Bildung für nachhaltige Entwicklung
GSa166_Mai24_ES
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Praxis: <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
Michael Töpler (links)<br />
M. A. der Philosophie, Geschichte und<br />
Literatur wissenschaft<br />
Dr. Christoph Schmitz,<br />
Sozialunternehmer, Agrarökonom,<br />
Mentor<br />
MT: Hat die Arbeit der GemüseAckerdemie<br />
vor Ort in erster Linie Projektcharakter,<br />
oder wirkt sich das Angebot<br />
auch auf den Fachunterricht aus?<br />
CS: Der Acker bietet sich als fächerübergreifender<br />
Lernort an. Mathematische<br />
Fragen lassen sich hier ebenso bearbeiten<br />
wie Themen, die im Sachunterricht oder<br />
im Kunstunterricht verortet sind.<br />
MT: Kann man sagen, wie sich die<br />
Arbeit auf dem Acker auf die Kinder<br />
konkret auswirkt?<br />
CS: Wir beobachten, dass die Sozialkompetenzen<br />
der Kinder steigen. Insbesondere<br />
das eigenverantwortliche Arbeiten<br />
in Kleingruppen hat positive Effekte.<br />
Die Selbstwirksamkeitserfahrungen<br />
beim Anbauen und beim Ernten sind<br />
enorm, das stärkt die Kinder.<br />
MT: Wirkt die Arbeit auch in die<br />
Familien hinein?<br />
CS: Natürlich. Die Kinder tragen ihre<br />
Erfahrungen als Botschafter:innen<br />
nach Hause und bringen auch manche<br />
Eltern intensiver in Kontakt mit saisonalem<br />
Gemüse. Dieses kann ja zu Hause<br />
unmittelbar verarbeitet werden.<br />
MT: Kann auch das Schulessen vom<br />
Acker aus bereichert werden?<br />
CS: Das ist <strong>für</strong> besondere Anlässe möglich,<br />
zum Beispiel mit einer Kürbisaktion<br />
im Herbst. Für die alltägliche Versorgung<br />
einer Mensa reichen die Erträge<br />
nicht. Das ist aber auch nicht der<br />
Anspruch.<br />
MT: Inwiefern wirkt sich Ihre Arbeit<br />
auf das Leben und das Arbeiten an der<br />
Schule insgesamt aus?<br />
CS: Ein wichtiger Baustein sind regelmäßige<br />
Fortbildungen <strong>für</strong> die Lehrkräfte,<br />
die durch unsere Onlineplattform<br />
flexibel gestaltet werden können.<br />
Dadurch kommt das Thema Nachhaltigkeit<br />
immer wieder ins Bewusstsein. Die<br />
kontinuierliche Beschäftigung mit unseren<br />
Angeboten gibt häufig Anstöße zu<br />
unterrichtlichen und außerunterrichtlichen<br />
Aktivitäten.<br />
MT: Nachhaltigkeit scheint schon fast<br />
ein Modewort zu sein, dass nicht unbedingt<br />
mit der Transformation verbunden<br />
wird, die wir vor uns haben.<br />
Besteht die Gefahr, dass die Schulen zu<br />
sehr an der Oberfläche bleiben?<br />
CS: Das Problem sehen wir, aber wir<br />
sehen noch stärker die sichtbaren Fortschritte.<br />
Alle müssen sich dem Thema<br />
widmen und tun dies in unterschiedlicher<br />
Intensität. Im Rahmen der Gemüse<br />
Ackerdemie wird zum einen der Lernort<br />
„draußen“ als Standard etabliert, der<br />
Garten, der Schulhof und die Umgebung<br />
werden verstärkt zum pädagogischen<br />
Raum.<br />
MT: Bedeutet das, dass es eine Standardlösung<br />
<strong>für</strong> alle Schulen gibt, wie<br />
das jeweilige Gelände gestaltet werden<br />
muss?<br />
CS: Nein, das ist sehr individuell und<br />
bietet Raum <strong>für</strong> viele Ideen. Es gibt tolle<br />
Beispiele, wo Schulen noch weit über<br />
unsere Initiative hinausgegangen sind.<br />
Jede Schule ist in der Umsetzung ein<br />
Unikat.<br />
MT: Gibt es Probleme mit der Frage,<br />
wie man die Angebote der Gemüse<br />
Ackerdemie im Rahmen der Lehrpläne<br />
umsetzt?<br />
CS: Nein, das ist vollkommen unproblematisch.<br />
Auf unserer Plattform ist die Verankerung<br />
in den jeweiligen Lehrplänen<br />
der Länder hinterlegt. In diesem Bereich<br />
hat sich einiges getan. BNE ist zwar in<br />
unterschiedlicher Weise formuliert, die<br />
Umsetzung ist aber meist sehr offen.<br />
MT: Bereitet der Föderalismus Probleme?<br />
CS: Auf der inhaltlichen Seite nicht.<br />
Lediglich im Bereich der Förderung<br />
unseres Angebotes gibt es einige Unterschiede,<br />
das kann manchmal etwas<br />
komplizierter werden.<br />
MT: Wie sieht die Verteilung im Bundesgebiet<br />
inzwischen aus? Kann<br />
grundsätzlich jede Schule in Deutschland<br />
teilnehmen?<br />
CS: Ja, inzwischen sind wir flächendeckend<br />
aktiv. In einigen Bundesländern<br />
sind wir schon stark vertreten, andere<br />
ziehen aber allmählich nach. Durch<br />
unser Netz von 520 Coaches mussten<br />
wir seit 2020 keiner Schule mehr aus<br />
Kapazitätsgründen absagen.<br />
MT: Wie sieht die Nachfrage im<br />
Bereich der Grundschulen aus?<br />
CS: Grundschulen haben weiter großes<br />
Interesse, die Nachfrage ist eher steigend.<br />
MT: Hat sich das Programm in den<br />
letzten zehn Jahren grundsätzlich<br />
geändert?<br />
CS: Wir haben uns kontinuierlich weiterentwickelt,<br />
insbesondere auch durch<br />
die zahlreichen Rückmeldungen aus den<br />
Schulen. So konnten Programm und<br />
Materialien immer weiter verbessert<br />
werden.<br />
MT: Kommen Sie selbst noch hin und<br />
wieder auf den Acker?<br />
CS: Zum Glück kommt das immer wieder<br />
vor, bei größeren Events oder in der<br />
Schule meiner Kinder vor Ort. Jede:r<br />
unserer Mitarbeiter:innen muss einmal<br />
pro Saison auf den Acker, damit der<br />
Kontakt zur Basis lebendig bleibt. Das<br />
macht weiterhin viel Freude!<br />
MT: Herr Dr. Schmitz, ich danke<br />
Ihnen sehr <strong>für</strong> dieses Gespräch.<br />
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GS aktuell 166 • Mai 2024