangen waren viele Tests, viele Formen<br />
mussten gefeilt werden. Er probierte<br />
Maisstärke und Algen aus, bis er „sein“ Produkt<br />
fand. Was das genau ist, darüber hüllt er<br />
sich noch in Schweigen. Die Anmeldung beim<br />
Deutschen Patentamt läuft zwar, aber etwaigen<br />
Stolpersteinen auf dem Weg zum erfolgreichen<br />
Start-up will man ja dann doch lieber<br />
aus dem Weg gehen. Sein Produkt könnte<br />
man essen, wenn das natürliche Reinigungsmittel<br />
nicht wäre. Vor allem aber ist es nahezu<br />
frei von Plastik, garantiert er. Der Clou jedoch:<br />
Lechlers Urinalmatten lösen sich wie Waschmittel-Tabs<br />
von selbst auf, nach vier Wochen<br />
sind sie komplett verschwunden. „Das dankt<br />
einem auch die Putzfrau“, sagt er augenzwinkernd.<br />
Aber ernsthaft: Es baut sich der Berg an<br />
Plastikmüll vor einem regelrecht auf, wenn<br />
Lechler eine simple Rechnung anstellt. Rund<br />
260.000 Urinale in Deutschland gibt es, mal<br />
Einzelgewicht so einer Matte a 60 Gramm,<br />
macht 15,7 Tonnen Plastik. Pro Monat. Umgerechnet<br />
knapp sieben Tonnen CO2-Emmissionen.<br />
„Man muss etwas für die Umwelt tun, und<br />
wenn es so leicht ist, gibt es kein Argument,<br />
was dagegenspricht.“ Das könnte so etwas wie<br />
ein Credo sein. Immerhin hat er ein Produkt,<br />
das Entsorgungskosten einspart, preislich mit<br />
der Plastik-Konkurrenz mithalten kann und<br />
die Nachhaltigkeitsbilanz eines mittelständischen<br />
Unternehmens deutlich aufbessern<br />
kann. Obendrein aber ist es für Lechler die<br />
Herausforderung, „in allen Arbeitsschritten<br />
und Prozessen, von der Materialbeschaffung<br />
bis zur Lieferung, umweltbewusst und nachhaltig<br />
zu agieren“. Beispiele gefällig?<br />
Die Lieferung erfolgt über ein Abo-Modell,<br />
das senkt Kosten, reduziert Lagerkapazitäten,<br />
spart CO2 ein. Sämtliche Materialien, die<br />
zu Herstellung und Vertrieb benutzt werden,<br />
kommen aus Deutschland. „Hundert Prozent,<br />
made in Germany und oft regional“, sagt der<br />
32-Jährige: „Es macht keinen Sinn, wenn der<br />
Tanker aus China kommt.“ Mit natürlichen<br />
Farben kann er nahezu jede Colorierung inklusive<br />
Logo erzeugen, das Reinigungsmittel<br />
ist wie die Parfümierung frei von künstlichen<br />
Zusätzen. Lediglich bei der Verpackung „muss<br />
man einen Tod sterben“, sagt Lechler zur Verwendung<br />
von PCR – was englisch „post consumer<br />
recyceld“ heißt, ist wiederverwerteter<br />
Plastikmüll. Der Kunststoff ist luftdicht zu<br />
verschließen und wurde schon x-fach recycelt.<br />
Das wird bei vielen Firmen ankommen, gibt<br />
er sich zuversichtlich. Hotels, das Gastro-Gewerbe,<br />
Universitäten, Behörden, aus Lechlers<br />
Sicht sind das alles potenzielle Kunden.<br />
Wobei er trotz erster, sehr positiver Zeichen,<br />
wohin sich sein Produkt entwickeln könnte,<br />
sehr realistisch agiert. Von wegen Höhle des<br />
Löwen oder so. „Wenn die Firma organisch<br />
wächst, ist mir das lieber als externes Geld.“<br />
Noch greift er immer wieder selbst in die Produktion<br />
ein und legt Hand an. Das könnte<br />
sich schon bald ändern. Wenn die erste Charge<br />
seiner Pinkelmatten so einschlägt, wie er<br />
sich das vor ein paar Jahren mal gedacht hat.<br />
Auf einem Kaufhaus-Klo in Nürnberg.<br />
Fritz Meixner<br />
zur Person Benedict Lechner<br />
Benedict Lechner stammt aus einer Sport-Familie. Er selbst schaffte es bei der<br />
Hockey-Gesellschaft Nürnberg (HGN) zum bayerischen Auswahlspieler, seine<br />
ältere Schwester Sabrina spielte gar für Deutschland. <strong>Golf</strong> hat der 32-jährige<br />
Nürnberger im Vorjahr für sich entdeckt und steht aktuell bei einem Handicap<br />
von 28. Auf den Fairways findet man ihn zwar noch selten, aber wenn sein<br />
Putter heißläuft, ist er eine Waffe. Auf dem Platz kann er am besten abschalten,<br />
„da hat man mal vier Stunden den Kopf aus, kommt auf andere Gedanken und<br />
kann es auch mit seiner Liebsten spielen.“