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NACHHALTIGKEIT<br />

48<br />

Benedict Lechler hat mit ECOrinal ein umweltbewusstes Start-up gegründet<br />

Wenn Pinkelmatten die<br />

Nachhaltigkeit stärken<br />

NÜRNBERG – So ist es uns allen schon ergangen: Irgendwann musste auch Benedict Lechler beim Einkaufen<br />

kurz mal aufs Klo. Dieser Moment in einem Sport-Kaufhaus in Nürnberg, wie er sich heute mit einem Lachen<br />

erinnert, sollte zu einer Initialzündung werden.<br />

2019 war das und irgendwie muss man sich<br />

die Szenerie gar nicht so komisch vorstellen.<br />

Er starrte auf die kleine Scheibe aus Plastik,<br />

die dort im Pissoir lag. Jene aus der Gattung<br />

der Urinalsiebe, die in vielfältigsten Varianten<br />

auf den Männertoiletten dieses Landes zu<br />

finden sind. Der Pinkel-Kicker mit Mini-Tor<br />

und baumelndem Ball auf grünem Rasen, der<br />

einen wohl zum Treffen auffordern will oder<br />

auch Dartscheiben, die tatsächlich Zielwasser<br />

erfordern. Dem Witz, oder was man gemeinhin<br />

dafür hält, scheinen da keinerlei Grenzen<br />

gesetzt. Was aber bislang allen gleich ist: Die<br />

Pinkelmatten bestehen aus Plastik und haben<br />

eine entsprechend miese CO2-Bilanz, erklärt<br />

sich Benedict Lechlers Idee.<br />

Pinkelmatten sind längst sein Thema geworden.<br />

Dabei glaubte er zunächst gar nicht an<br />

seinen Einfall, diese Matten eben nicht aus<br />

Plastik herzustellen, sondern stattdessen<br />

nachhaltige Bestandteile für die Produktion<br />

zu verwenden. „Ich bin nachts mal schweißgebadet<br />

aufgewacht, weil ich gedacht habe,<br />

dass es so etwas doch schon geben muss.“ Gab<br />

es aber nicht. Nicht nach ersten, stundenlangen<br />

Recherchen, und auch nicht, als er tiefer<br />

in die Materie eintauchte. Es gibt weltweit<br />

keine Firma, die einen plastikfreien Urinalbesatz<br />

im Portfolio hat.<br />

Bis zum 1. September 2022, als er mit der<br />

„ECOrinal GmbH“ sein Unternehmen gründete<br />

und damit auch eine mögliche Karriere<br />

hintanstellte.<br />

Nach dem Abi am Hans-Sachs-Gymnasium<br />

und seinem Studium war er im Bereich der<br />

erneuerbaren Energien tätig. Wobei er auf<br />

diese Erfahrungen bauen kann - ebenso wie<br />

auf die Expertise von Papa Axel, einem alten<br />

Hasen was Formenbau und Spritzguss angeht.<br />

Er erinnert sich an die Anfänge in der Kellerbude<br />

seine Schwester Sabrina und an seinen<br />

Spezl Manfred Ettl, der nimmermüde mithalf<br />

– auf dem Weg zum Prototypen.<br />

Vorangegangen waren viele Tests, viele Formen<br />

mussten gefeilt werden. Er probierte<br />

Maisstärke und Algen aus, bis er „sein“ Produkt<br />

fand. Was das genau ist, darüber hüllt er<br />

sich noch in Schweigen. Die Anmeldung beim<br />

Deutschen Patentamt läuft zwar, aber etwaigen<br />

Stolpersteinen auf dem Weg zum erfolgreichen<br />

Start-up will man ja dann doch lieber<br />

aus dem Weg gehen. Sein Produkt könnte<br />

man essen, wenn das natürliche Reinigungsmittel<br />

nicht wäre. Vor allem aber ist es nahezu<br />

frei von Plastik, garantiert er. Der Clou jedoch:<br />

Lechlers Urinalmatten lösen sich wie Waschmittel-Tabs<br />

von selbst auf, nach vier Wochen<br />

sind sie komplett verschwunden. „Das dankt<br />

einem auch die Putzfrau“, sagt er augenzwinkernd.<br />

