Quality Engineering 02.2024
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Alles was Recht ist<br />
Wann zahlt der Versicherer?<br />
Selbst mit dem bestmöglichen Qualitätsmanagementsystem ist man nicht vor dem<br />
Risiko gefeit, dass die eigenen Produkte Ursache für einen Rückruf sind. Wenn der<br />
Fall dann eintritt, soll bestenfalls der eigene Versicherer zur Seite stehen und<br />
angefallene Kosten decken. Dies ist allerdings keine Selbstverständlichkeit.<br />
Wer aktuell einschlägige Portale für<br />
Rückrufe analysiert, der wird<br />
schnell erkennen, dass deren Anzahl stetig<br />
steigt. In bestimmten Branchen steht<br />
dem auch noch eine sinkende Zahl an abgesetzten<br />
Produkten gegenüber. Gleichzeitig<br />
haben Rückrufe das Potenzial, Kosten<br />
in Millionenhöhe zu verursachen.<br />
Rückrufkosten sind aber in der Regel<br />
weder von der „Allgemeinen Produkthaftpflichtversicherung“<br />
noch von der „Allgemeinen<br />
Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung“<br />
eines Unternehmens gedeckt.<br />
Sollten für diese Versicherungen<br />
keine individuellen Vereinbarungen zur<br />
Deckung von Rückrufkosten getroffen<br />
worden sein, bedarf es zu deren Deckung<br />
einer sogenannten „Rückrufkostenversicherung“.<br />
Wie auch für andere Versicherungen<br />
hat der Gesamtverband der Versicherer<br />
(GDV) für diese Art der Versicherung (unverbindliche)<br />
Musterbedingungen veröffentlicht.<br />
Diese dienen den meisten Versicherern<br />
als Basis für die eigenen Versicherungsbedingungen.<br />
Neben Musterbedingungen<br />
für Rückrufrisiken von Herstellern<br />
und Händlern im Allgemeinen<br />
existieren auch Musterbedingungen für<br />
Rückrufrisiken von Kfz-Teile-Zulieferern.<br />
Beide Bedingungen haben gemeinsam,<br />
dass sie Ansprüche von der Deckung ausschließen,<br />
die über die gesetzliche Haftpflicht<br />
der Versicherungsnehmer hinausgehen.<br />
Sowohl Hersteller und Händler im<br />
Allgemeinen als auch Kfz-Teile-Zulieferer<br />
im Besonderen haben gemein, dass sie<br />
sich regelmäßig vertraglichen Haftungserweiterungen<br />
ihrer Kunden ausgesetzt<br />
sehen. Auch aufgrund der häufig schwächeren<br />
Verhandlungsposition werden diese<br />
oft in Kauf genommen. Für eben solche<br />
Bild: merklicht/stock.adobe.com<br />
In der <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> informiert reuschlaw regelmäßig über rechtliche Themen.<br />
Haftungserweiterungen kann jedoch der<br />
genannte Ausschluss zur Anwendung<br />
kommen und eine Versicherungsdeckung<br />
versagt werden. Ob und inwiefern das<br />
wirklich der Fall ist, bedarf einer Einzelfallprüfung.<br />
Die gestiegenen Rückrufzahlen sowie<br />
auch die nur schwer kalkulierbaren Schadensvolumina<br />
bei Rückrufkosten führen<br />
dazu, dass Versicherer teilweise nur unter<br />
engen Voraussetzungen überhaupt Versicherungsschutz<br />
für vertragliche Haftungserweiterungen<br />
anbieten. Solche Voraussetzungen<br />
sind beispielsweise erhöhte<br />
Prämien, hohe Selbstbehalte oder erweiterte<br />
Risikoausschlüsse. Insbesondere<br />
für Kfz-Teile-Zulieferer lässt sich hier ein<br />
Trend erkennen: Je weiter „oben“ der Kfz-<br />
Teile-Zulieferer in der Lieferkette steht,<br />
desto umfangreicher sind seine vertraglichen<br />
Haftungserweiterungen, die die<br />
Kunden (z. B. OEM oder Tier 1) fordern<br />
und desto schwieriger wird die Versicherung<br />
derselben.<br />
Diesem Problem kann nur durch sorgfältige<br />
und vorausschauende Vertragsgestaltung<br />
gegenüber den Kunden sowie eine<br />
Prüfung und Optimierung der eigenen<br />
Versicherungsdeckung begegnet werden.<br />
In Anbetracht des Schadenspotenzials eines<br />
Rückrufs sollte dieser Fall besonders<br />
sorgfältig geprüft werden.<br />
Thorsten Deeg<br />
reuschlaw<br />
www.reuschlaw.de<br />
Bild: Reusch Rechtsanwälte<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> » 02 | 2024 13