Bildung für nachhaltige Entwicklung
GSa166_Mai24_ES
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Praxis: Rundschau <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
Dr. Nadine Naugk,<br />
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
im Arbeitsbereich Deutsch, Institut<br />
<strong>für</strong> Schulpädagogik und Grundschuldidaktik,<br />
Martin-Luther-Universität<br />
Halle-Wittenberg, Grundschulverband-<br />
Vorstandsmitglied der Landesgruppe<br />
Sachsen-Anhalt<br />
wege aus unterschiedlichen Blickwinkeln<br />
erstrebenswert erscheinen. Die Frage<br />
in meinem Seminarkonzepte lautete:<br />
Wie kann man Unterstützungsmöglichkeiten<br />
<strong>für</strong> Lehrkräfte finden, um Mehrsprachigkeit<br />
als Chance anzusehen und<br />
in den Unterricht zu integrieren? Nach<br />
Festlegung dieser Herausforderung geht<br />
man zunächst in die Breite. Die Studierenden<br />
setzten sich da<strong>für</strong> mit Primär-<br />
und Sekundärliteratur auseinander,<br />
wie dem Jugendbuch Ching Chang<br />
Stop (Gohring 2022), das eindrücklich<br />
und authentisch von Alltagsrassismus<br />
berichtet, oder dem Debattenbuch<br />
Abb. 2: Bearbeitung der Wow-How-Now-Matrix<br />
Deutschpflicht auf dem Schulhof? Warum<br />
wir Mehrsprachigkeit brauchen (Wiese/<br />
Tracy/Sennema 2020), um die Komplexität<br />
der Herausforderung zu verstehen.<br />
In der anschließenden Empathiephase<br />
interviewten sie Lehrkräfte zu ihrer persönlichen<br />
Sicht auf die Herausforderung<br />
insbesondere in Bezug auf ihren (Unterrichts-)Alltag<br />
an der Schule. Eine weitere<br />
Möglichkeit zum Verständnis der Perspektive<br />
der Nutzenden kann auch durch<br />
Selbsterfahrung oder Beobachtungen<br />
(z. B. in Hospitationen) entwickelt werden.<br />
Sollen Schüler:innen beispielsweise<br />
in die Planung der Schulhofgestaltung<br />
einbezogen werden, müssten Kinder<br />
verschiedenen Alters und insbesondere<br />
Kinder mit besonderen Rechten interviewt<br />
/ beobachtet werden. Setzt sich das<br />
Schulteam mit der Frage auseinander,<br />
wie Seiteneinsteiger:innen bestmögliche<br />
Unterstützung zum Einstieg in den Beruf<br />
bei knappen eigenen Ressourcen bekommen<br />
können, sollten die Seiteneinsteigenden<br />
selbst, ihre Mentor:in(nen)<br />
und die Schulleitung befragt werden, um<br />
die Herausforderung aus deren Perspektive<br />
wahrzunehmen.<br />
Im weiteren Verlauf des DT, der Phase<br />
des Erfassens der Nutzer:innenperspektive,<br />
tragen die Teilnehmenden ihre Informationen<br />
zusammen und identifizieren<br />
ein Teilproblem, <strong>für</strong> das sie im weiteren<br />
Prozess eine Lösung entwickeln<br />
wollen, und formulieren dazu eine Wiekönnen-wir-Frage<br />
(z. B.: Wie können<br />
wir Frau A. unterstützen, in nur zwei<br />
Minuten ihres Unterrichtstages Mehrsprachigkeit<br />
einzubauen? Wie können<br />
wir Frau B. die Vorteile einer Mehrsprachigkeitsdidaktik<br />
möglichst knapp nahebringen?<br />
Wie können wir die Sprachreflexion<br />
(des Deutschen) auf Satzebene<br />
anregen?)<br />
Nach dieser Engführung geht es wieder<br />
in die Breite und es werden so viele<br />
kreative, innovative Ideen gesammelt wie<br />
möglich, die auch erst einmal etwas verrückt<br />
klingen können. Da<strong>für</strong> bieten sich<br />
verschiedene Brainstorming-Methoden<br />
wie das Superman-Brainstorming, das<br />
Brainwriting oder das Objekt- oder Inspirations-Brainstorming<br />
an (siehe Hopp/<br />
Häusslein 2019, 146 ff.). Mithilfe der<br />
Wow-How-Now-Matrix (Abb. 2) ordnen<br />
die Studierenden ihre Ideen schließlich in<br />
einen von vier Quadranten mit Blick auf<br />
die Realisierbarkeit und die Originalität<br />
der Idee ein, um abschließend eine der<br />
Ideen, die im Wow-Sektor gelandet sind,<br />
<strong>für</strong> die spätere Umsetzung auszuwählen.<br />
Für diese ausgewählte Idee bauen sie<br />
nun einen Prototyp, der das Konzept<br />
der Idee veranschaulicht – die Teilnehmenden<br />
treten hierbei in einen intensiven<br />
Austausch über ihr jeweiliges Verständnis<br />
der ausgewählten Idee und<br />
besprechen mit Blick auf die gestellte<br />
Herausforderung und die erarbeitete<br />
Nutzer:innenperspektive die Details.<br />
Anschließend gehen sie in die Umsetzungsphase,<br />
in der immer wieder Feedback<br />
gegeben wird, um iterativ das Produkt<br />
zu verbessern. In meinem Seminar<br />
erstellten die Studierenden am Ende digitale<br />
oder digitalisierte Materialien, die<br />
Lehrkräften nun unter einer offenen Lizenz<br />
als Open Educational Ressources<br />
(OER) über eine Homepage zur Verfügung<br />
stehen (https://blogs.urz.unihalle.de/mehrsprachigeschule/,<br />
Aufruf<br />
am 08.03.2024). So entstanden bisher<br />
knapp 20 Materialien, u. a. interaktive<br />
H5P-Materialien, Padlets/Taskcards,<br />
Videotutorials oder PDFs, die von den<br />
Studierenden selbstständig in die Homepage<br />
eingebettet wurden. Dabei konnten<br />
die Studierenden gleichzeitig ihre digitalen<br />
Kompetenzen ausbauen und innovative<br />
Tools kennenlernen. Neben einer<br />
Sprachenwand, einem interaktiven<br />
Wimmelbild oder einem Sprachenzug,<br />
mit dem die Reihenfolge der Satzglieder<br />
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GS aktuell 166 • Mai 2024