Aber ernsthaft: Es baut sich der Berg an<br />

Plastikmüll vor einem regelrecht auf, wenn<br />

Lechler eine simple Rechnung anstellt. Rund<br />

260.000 Urinale in Deutschland gibt es, mal<br />

Einzelgewicht so einer Matte a 60 Gramm,<br />

macht 15,7 Tonnen Plastik. Pro Monat. Umgerechnet<br />

knapp sieben Tonnen CO2-Emmissionen.<br />

„Man muss etwas für die Umwelt tun, und<br />

wenn es so leicht ist, gibt es kein Argument,<br />

was dagegenspricht.“ Das könnte so etwas wie<br />

ein Credo sein. Immerhin hat er ein Produkt,<br />

das Entsorgungskosten einspart, preislich mit<br />

der Plastik-Konkurrenz mithalten kann und<br />

die Nachhaltigkeitsbilanz eines mittelständischen<br />

Unternehmens deutlich aufbessern<br />

kann. Obendrein aber ist es für Lechler die<br />

Herausforderung, „in allen Arbeitsschritten<br />

und Prozessen, von der Materialbeschaffung<br />

bis zur Lieferung, umweltbewusst und nachhaltig<br />

zu agieren“. Beispiele gefällig?<br />

Die Lieferung erfolgt über ein Abo-Modell,<br />

das senkt Kosten, reduziert Lagerkapazitäten,<br />

spart CO2 ein. Sämtliche Materialien, die<br />

zu Herstellung und Vertrieb benutzt werden,<br />

kommen aus Deutschland. „Hundert Prozent,<br />

made in Germany und oft regional“, sagt der<br />

32-Jährige: „Es macht keinen Sinn, wenn der<br />

Tanker aus China kommt.“ Mit natürlichen<br />

Farben kann er nahezu jede Colorierung inklusive<br />

Logo erzeugen, das Reinigungsmittel<br />

ist wie die Parfümierung frei von künstlichen<br />

Zusätzen. Lediglich bei der Verpackung „muss<br />

man einen Tod sterben“, sagt Lechler zur Verwendung<br />

von PCR – was englisch „post consumer<br />

recyceld“ heißt, ist wiederverwerteter<br />

Plastikmüll. Der Kunststoff ist luftdicht zu<br />

verschließen und wurde schon x-fach recycelt.<br />

Das wird bei vielen Firmen ankommen, gibt<br />

er sich zuversichtlich. Hotels, das Gastro-Gewerbe,<br />

Universitäten, Behörden, aus Lechlers<br />

Sicht sind das alles potenzielle Kunden.<br />

Wobei er trotz erster, sehr positiver Zeichen,<br />

wohin sich sein Produkt entwickeln könnte,<br />

sehr realistisch agiert. Von wegen Höhle des<br />

Löwen oder so. „Wenn die Firma organisch<br />

wächst, ist mir das lieber als externes Geld.“<br />

Noch greift er immer wieder selbst in die Produktion<br />

ein und legt Hand an. Das könnte<br />

sich schon bald ändern. Wenn die erste Charge<br />

seiner Pinkelmatten so einschlägt, wie er<br />

sich das vor ein paar Jahren mal gedacht hat.<br />

Auf einem Kaufhaus-Klo in Nürnberg.<br />

Fritz Meixner<br />

zur Person Benedict Lechner<br />

Benedict Lechner stammt aus einer Sport-Familie. Er selbst schaffte es bei der<br />

Hockey-Gesellschaft Nürnberg (HGN) zum bayerischen Auswahlspieler, seine<br />

ältere Schwester Sabrina spielte gar für Deutschland. <strong>Golf</strong> hat der 32-jährige<br />

Nürnberger im Vorjahr für sich entdeckt und steht aktuell bei einem Handicap<br />

von 28. Auf den Fairways findet man ihn zwar noch selten, aber wenn sein<br />

Putter heißläuft, ist er eine Waffe. Auf dem Platz kann er am besten abschalten,<br />

„da hat man mal vier Stunden den Kopf aus, kommt auf andere Gedanken und<br />

kann es auch mit seiner Liebsten spielen.“

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